Traktat "Demokratie als ethisch beste Entscheidungsmethode in Staat und Kirche": siehe unten


Christlicher Glaube und christliche Ethik - eine postmoderne Gesamtsicht der Wirklichkeit




Inhaltsverzeichnis



0.1. Schematisch-systematische Darstellung dieses Traktates

0.2 Sprachphilosophische Vorüberlegungen

0.2.1. Verwendung von Sprache an sich

0.2.2. Gleiches Verständnis der Wörter

0.3 Einleitende Gedanken und Erklärungen




1. Sichere, zweifelsfreie Realität (Existenz) und Grunderkenntnisse


1.1. Sichere, grundlegende Realitäten: Das Ich, das andere an sich und das Bewusstsein


1.1.1. Das Ich


1.1.2.Das andere (Allgemeine erkenntnistheoretische Kritik) (Vgl. Kap. 2.1. und 2.2.)


1.1.3. Das Bewusstsein


1.1.4. Die Beziehungen von Ich, anderem und Bewusstsein untereinander

1.1.4.1. Gegenseitige Konstituierung und Genese

1.1.4.2. Identität und Differenz


1.2. Unterschiedliche Grade der Realität


1.3. Erkenntniskritik der Methode des logischen Denkens (Vgl. 2.4.1..)


1.4. Exkurs: Warum ist überhaupt etwas?




1.5. "Metaphysische" Folgerungen: Das Absolute und die prinzipielle Unmöglichkeit, durch das Ich die Wirklichkeit umfassend zu erklären (Vgl. Hegel)
(und 3 Beweise für die Unmöglichkeit, den Atheismus zu beweisen, mit dem endlichen Ich die Wirklichkeit umfassend zu erkennen und eine das Endliche überschreitende "Metaphysik" zu widerlegen)


1.5.1. Die Erkenntnis des Absoluten im Bewusstsein des Ich
(Der 1. (prinzipielle) Beweis für die Unmöglichkeit, den Atheismus zu beweisen)

Link: Der Umgang mit Minderheiten als ethischer Indikator, hier besonders Kapitel 2.



1.5.2. Weitere Erkenntnisse über das Wesen des Absoluten (Vernünftige Theologie)

1.5.2.1. Der Begriff "Gott"

1.5.2.2. Das wahrhafte Unendliche(Gott) ist unendlich und auch endlich

1.5.2.3. Das Unendliche (Gott) als Person

1.5.2.4. Die persönliche Gotteserfahrung des Ich (Vgl. Kap. 2.3..)

1.5.2.5. Die Erhaltung des Ich durch Zuwendung des Absoluten nach einer Unterbrechung (Auferstehung)



1.5.3. Die prinzipiellen Erkenntnisgrenzen im Blick auf das andere (den Wahrnehmungsgegenstand) in unserem Bewusstsein (Vgl. Kap. 2.1..)
(Der 2. (prinzipielle) Beweis für die Unmöglichkeit, den Atheismus zu beweisen)



1.5.4. Die Unerklärbarkeit des anderen, des Endlichen aus sich selbst heraus und die daraus folgende Erkenntnis des Absoluten im anderen
(Der 3. (prinzipielle) Beweis für die Unmöglichkeit, den Atheismus zu beweisen)

1.5.4.1. Die prinzipielle Endlichkeit des anderen

1.5.4.2. Die prinzipielle Zufälligkeit des anderen, Endlichen

1.5.4.3. Die Erkenntnis des Absoluten im anderen, Endlichen




1.6. Ethische Grunderkenntnisse auf Basis der sicheren, grundlegenden Realitäten (Vgl. Kap. 2.4..) und Bedingungen für das Glücklichsein


1.6.1. Ethische Inhalte: Ethik der Rücksichtnahme


1.6.2. Freiheit des Ich (S.u. 2.4.0.1..)

1.6.2.1. Entscheidungs-Freiheit (Willensfreiheit)?

1.6.2.2. Undeterminierte Erkenntnis-Freiheit des Ich

1.6.2.3. Autonome Freiheit vom anderen (auch Tolerierungs-Freiheit)



1.6.3. Ethisch schlechtes Verhalten/Sünde




1.7. Die Königs- und Grunddisziplinen, die Basis-Wissenschaften (Vgl. Kap. 2.2.7..)







2. Unsichere, zweifelhafte Wirklichkeit: Die axiomatische Setzung der Vielfalt des anderen, der Inhalte des Bewusstseins, der Differenziertheit der Wirklichkeit



2.1. Der Grad der Kritik und der Grad der Evidenz der Differenziertheit der Wirklichkeit (Erkenntnistheorie, Stufe 2) (Vgl. Kap. 1.1.2. und 1.5.3..)


(2.1.1.-2.1.4.: Philosophische Baustelle, halbfertig)


2.1.1. Primärer Skeptizismus: Kants Erkenntniskritik gegenüber der Annahme (vom Ich) unabhängiger endlicher Dinge im Bewusstsein (Kritik durch das Hauptkriterium der Sicherheit)

2.1.1.1. Grundlegende Überlegungen

2.1.1.2. Welterkenntnis und Naturwissenschaft, beschränkt nach Kantscher Erkenntniskritik

2.1.1.3. Sprache als weitere transzendentale, einschränkende Voraussetzung bei der Erkenntnis der Differenziertheit der Welt

2.1.1.4. Konstruktiv-positiver Umgang mit der unsicheren Erkenntnislage: Phänomenologisch-subjektives Reden von den Dingen in der Erscheinung (vgl. Husserl)

2.1.1.5. Annahme, dass die Phänomene weiterer Personen auch objektiv real sind (1.Setzung)



2.1.2. Sekundärer Skeptzismus durch das Nebenkriterium der Dauer und Annahme der Kontinuität der Bewusstseinsinhalte (2.Setzung) (Vgl. Hume)



2.1.3. Tertiärer Skeptizismus: Die (die Erkenntnis-Sicherheit) relativierenden Brüche selbst innerhalb der Erfahrungswelt einer angenommenen differenzierten Wirklichkeit

2.1.3.1. Relativierung der modernen Naturwissenschaft auch innerhalb der Erfahrungswelt

2.1.3.2. Die durch Erfahrung erwiesene Täuschung

2.1.3.3. Die Phantasie in Gegenwart und Vergangenheit



2.1.4. Die positiven Folgen des (dialektischen) Skeptizismus und der Unsicherheit der differenzierten Wirklichkeit




(2.2.1 bis 2.2.4. und 2.2.6.): Volle philosophische Baustelle)


2.2. Setzung der unsicheren, endlichen, differenzierten Wirklichkeit – nützliche Folgen im einzelnen


2.2.1.Förderung der Differenziertheit reiner Bewusstseinsinhalte


2.2.2. Dialektische Interaktion als Naturprinzip


2.2.3.Die Leistungen der Naturwissenschaft


2.2.4. Der (körperliche) Mensch als das dialektischste Endliche (Anthropologie)


2.2.5. Sprache als symbolisches Zeichensystem zum umfassendenderen Verständnis des anderen, der differenzierten Wirklichkeit


2.2.6. Kommunikationserfahrung mit anderen menschlichen Individuen


2.2.7. Die empirischen Wissenschafts-Disziplinen (vgl. Kap. 1.7.)





2.3. Persönliche Gotteserfahrungen in der Differenziertheit der Welt
(Vgl. Kap. 1.5.2.4..)

https://piet-sys.machal7.com, dort besonders Kap. 4.1.4.4..

2.3.1. Phänomenologie der persönlichen Gotteserfahrungen

https://piet-sys.machal7.com, dort besonders Kap. 4.1.4..

2.3.2. Erfahrungs-, Glaubensimplikationen der Annahme einer Gotteserfahrung in der differenzierten Wirklichkeit





2.4. Ethik (vgl. Kap. 1.6.) auf der Grundlage der Phänomene und der Annahme der realen Existenz vieler Personen

Der Umgang mit Minderheiten als ethischer Indikator, besonders Kapitel 6.

2.4.0.1. Empirisch-naturwissenschaftliche Gehirn-Versuche zur Willensfreiheit des Menschen (Vgl. Kap. 1.6.2.1.)


2.4.1. Das logisch-rationale Denken als Methode ethischer Vereinbarungen mehrerer angenommener Subjekte – Alternative der ethischen Intuition (Vgl.1.3..) - ethischer Unterricht



2.4.2. Die (intersubjektive) Universalität der Ethik in der subjektiven Welt der Phänomene mit Raum und Zeit



2.4.3. Zusammenfassende Hierarchie ethischer Grundwerte



2.4.4. Handlungsgrundlage des Guten: Der freiheitliche, auf Gleichheit beruhende Staat, Demokratie, Toleranz (Sozial-Ethik (Öffentliche Ethik))


2.4.4.1. Anerkenntnis der Gleichheit

2.4.4.1.1. Warum überhaupt Staat?

2.4.4.1.2. Gesellschaftsvertrag auf der Gleichheit der Mitglieder beruhend; Sicherung des Überlebens an sich; Demokratie mit dem Recht auf Ausreise

2.4.4.1.2.1. Demokratie

2.4.4.1.2.2. Gleichheit und Gerechtigkeit bei Minderjährigen

2.4.4.1.2.3. Sicherung des Überlebens an sich; Schutz vor Mord und Tötung

2.4.4.1.2.4. Das Recht auf Ausbürgerung/Ausreise


2.4.4.1.3. Aktive Ablehnung der Demokratie, des Ausbürgerungsrechts und des Rechtes auf Leben
         und deren Verteidigung, auch mit Gewalt

Postmoderne Pluralität sollte bei gewalttätigen Demokratiegegnern enden

2.4.4.1.3.1. Verteidigung durch Polizei/Inlandsgeheimdienst und das Militär

Ethischer Sinn der Bundeswehr

2.4.4.1.3.2. Asyl-Gewährung und Einwanderung, abhängig von der demokratischen Grundeinstellung

2.4.4.1.3.3. Der allgemeine Sinn von abwehrender Gewalt und Strafe in einem demokratischen Gleichheitsstaat

2.4.4.1.3.4. Gewaltsamer Widerstand in einem unterdrückendem Staat

2.4.4.1.3.5. Militärische humanitäre Interventionen von außen

2.4.4.1.4. Nachhaltiger Schutz vor grundlegenden Bedrohungen von Freiheit, Demokratie: Friedenspolitik, Umweltschutz, Schutz vor sozialen Unruhen, Verbrechensschutz, Generationenschutz (Schutz vor Überbevölkerung und Schuldenfalle)

2.4.4.1.4.1. Umgang der Staaten untereinander auch nach dem Prinzip der Gleichheit - Friedenspolitik

2.4.4.1.4.2. Umweltschutz

2.4.4.1.4.3. Schutz vor Überbevölkerung

2.4.4.1.4.4. Soziale Mindeststandards, die eine Revolte gegen die Demokratie verhindern

2.4.4.1.4.5. Verbrechensschutz (außer Mord, s.o. 2.4.4.1.2.3.))

2.4.4.1.4.6. wirtschaftlicher Generationenschutz (vor einer Schuldenfalle)


2.4.4.2. Freiwillige Beschränkung der demokratischen Rechte aufgrund der Rüchsichtnahme (Eingehen): Freiheit, Toleranz, Minderheitenschutz, Menschenwürde, soziale Rechte

2.4.4.2.1. Freiheit, Toleranz, Minderheitenschutz ("Die offene Gesellschaft")

          Der Umgang mit Minderheiten als Indikator für die ethische Qualität einer Gesellschaft, besonders Kapitel 6.1.

          Wissenschaftliche Argumente gegen den Zwang von Gender-Stereotypen

          Die ethische Weiterentwicklung der freiheitlichen Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland am Beispiel des Umgangs mit Homosexuellen in der Bundeswehr

          Artikel über Homosexuelle in Israel als dreifacher Minderheit (queer, jüdisch und Israel als mehrheitlich-jüdischer Staat im Nahen Osten

          Rezension der Autobiographie einer Transsexuellen in China

2.4.4.2.2. Menschenwürde, Soziale Rechte, Minderheitenrechte

          Queere Gleichstellung in Präsident Obamas 2.Antrittsrede

          Kritik des neuesten Vatikanpapiers zur Homosexualität, besonders gegen Lebenspartnerschaftsgesetze verfasst

2.4.4.2.3. Weiterer Zwang (Gesetze) im Staat muss erstrangig an die Gesamt-Freiheitsmaximierung gebunden sein




2.4.4.3. Undialektische (undemokratische, intolerante, anarchistische), ethisch verwerfliche Konzepte der Staatstheorie und der politischen Geschichte

Der Umgang mit Minderheiten als ethischer Indikator, besonders die ethischen Kapitel 3,4 und 5






2.4.5. Privat-Ethik (auf der Basis eines freiheitlich-demokratischen Staates) der ...

2.4.5.1. ... Relativierung (aber nicht asketischen Ablehnung) des Endlichen

2.4.5.1.1. ... Relativierung des materiellen Endlichen

Körper und Geist unter spezieller Berücksichtigung schwuler Körperorienierung

2.4.5.1.2. ...Relativierung endlicher Gedankenbereiche




2.4.5.2. ... Relativierung der belebten, nicht-menschlichen Natur und gleichzeitige Rücksichtnahme auf sie





2.4.5.3. ... Hilfsbereitschaft, Liebe

2.4.5.3.1. ... der Ablehnung des rücksichtslosen Egoismus

2.4.5.3.2. ... (begrenzten) Hilfsbereitschaft

Der Umgang mit Minderheiten als ethischer Indikator, besonders Kapitel 6.2.



2.4.5.3.3. ... Liebe

2.4.5.3.4. .... Freude und Unterstützung im Blick auf die Verwirklichung der heiligen Dialektik der Liebe in der Umgebung (auch in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften)

Christ und Homosexualität

Kirchliche Segnung homosexueller Lebensgemeinschaften (Rezension)



2.4.5.3.5. .... Feindesliebe/Hingabe


2.4.5.3.6. ..... angemessenen Selbstliebe - "Dem Mitmenschen Gutes tun - wie sich selbst"


2.4.5.3.7. Paradiesische Verhältnisse



Anmerkungen








0.1 Schematisch-systematische Darstellung dieses Traktates:



Die Zahlen in Klammern geben die Seitenzahlen an, und die Größe der Buchstaben entspricht dem Seitenumfang des jeweiligen Kapitels, sagt damit aber nicht unbedingt etwas über seine Wichtigkeit aus.







(In einer - gerade von Corona her sich neu erfahrenden - Welt kann nur eine solche Philosophie die Wirklichkeit angemessen deuten, die das andere (Nicht-Ich) als wirklich anderes (S.u. Kapitel 1.1.2. und 2.1.1.4. (Phänomen 'Körper (Krankheit)').) beschreibt und nicht (auf der Grundlage von unzutreffenden Wunschträumen) von einer unmittelbaren Harmonie des Ichs mit dem anderen, seiner Umwelt ausgeht. Die Mühen einer über die Differenz vermittelten Harmonie wird im Folgenden auch behandelt.)

0.2 Sprachphilosophische Vorüberlegungen

0.2.1. Verwendung von Sprache an sich

Traktat beginnt

Hier sind schon die ersten 2 Worte ("Traktat" + "beginnt") verwendet worden, Sprache ist verwendet worden. Und es wurde gar nicht zuvor geklärt, ob es überhaupt gut ist, Sprache zu verwenden, sich auf Sprache einzulassen.

Auch im Nachgang kann nicht hinreichend geklärt werden, ob Sprache eine gute, begründete Methode zur Behandlung der Themen ist. Denn, um die Frage der Sprache zu klären, muss ich immer schon Sprache verwenden, so dass sich ein zirkuläres Verfahren ergäbe, in dem das zu Beweisende dem Beweisen vorausgesetzt wird.

Sprache an sich ist also bei dem folgenden Unternehmen als Methoden-Axiom vorausgesetzt, was nicht ausschließt, dass mit Hilfe der Sprache über dieselbe noch unten einiges gesagt wird.

Wer die Methode der Sprache ablehnt, wird schon vorher, aber spätestens jetzt sich von diesem Traktat abwenden und schweigen.

Ich selbst verwende Sprache (eben axiomatisch), weil sie sich immer wieder bewährt für mein Ich und die Interaktion mit dem anderen (zu dieser Unterscheidung siehe den Text unten), also nicht aus einem logischen Grund, sondern aus einem Erfahrungs- und Evidenzgrund.

So wende ich mich mit diesem Traktat an alle, die Sprache auch (axiomatisch) verwenden - mit der Hoffnung auf hilfreiche Ergebnisse.


0.2.2. Gleiches Verständnis der Wörter

Auch wenn wir einig sind, Sprache zur Kommunikation zu verwenden, tritt ein neues Problem mit den Elementen einer Sprache auf, nämlich den Wörter, also den Zeichen, die verwendet werden. Diese Zeichen sind als Wörter/Zeichen nämlich Symbole für etwas anderes, das ihre Bedeutung, ihr Wortfeld ausmacht.

Großenteils wird Leser*in diese Wörter/Zeichen nicht mit genau der gleichen (univoken) Bedeutung verwenden.

Da könnte sich als Lösung anbieten, die Wörter vor ihrer Verwendung genau zu definieren. Hier stellt sich aber dasselbe Problem wie bei Sprache an sich (Kap. 0.2.1.). Um das 1.Wort zu definieren, benötige ich andere, noch nicht definierte Worte, d.h. ich kann es bei Sprache und bei den Wörtern nicht vollkommen vermeiden, etwas zu gebrauchen, was ich vorher nicht diskutiert habe.

Wenn die Wörter/Zeichen bei Verfasser und Leser*in Symbole für vollkommen Unterschiedliches, Wortfelder ohne jede Schnittmenge sind, unterschiedliche (äquvioke) Bedeutungen haben, die nichts miteinander zu tun haben, dann wäre ein Lesen des Traktates sinnlos.

Jedoch bewegt sich meine Verwendung der Wörter im Bereich der philosophischen Bedeutungen, des philosophischen Gebrauchs, so dass für philosophisch Vorgebildete ein mindestens analoges Verständnis der Wörter von Anfang an gegeben ist, eventuell sogar schon ein fast univokes.

Da die philosophische Sprache fast alle Wörter in Analogie, in einer gewissen Ähnlichkeit zur Alltagssprache gebildet hat, kann der Text auch ausgehend von der Alltags-Sprachwelt gelesen werden.

Ausgehend von einem schwach oder stark analogen Verständnis der verwendeten Wörter dürfte sich im Verlauf des Lesens des Textes eine Annäherung an die vom Verfasser gemeinte Bedeutung der Wörter/Zeichen einstellen bis hin zu einem fast univoken, also identischen Verständnis der Wörter von Verfasser und Leser*in. Je häufiger die einzelnen Wörter in Sätzen in unterschiedlichen Zusammenhängen gelesen werden, desto mehr wird sich das Verstehen des Gemeinten verbessern, denn die Bedeutung eines Wortes wird konstituiert und bestimmt durch seinen Gebrauch in der Sprache. (So wie die Bedeutung des Wortes "mattsetzen" sich auch nicht allein durch die Betrachtung des letzten Zuges einer Schachpartie verstehen lässt, sondern nur, indem ich mich Schritt für Schritt mit seiner Bedeutung im Zusammenhang des Schachspielens als Ganzem beschäftige.)





0.3 Einleitende Gedanken und Erklärungen

Mit Ausnahme des Methoden-Axioms der Sprache (Kap 0.2) beginnen diese Gedanken ganz voraussetzungslos, bald ergänzt durch das Methoden-Axiom der Logik (des logischen Denkens, s.u. Kap. 1.3.).

Warum habe ich mir die Arbeit gemacht? Zunächst einmal, um mir selbst über die Wirklichkeit/Realität (zumindest in den allgemeinen Grundprinzipien) und über mich klarzuwerden. Das ist mir deshalb wichtig, weil ich in der Realität besser existieren kann, wenn ich die Realität verstehe. Ich kann dann nämlich besser Einwirkungen der Realität auf mich, die ich nicht möchte, vermeiden (oder die, die ich möchte, verstärken), und das gerade auch dadurch, dass ich den Platz von mir, meines Ich in der Realität besser verstehe. Das heißt, es gibt vorgegebene Prinzipien für mich, die ich nicht ändern kann, aber durch deren Erkenntnis ich meinen Willen und meine Wünsche besser zu Realität werden lassen kann.

Beide Ziele dieser Gedankenmühe bedeuten für mich spontane Lust. Es lassen sich dafür aber auch Gründe verbalisieren, wie die Gedanken zeigen werden.

Wie sich gleich zeigen wird, ist es prinzipiell nicht nachweisbar und nicht beweisbar, wie das andere außerhalb von mir gestaltet ist, also ob es außer mir andere Personen gibt (Kap 2.1.1.5). Sollte es sie aber geben, dann sollen diese Gedanken anderen auch in ihrem Leben helfen.

Nun also zum eigentlichen Traktat:





1. Sichere, zweifelsfreie Realität (Existenz) und Grunderkenntnisse

1.1. Sichere, grundlegende Realitäten: Das Ich, das andere an sich und das Bewusstsein

1.1.1. Das Ich

Nur drei Realitäten sind sicher (ganz am Anfang einer unvoreingenommenen Betrachtung der Wirklichkeit):

Erstens, dass ich existiere. Indem ich bewusst mein Ich wahrnehme (=Ichbewusstsein), ist es da. Es kann eben - anders als die anderen Dinge - keine Einbildung sein, weil
das Ichbewusstsein im Moment seines Auftretens Realität ist, dann schon immer vorgegeben ist
und nicht erst das (spätere) Ergebnis einer Wahrnehmung/Erkenntnis.
Wenn jemand "Ich" bewusst denkt, dann ist das Ich da. Mit Husserls Worten: Es „scheint aber das reine Ich ein prinzipiell Notwendiges zu sein“(1).

Oder ich kann mit dem Ansatz Descartes' sagen: Wenn das Ich an allem zweifelt, so ist es als die Voraussetzung des Zweifelns doch nicht in Frage zu stellen: "si me fallit; ... numquam tamen efficiet, ut nihil sim quamdiu me aliquid esse cogitabo. ... denique statuendum sit hoc pronuntiatum, Ergo sum, ergo existo, quoties a me profertur, vel mente concipitur, necessario esse verum."(2) (mag er/es mich täuschen, ... so wird er/es doch nie bewirken können, daß ich nicht sei, solange ich denken werde, etwas zu sein. ... muß ich schließlich festhalten, daß der Satz „Ich denke, Ich existiere“, sooft ich ihn ausspreche oder im Geiste auffasse, notwendig wahr sei.) Dieser voraussetzungslose (und deshalb niemanden mit einer anderen – z.B. kulturellen – Voraussetzung ausschließende) Ansatz wurde z.B. auch von Hegel geschätzt, der sagte, Descartes habe „die Sache wieder einmal ganz von vorne angefangen und den Boden der Philosophie erst von neuem konstituiert“(3), er sei "der wahrhafte Anfänger der modernen Philosophie."(4) Oder man kann mit den Worten Husserls die besondere Bedeutung Descartes so hervorheben: "Es fehlte dem negativistisch ... eingestellten Skeptizismus auch in allen späteren Zeiten das originale Cartesianische Motiv: durch die Hölle einer nicht mehr zu übersteigernden quasi-skeptischen Epoche hindurch zum Eingangstor in den Himmel einer absolut rationalen Philosophie vorzudringen und diese selbst systematisch aufzubauen"(5)

Allerdings gilt diese Feststellung nun für nichts Weiteres als die Existenz des reinen Ich: „Verbleibt uns als Residuum der phänomenologischen Ausschaltung der Welt ... ein reines Ich“(6).

Die festgestellte sichere Realität des (formalen) Ich schließt natürlich auch alle die (inhaltlichen) Gedanken ein, die das Ich nur aus sich selbst herleitet, die nur für den Bereich des Ich gelten, sozusagen reine Ich-Bewusstseinsinhalte, das innere Ich und damit das Wesen (der Charakter/die Persönichkeit) des Ichs. Diese Gedanken werden in der Regel Wünsche, (Tag-)Träume, Gefühle, Stimmungen, aber auch das reine, logische Denken (S.u.Kap. 1.3..) usw. genannt. Als Teile des Ich sind sie real (sofern sie als Ich-Bewusstseinsinhalte und nicht als Bewusstseinsinhalte im Blick auf den Außer-Ich-Bereich (z.B. Illusionen, Phantasien; s.u. Kap. 2.1.3.3..) gesehen werden), auch wenn sie nach herkömmlichen Sprachgebrauch nicht als Realität bezeichnet werden (Ja, sie sind viel realer als die sogenannte Realität, die nur Ding in der Erscheinung ist.(7)). Sie sind allerdings nicht real im Blick auf die Wirklichkeit insgesamt, den Bereich außerhalb des Ich, den Außer-Ich-Bereich (8), auf den sie sich aber oft beziehen, z.B. eine Sehnsucht nach etwas im Bereich des anderen.

1.1.2. Das andere (Allgemeine erkenntnistheoretische Kritik) (Vgl. Kap. 2.1. und 2.2..)

Das andere ist definiert als alles, was nicht das Subjekt des Bewusstseins (Ich) ist bzw, was nicht rein vom Ich-Subjekt produziert ist (was nicht reine Ich-Bewusstseinsinhalte sind) und was sich von diesem Ich-Subjekt unterscheidet.

Zweitens ist sicher, dass es anderes neben meinem Ich gibt. Das ist eine unmittelbare Erfahrung, dass nicht die ganze Realität mein Ich und seine eigenen reinen Ich-Bewusstseinsinhalte sind. Zur Ich-(Selbst-)Wahrnehmung kommen Gedanken hinzu, die Bewusstsein sind von etwas anderem außerhalb des Ich, auch wenn sie durch die Wahrnehmung natürlich mit dem Ich verbunden sind.

Diese Differenz des Ich zu diesem anderen, diese Differenz zwischen den reinen Ich-Bewusstseinsinhalten und dem Bewusstsein des anderen wird zum einen daran deutlich, dass ich dieses Bewusstsein des anderen nicht erzeugt habe (z.B. den Stern am Himmel, der von außen in mein Bewusstsein tritt).

Neben der Grunderfahrung, dass es anderes im Bewusstsein gibt, das dem Willen meines Ich nicht entspringt, tritt zum anderen die Realität des anderen teilweise noch schärfer hervor als ein Bewusstseinsinhalt, der dem Willen und Wesen unseres Ichs sogar widerspricht und damit noch deutlicher die Differenz zu unserem Ich zeigt. Als Beispiele für solche von uns nicht gewollten, vom anderen, von außen kommenden Bewusstseinsinhalte nenne ich den Eindruck von Krankheiten (Corona z.B.), Schmerzen, Enttäuschungen. Diese uns widerstrebenden Bewusstseinsinhalte werden vom anderen von außen manchmal in unserem Ich ausgelöst.

Spätestens bei den von außen kommenden, nicht gewollten Erfahrungen kann die Grundtatsache nicht mehr bestritten werden, dass ich nämlich mit Gegebenem konfrontiert werde, das ich nicht erzeugt habe und nicht vollkommen beeinflussen konnte. Der Wirkungsintensität des anderen betrifft nicht das ganze Ich in gleicher Weise. Das innere Ich (S.o. Kap. 1.1.1..) steht ganz oder großenteils in starker Differenz zu den äußeren Erfahrungen, während ein anderer Teil des Ich diesen Einflüssen stark ausgesetzt ist. Diesen 2.Teil nennen wir Körper. (S.u. Kap. 2.1.1.4..)

Eigentlich erlebt sich ja das Ich selbst schon als gegeben/gesetzt (S.u. Kap. 1.1.4.1. und 1.5.1. und 1.6.2.1..) (durch das andere) , wobei hier noch die These (wie beim frühen Fichte) aufgestellt werden kann, das Ich würde sich selbst setzen. Da aber auf jeden Fall das andere für mich als Gegebenes auftritt, ist ein Teil von mir, meiner Lebensumstände vorgegeben.

Diese 2. sichere Realität nenne ich hier "das andere" – ein ganz zentrales Wort für diesen gesamten Artikel, ein Sprachgebrauch, der vielleicht manchem Leser ungewöhnlich vorkommt.

Über die Tatsache der Existenz „des (vom Ich unabhängigen) anderen an sich“ hinaus ist nicht sicher, wie oder wer dieses andere im einzelnen, Konkreten, in seiner Differenziertheit (9) ist. Alle konkreten Inhalte (alles, was wir im Alltag für selbstverständlich nehmen: die Existenz der Sonne, der Sterne, der Flüsse, des Tisches, anderer Menschen ...) unseres Bewusstseins, unserer Erkenntnis können prinzipiell angezweifelt werden und können sich als Täuschung darüberhinaus auch irgendwann erweisen (S. u. Kap. 2.1.2. Sekundärer Skeptzismus), weil diese Bewusstseinsinhalte des Ich vom Ich unterschieden sind und damit als Bewusstseinsinhalte keine sichere (vom Bewusstsein unabhängige) Realität haben – anders als reine Ich-Bewusstseinsinhalte des Ich. Allerdings sind sie als Bewusstseinsinhalte (vom anderen; die vom Ich und dem anderen gemeinsam konstituiert werden), denen keine vom Ich unabhängige Realität zugeschrieben wird, real (S.u.Kap. 2.1.1.4..) genauso wie die reinen Ich-Bewusstseinsinhalte (z.B. Phantasien) des Ich.

So "ist es für ... jeden, der ernstlich Philosoph werden will, unvermeidlich mit einer Art radikaler skeptischer Epoché anzufangen, die das Universum aller seiner bisherigen Überzeugungen in Frage stellt"(10). Epoché ist eine aus der griechischen Philosophie bekannte Methode und bedeutet „Zurückhaltung“, noch besser (skeptische) „Enthaltsamkeit“ gegenüber einem Urteil, einer Wahrheitsaussage. So wird nach Husserl (11) " 'erkenntniskritisch' in Frage gestellt: .. die Erfahrung im gewöhnlichen Sinne, die 'sinnliche Erfahrung – und korrelativ die Welt selbst"(12). Das ist dann die Methode "einer radikalen Kritik der objektiven Erkenntnis."(13) - Die Widerstände gegen so eine vorurteilsfree, voraussetzungslose Philsophie sind groß: "Man sieht, wie schwer eine so unerhörte Einstellungsänderung wie die der radikalen und universalen Epoché innezuhalten und auszuwerten ist. Sofort bricht irgendwo der 'natürliche Menschenverstand' durch, irgendetwas aus der naiven Weltgeltung und verfälscht das in der Epoché ermöglichte und geforderte neuartige Denken."(14)

Die philosophische Grundlage für den Zweifel an der Sicherheit der konkreten Bewusstseinsinhalte bleibt Kants (15) prinzipielle Kritik an der Konkretion des anderen, an unseren bestimmten Wahrnehmungen des anderen, (dass dieser Mensch, dieser Tisch, dieser Stuhl als der wahrgenommene objektiv existiert) bestehen; mit seiner Erkenntnis nämlich, dass alle Bewusstseinsinhalte (Dinge in der Erscheinung) immer schon durch die transzendentalen - vor aller Erfahrung liegenden - Erkenntnisformen unseres Ichs bestimmt sind, und es prinzipiell unmöglich ist, das Ding an sich, das andere, wie es wirklich ist, zu erkennen: "Die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung überhaupt sind zugleich Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung". (16)

Darauf aufbauend, kann man nun behaupten, unsere Wahrnehmung sei eine totale Fehl-Wahrnehmung, unser Ding in der Erscheinung stünde in keinem Zusammenhang mit dem Ding an sich. Die Differenziertheit des anderen sei ganz anders. Diese radikale Kritik an der Erscheinungswelt wird in Kapitel 2.1. entfaltet (grundlegend Kap. 2.1.1.). Trotzdem kann diese Kritik nicht schlüssig soweit gehen und behaupten, alle Bewusstseinsinhalte seien vom Ich produziert, und es gäbe gar kein anderes. Die oben erwähnten, nicht gewollten Erfahrungen, wie z.B, Schmerzen bei einer Folterung sind zwar Bewusstseinsinhalte, aber solche, gegen die das Ich sich wehrt. Gleichzeitig bleibt dieses andere hinter dem – (gemäß Kants Analyse) vom Ich immer mitkonstituierten – unangenehmen Bewusstseinsinhalt versteckt. Der unangenehme Bewusstseinsinhalt ist also weder nur vom Ich (als Phantasie) produziert noch das unangenehme andere an sich und unverstellt.

So bleibt (nur) die allgemeine Realität des anderem an sich, das vom Ich nicht produziert wurde und unabhängig, manchmal unvorhergesehen und sogar gegen den Willen des Ich erscheint oder auch einfach verschwinden könnte. So haben die konkreten, endlichen Bewusstseinsinhalte in ihrem Wesen keine Sicherheit für ihre Realität außerhalb des Bewusstseins und keinen logischen Grund für Dauer, Weiterexistenz oder Beständigung.

So betrifft die Kritik an objektiver Erkenntnis zum einen die Unsicherheit, die durch das Wesen der Dinge als (nur) Dinge in der Erscheinung erzeugt wird, zum zweiten den prinzipiell nicht erfassbaren Grund des Dings an sich, besonders im Blick auf seine Dauer (17). Der 2.Punkt der Differenz des anderen als anderes zu uns wird bei einer Philosophie übersehen, bei der die Wahrheitssuche beendet wurde und das andere als bloßes Bewusstseinsphänomen betrachtet wird, das es lediglich zu analysieren gilt.

Descartes rationalistische Suche nach dem, "per quas .. certo cognoscatur"(18) ("wodurch .. gewiss erkannt wird", nämlich:) die Differenziertheit der Wirklichkeit, ist nicht überzeugend und in gewisser Weise ein Rücklauf hinter seinen rational-voraussetzungslosen Ansatz. Auch wenn man ihm bei seinem Beweis der Existenz eines höchsten Wesens noch folgen kann, so hat er damit nichts anderes nachgewiesen als eine höchste unendliche Wirklichkeit. Das, was Descartes nachweist, steht in keinem rational-logischen Zusammenhang zum Bild eines persönlichen, liebenden Gottes, der z.B. wahrhaftig ist. Diesen Übergang vollzieht Descartes durch einen logischen Bruch, und deshalb ist die weitere Folgerung auch nicht mehr logisch fundiert, dass Gott uns keine Trugbilder der Wirklichkeit wahrnehmen lässt: “Merito enim deceptor esset dicendus, si perversam illam ac falsum pro vero sumentum nobis dedisset.“(19) („Denn er (Gott) müsste mit Recht ein Betrüger genannt werden, wenn er uns (ein Denk-Vermögen) gegeben hätte, daß wir jenes Verkehrte und das Falsche für das Wahre hielten.)

Außerdem zeigen ja gerade diese Gedanken wie die vieler anderer, dass gar nicht getäuscht wird und man die konkreten Dinge gar nicht für real halten muss und dass man gerade durch die „richtige Bedienung des Verstandes“ die Zweifelhaftigkeit der konkreten Bewusstseinsinhalte erkennt. Z.B. kann man mit Kants transzendentaler Analyse erkennen, dass die konkreten Dinge keine eigenständige Realität haben und nur das Alltagsbewusstsein sich unter Missachtung seines eigentliches Erkenntnisvermögen über die konkreten Dinge täuscht und diese für real hält. (Zweifel an ihrer Realität und Glaube an einen guten, wahrhaftigen Gott schließen sich also nicht aus.).

Die Möglichkeit, an den konkreten, differenzierten Wahrnehmungen der Wirklichkeit des anderen zu zweifeln, beruht auf der prinzipiellen Differenz (bei aller Verbundenheit im Bewusstsein (20) zwischen Ich und anderem), dass das Ich nicht in das andere „hineinkriechen“ kann. Umgekehrt kann das andere aber auch das Ich nicht zerstören (mit Ausnahme des Sonderphänomens des Gehirns (unter der Annahme der Differenzierung)) (21), weshalb das Ich mit seinen eigenen Gedanken immer frei ist (22), aber umgekehrt das andere nicht vollkommen nach seinem Willen formen kann, es nicht so dominieren kann, dass es das Unangenehme, die Schmerzen, die das andere erzeugt, nicht abstellen kann.

Wir haben hier als die ersten 2 Wirklichkeits-Grundelemente einer voraussetzungslosen Philosophie das Ich und das andere erkannt. Dies ähnelt den 2 Grundelementen „1“ und „0“, aus denen sich dann die gesamte moderne Informatik aufbaut - einschießlich der Computer- und Internetsoftware. Wir kommen nun in 1.1.3. zum ersten weiteren, damit zusammenhängenden Wirklichkeitselement.

1.1.3. Das Bewusstsein

Drittens ist sicher, dass es das Bewusstsein vom "anderen überhaupt" gibt. Ein anderes, das sich von meinem Ich unterscheidet, kann ich nur wahrnehmen durch ein Bewusstsein (vom anderen). Das Bewusstsein verbindet das Ich und das andere. "Bewusstsein" ist das sich überschreitende Ich hin zum Gegenstand, zu den Dingen an sich, die in ihm zum Ding in der Erscheinung werden. (23)

Alle Überlegungen in Kapitel 1 gehen deshalb streng nur vom Ich. dem anderen als anderes (allgemein) und dem Bewusstsein aus (ohne die konkrete Näherbestimmungen in Kapitel 2), nämlich:.

Der erste weitere Schritt ist die Feststellung dieser Realitäten/Grundstrukturen (die fundamentale Bedeutung des anderen für das Ich). Daraus folgt dann das Bestreben, ihnen zu entsprechen und nicht zu widersprechen. Davon und von entsprechenden Verhaltensmaßstäben handelt die empiriefreie, fundamentale Ethik (Kap 1.6.). (24)







1.1.4. Die Beziehungen von Ich, anderem und Bewusstsein untereinander

1.1.4.1. Gegenseitige Konstituierung und Genese

Es ist nun aber nicht nur so, dass sich das Bewusstsein nur dadurch konstituiert, dass Ich existiere und gleichzeitig auch immer das andere existiert. Sondern die Konstituierung geschieht auch umgekehrt, dass nämlich nur durch das Bewusstsein, das mir das andere zeigt, ich um mein Ich weiß, das Ich sich als Ich nur erfahren kann durch die (mit Hilfe des Bewusstsein bewerkstelligte) Abgrenzung von einem anderen (25). So braucht das Ich also unbedingt auch das andere. Das Ich ist nur bei sich selbst unter Berücksichtigung des anderen. Das übersieht der Existentialismus, für den das andere gegenüber dem Ich, seiner Existenz zweitrangig ist, das Ich in das andere als etwas ihm Fremdes geworfen ist. Da das Ich aber nicht für sich allein gedacht werden kann, braucht es zur Wirklichkeitsbeschreibung ein Gedanken-System, das das Ich und das andere in seiner Verbundenheit analysiert und beschreibt. Denn Ich und anderes sind trotz aller Unterschiedenheit unlösbar miteinander verbunden.

Bewusstsein, Ich und das andere allgemein können also nicht in eine Hierarchie untereinander gebracht werden in dem Sinne, dass nur oder zuerst das Ich das Bewusstsein vom anderen erschafft oder umgekehrt nur und zuerst aus dem Bewusstsein vom anderen sich das Ich entwickelt. Alle drei bedingen einander dialektisch und stehen in einem beständigen Prozess des Aufeinander-Bezogenseins. (26)

Allerdings wurde die zeitliche Entwicklung des Ichs so erlebt, dass erst das Bewusstsein da war und die Wahrnehmung des anderen (von irgendwelchen Dingen) und dass sich dann im Laufe des Älterwerdens in der Kindheit (S.u. Kap. 1.5.1. und 2.1.1.4..) als letztes die Wahrnehmung des Ich entwickelte.

Das Ich entwickelte sich um so deutlicher, je mehr die Fähigkeit zur Differenzierung überhaupt wächst. Damit wächst natürlich auch die Möglichkeit, die (sichere) Realität reiner Ich-Bewusstseinsinhalte des Ich besser zu entfalten.(27) Diese Differenzierung überhaupt gehört in Kapitel 1. Die Verbindung der Differenzierungsmöglichkeit überhaupt mit konkreten Dingen außerhalb des Ichs, der Annahme der differenzierten Dinge des anderen gehört in Kapitel 2, fördert aber auch noch einmal die Differenziertheit reiner Ich-Bewusstseinsinhalte.(28)

Das Verhältnis von Ich und anderem (Nicht-Ich) war einer der Streitpunkte zwischen den Systemen Schellings und Fichtes im Deutschen Idealismus. Der frühe Fichte entwickelte die – im Kern atheistsche - Auffassung, dass sich das (über-individuelle, transzendentale) Ich, Subjekt durch einen eigenen Akt ins Dasein bringt: Das Ich setzt sich (und das Nicht-Ich). Aber diese Auffassung verwickelt sich in Widersprüche: "das andere ist vom Subjekt hervorgebracht, und dann erhebt sich die Aporie Fichtes: Das hervorbringende Subjekt bleibt ein anderes gegenüber dem, was es hervorbringt." (29) - statt beide dialektisch zu fassen und in der Dialektik ihre – vermittelte – Einheit zu erkennen.

1.1.4.2. Identität und Differenz

Neben der Frage der Genese und Konstituierung der 3 nachgewiesenen Wirklichkeiten ist ein altes philosophisches Problem das von Identität und Differenz zwischen diesen 3 Wirklichkeiten.

Die Seite der Differenz von Ich und anderem ist unmittelbar evident und auch begründbar, wie in 1.1.1., 1.1.2. und 1.6.2.1. gezeigt.

Auf der Seite der Identität ist festzustellen, dass das andere durch das Bewusstsein im Ich ist und auch durch das Ich mitbestimmt wird (30), und dementsprechend auch, dass das Ich durch das Bewusstsein im anderen ist, sonst könnte es dieses gar nicht erkennen.

Das oben erwähnte, aporetische System des frühen Fichte kann diese erfahrene Identität nicht erklären. Die Aporie kann nur gelöst werden, wenn – wahrhaft dialektisch - "das Subjekt ... sich wirklich .. an das andere" (31) als anderes hingibt. So kann Identität erklärt werden bei aller Differenz zwischen Ich und anderem. (32)

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1.2. Unterschiedliche Grade der Realität

Realität ist das, was existiert, also z.B. das Ich (und seine eigenen Gedankenproduktionen/reine Ich-Bewusstseinsinhalte), anderes überhaupt und das Bewusstsein.

Der Grad der Realität hängt zuallererst von der Sicherheit im Blick auf seine Existenz ab (Hauptkriterium). Innerhalb der verschiedenen Grade der Sicherheit ist dann eine zweite Unterscheidung die der Dauer (Nebenkriterium) (33). So kommt eine zeitliche Dimension mit hinein.

Den höchsten Grad der Sicherheit der Existenz in der Wirklichkeit insgesamt haben das Ich, das (vom Ich unabhängige) andere an sich und das Bewusstsein mit den reinen Ich-Bewusstseinsinhalten und den Bewusstseinsinhalten vom anderen, sofern ihnen keine vom Ich unabhängige Existenz zugeschrieben wird.

Auf der 2.Ebene der Unterscheidung können gar keine verlässlichen Zukunftsaussagen über die Dauer (z.B des vom Tod bedrohten Ich oder der Bewusstseinsinhalte vom anderen (S.u. Kap. 2.1.2..) gemacht werden.
Nach diesem Nebenkriterium haben aber im Ich z.B. längerfristige Ich-Persönlichkeitszüge höhere Realität als kurzfristige Liebe oder Hass-Gefühle.

Erwiese sich das Ewige/Gott als sicher real, dann hätte es/er die allerhöchste Stufe der Realität, weil er ganz sicher existiert wie das Ich, aber darüberhinaus als einzigster/es auch die Ewigkeit als die höchste Dauer hat. (S.u. Kap. 2.1.4..)






1.3. Erkenntniskritik der Methode des logischen Denkens (Vgl. 2.4.1.)

Bei der Methode des logischen Denkens handelt es sich auch um einen reinen Bewusstseinsinhalt (S.o. Kap. 1.1.1..).

Die gesamte Abhandlung verwendet die Methode des logisch-rationalen Denkens, deren Kern man im Satz des Widerspruchs sehen kann: a=a bzw, a=/(ungleich) -a. "Alle analytischen Urteile beruhen gänzlich auf dem Satz des Widerspruchs." (34)

So, wie jeder konkrete Inhalt unseres Bewusstseins (die Existenz jedes Menschen (außer mir), jedes Sternes, jedes Flusses, jedes Stuhles, jedes Tisches) angezweifelt werden kann, so kann auch diese Methode in Frage gestellt werden. Die Analyse und Beschreibung der Realität könnte z.B. auch mit einer intuitiven Methode versucht werden. Da diese Methode aber nicht begründen und argumentieren muss, ist sie ein typisches Beispiel für eine dogmatische Ideologie, religiöser oder nichtreligiöser Art. Aber es gibt überhaupt keine Analyse-Methode der Wirklichkeit, keine Herangehensweise an die Wirklichkeit, die unmittelbar evident ist, die sich sicher als wahr erweist.

Mit guten Gründen verwende ich trotzdem die logisch-rationale, begründende Denkmethode. Ich suche eine umfassende, allgemeingültige Erkenntnis und Analyse der Realität. Dann muss diese Realität und diese Realitäts-Analyse sich auch (natürlich nicht nur) am logischen Denken als wahr erweisen, das ja ein Teil der Realität ist. Wäre die Realität so definiert, dass sie mit dem logischen Denken nichts zu tun hat, dann wäre es eben keine allgemeingültige, umfassende Realität, also gerade nicht das, was hier gesucht wird. Das ist allerdings auch schon wieder ein logischer Gedanke, was nicht ausschließt, dass er auch intuitiv erkannt werden kann.

Ein weiteres Argument für die Methode des logischen Denkens ist, dass sie sich bisher sehr häufig bewährt hat beim Umgang mit dem anderen. Bewährtes ändert man nicht – aus Bequemlichkeit, weil die Chance bei weiterer Bewährung besteht, dass man keine zusätzliche Energie aufbringen muss, was bei einer Änderung in jedem Fall – an Mehrarbeit gegeben wäre. (35)

Dabei kann natürlich nicht ausgeschlossen werden, dass sich das logisch-rationale Denken zur Analyse der ganzen Wirklichkeit am Ende des Gedankengangs aufhebt, wie das Wittgenstein in seinen letzten Thesen versucht hat. (36)

Noch extremer als bei Wittgenstein hätte eine solche existentialistische Lebenshaltung, die von Anfang an ohne logisch-systematisches Denken, sondern rein aus spontaner Intuition mit dem - wie auch immer gearteten - anderen umgeht (37), die Suche nach einer allgemeingültigen Erkenntnis der Realität aufgegeben und sich mit einem begrenzten (weil rein von der unvermittelten Existenz ausgehend) Teil der ganzen Wirklichkeit begnügt - mit allen Folgen für ein mangelhaftes Verstehen und Leben in der Wirklichkeit.

Trotz guter Gründe für die logisch-rationale Methode zur Erkenntnis der Realität bleiben als einzige ganz sichere Realitäten: das Ich, das andere allgemein und das Bewusstsein.






1.4. Exkurs: Warum ist überhaupt etwas?

Wenn nun diese 3 Realitäten als ganz sicher festgestellt wurden, stellt sich die Frage, die kein notwendiger Gedanke für die weiteren Folgerungen ist (deshalb ist 1.4. nur ein Exkurs und kein konstitutiver Gedankenschritt), die aber interessant ist, warum es überhaupt es etwas gibt und nicht nur das Nichts.

Das Nichts aber ist für sich genommen nicht haltbar, weil es in seiner Bestimmungslosigkeit auf das reine Sein bezogen ist, in es übergegangen ist, schließlich aus beiden die Realität des Werdens entsteht (38): "Was die Wahrheit ist, ist weder Sein noch das Nichts, sondern daß das Sein in Nichts und das Nichts in Sein ... übergegangen ist. ... Ihre Wahrheit ist also diese Bewegung des unmittelbaren Verschwindens des einen in dem anderen: das Werden". (39) Die Unmöglichkeit des reinen Nichts führt uns also auch zum Werden und Übergehen, das in folgenden Kapitel noch auf anderem Weg abgeleitet wird.

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1.5. "Metaphysische" Folgerungen: Das Absolute und die prinzipielle Unmöglichkeit, durch das Ich die Wirklichkeit umfassend zu erklären (vgl. Hegel)

(und 3 Beweise für die Unmöglichkeit,
den Atheismus zu beweisen,
mit dem endlichen Ich die Wirklichkeit umfassend zu erkennen und
eine das Endliche überschreitende "Metaphysik" zu widerlegen)

In diesem Kapitel leite ich aus den sicheren 3 Realitäten weitere Realitäten ab und gelange zum Absoluten, Unendlichen (Gott).





1.5.1. Die Erkenntnis des Absoluten im Bewusstsein des Ich

(Der 1. (prinzipielle) Beweis für die Unmöglichkeit, den Atheismus zu beweisen)

Behauptung: Das Bewusstsein (in dem sich das Ich bewegt) ist prinzipiell das Absolute, Unbegrenzte. Begründung: Wird das Bewusstsein in Frage gestellt durch etwas, das nicht im Bewusstsein sei, dann ist es genau mit dieser Aussage schon im Bewusstsein. Das Bewusstsein integriert alles das, was als außerhalb von ihm gedacht wird, sofort als anderes in sich selbst (auch wenn es als anderes gewusst wird). Das heißt absolut anderes außerhalb des Bewusstsein gibt es nicht. Diese Feststellung ist sehr prinzipiell. Etwas als vollkommen dem Bewusstsein unzugänglich zu denken, ist ein Widerspruch, wie z.B. die Position des Agnostikers oder das "Ding an sich" bei Kant, weil beide Male etwas als vollkommen unerkennbar behauptet wird, über das man eine Erkenntnis schon gleichzeitig ausspricht, nämlich, das dieses außerhalb des Bewusstseins ist. Trotzdem enthält die Position Kants und des Agnostikers natürlich ein Wahrheitselement: Nämlich, dass die Behauptung eines "Dings an sich" unsere Vorstellung weglenkt vom anderen/"Ding in der Erscheinung" und hinlenkt auf das Bewusstsein als die Wahrheit des anderen/"Dings in der Erscheinung". (40)

Das Bewusstsein ist deshalb das Unendliche, Absolute, weil seine Art das prinzipielle Überschreiten (Eingehen auf prinzipiell jedes andere, Werden (41)) ist. Es dehnt sich aus auf jedes Neue, auch jede Gegenposition (42), überschreitet sich zu ihr hin und nimmt sie zumindest als (völlig) anderes in sich auf. Insofern kann man sagen, dass die Wirklichkeit insgesamt dieses Überschreiten, Eingehen auf anderes, Übergehen, Werden ist. (43) Und es ist eine Wirklichkeit des Bewusstseins, weil sich keine Wirklichkeit dem Bewusstsein entgegenstellen kann. Auch als sich entgegenstellende ist sie im Bewusstsein. Diejenige Vorstellung vom Absoluten verfehlt das Absolute und damit die Wirklichkeit am meisten (natürlich noch negativ überboten durch die Vorstellung eines polytheistischen Absoluten und des Atheismus), die von einem höchsten (unmittelbar) Für-sich-Sich-Seienden ausgeht. Dem kommt die Vorstellung des Brahman sehr nahe – als eine jede Individualisierung ausschließende und auflösende, unmittelbare höchste Einheit.

Das Wesen des Bewusstsein ist aber nicht nur das Überschreiten im Blick auf anderes, neue Gedanken, Fremdes, Gegenpositionen, sondern auch im Blick auf das Ich und seine Gedanken. Jedes Gedachte ist immer schon prinzipiell durch das es denkende Bewusstsein überschritten. Dieses Gedankensystem kann dann auch das es denkende Bewusstsein mit integrieren, aber dann ist das denkende Bewusstsein, das den Gedanken mit dem es denkenden Bewusstsein denkt, über es hinaus und so weiter. Das heißt, das Bewusstsein ist auch so strukturiert, dass es jeden scheinbar fertigen Bewusstseinsinhalt überschreitet. Jede scheinbar fertige, komplette Erkenntnis überschreitet also sich selbst, so dass es unmöglich ist, eine abgeschlossene, menschliche Erkenntnis zu haben.

Wir haben hier eine Strukturanalogie und -parallelität beim Bewusstsein, nämlich in Bezug auf die 2 Weisen seines prinzipiellen Überschreitens: erstens im Hinblick auf eine abgegrenzte, scheinbar unerkennbare Gegenposition und zweitens im Hinblick auf ein abgeschlossenes, festes Gedankensystem im Ich.(44) Irgendetwas als prinzipiell Abgegrenztes zu betrachten, ist ein Widerspruch in sich, denn seine Grenze ist nur möglich durch anderes außerhalb von ihm, das diese Grenze bestimmt, insofern ist ein Abgegrenztes zumindest negativ auf das Ausgegrenzte bezogen und damit nicht mehr vollkommen abgegrenzt.

Das Überschreiten/Eingehen auf anderes ist das Unendliche, Absolute (das durch nichts anderes begrenzt wird, dem sich nichts anderes entgegenstellt), weil sein Wesen eben die Überschreitung von Grenzen ist - also kann es durch nichts begrenzt werden. Es gibt prinzipiell nichts außerhalb des Überschreitens, weil es sich zu allem, was sich gegen es abgrenzen will, hin überschreitet und damit die Grenze überschreitet und es einschließt. Nur der christliche Gottesglaube hat in der Trinitätslehre dieses gegenseitige Überschreiten als eine Eigenschaft, einen Prozess in Gott von Anfang an beschrieben. (45)

Diese starke Betonung des "Absoluten, Unendlichen des Bewusstseins" im Ich beinhaltet nun aber dialektisch noch einen ganz anderen Aspekt. Denn so ein Reden vom Absoluten des Bewusstseins ist gerade nicht eigene Arroganz, sondern ganz im Gegenteil: Indem die absolute Dimension des Bewusstseins deutlich wird, wird die Kleinheit und Begrenztheit meines endlichen Ichs deutlich (weil das Bewusstsein über jeden Gedanken des Ich schon hinaus ist), so dass es mir also prinzipiell nicht möglich ist, die Wahrheit mit meinem Denken zu umfassen, schon gar nicht in einer (naturwissenschaftlichen) Weltformel.(46) Gerade meine Verbundenheit mit dem Absoluten lässt mich zwar erkennen, um die Wahrheit wissen, aber eben wissen, dass die (vollständige) Wahrheit immer außerhalb von mir ist - "also zu wissen, dass ich nichts weiß". Und es lässt mich auch erkennen - wie oben dargelegt, dass jedes endliche, geschlossene System in mir nicht wahr ist, sondern schon überschritten ist.(47) Dieses Bewusstsein vom Absoluten zieht also mein Ich gerade über sich hinaus zu einer Wahrheit außerhalb von sich.(48)

Der Agnostizismus im Blick auf das Absolute (der sich zum Beispiel bei Kant in der Kritik der reinen Vernunft und auch bei Wittgenstein in seiner Früh- und Spätphase als durchgängiges Prinzip findet) ist eine an sich unhaltbare und unlogische Position. Er behauptet, (aus dem einen oder anderen Grund) könne der Mensch das Absolute nicht erkennen. Der Inhalt seiner Aussage ist, dass der Mensch das Absolute nicht erkennen kann, die Form aber macht eine sehr bestimmte Aussage über das Absolute, dass es nämlich so beschaffen ist, dass es außerhalb des menschlichen Denkvermögens liegt. Wir finden Ähnliches auch in einigen Richtungen von Philosophie, Theologie und Kirche, die es als modern ausgeben, Wahrheitsansprüche aufzugeben. Das führt dann zu Aussagen wie: Das eigene System, der eigene Glaube beschreibe immer nur einen Teil der Wahrheit. Auch hier ist der scheinbar bescheidene Inhalt der Aussage überhaupt nicht kompatibel mit der Form der Aussage, die sehr genau – unbescheiden - um die absolute Wahrheit weiß, dass sie nämlich so beschaffen ist, dass sie über die eigenen philosophischen oder religiösen Glaubensinhalte hinausgeht. Man fragt sich dann, warum nicht jemand mit so einer Erkenntnis seinen eigenen Gedanken- oder Glaubensinhalt erweitert, wo er doch um das Größere außerhalb von ihm weiß.

Es gibt eine ganz einfache dialektische Wendung, um diesen destruktiven Widerspruch zu einer konstruktiven, hilfreichen Aussage zu wenden: Aus: „Ich kann die Wahrheit nicht erkennen, weil sie prinzipiell außerhalb von mir ist.“ wird: „Ich erkenne das Wesen der Wahrheit darin, in mir zu sein, aber prinzipiell auch außerhalb von mir zu sein, mich und jedes Bestimmte zu überschreiten, so dass ihr Wesen dieses Überschreiten ist.“ Jede Diskkussion um die Wahrheit wird sich dahin entwickeln, dass man nicht umhin kommt, sehr bestimmte Aussagen über das Absolute zu machen – das hängt damit zusammen, dass das menschliche Bewusstsein eben durch sein Überschreiten das Absolute in sich hat.

Das Ich überschreitet sich noch auf eine andere Weise: Es weiß in der Dimension der Vergangenheit um ein anderes, einen Bereich außerhalb von ihm (vor ihm), der ihm prinzipiell nicht zugänglich (S.u. Kap. 2.1.1.4..) ist. Es weiß um einen Bereich nach(Zukunft) ihm(im aktuellen Zustand), der ihm noch nicht zugänglich ist, Von dem vermutert es darüberhinaus, dass Teile ihm prinzipiell nicht zugänglich sind. (Allerdings weiß das Ich, bevor es gestorben ist (also solange es existiert und wissen kann, nicht sicher, dass es sterben wird. Das sichere Wissen um den eigenen Tod und eine Wirklichkeit in der Zukunft außerhalb von ihm ist dem Ich also nicht möglich.) Im Blick auf das andere vor dem Ich in der Vergangenheit ist die Erfahrung des Ich nun, dass es sich irgendwann vorfindet, nicht sich selbst schafft und setzt, d.h. dass irgendwann – ganz allmählich und in Stufen – ein Bewusstsein und Ich-Selbst-Bewusstsein entsteht (dies nennen wir Kindheit (S.o. Kap. 1.1.4.1. u. Kap. 2.1.1.4..) aus einem Wesen, das sich von Anfang an als vorgegeben, gesetzt (in der Sprache des Deutschen Idealismus) (Die Diskussion um die Entwicklung der Fichteschen Philosophie (S.o. Kap. 1.1.2 und Kap. 1.1.4.1..)), damit auch determiniert erfährt, was später auch wichtig wird im Blick auf die Willensfreiheit (S.u. Kap. 1.6.2.1..)

Die vollständige Wahrheit liegt immer außerhalb meines (denkenden) Ichs. Der Atheismus behauptet aber, die Welt ohne das Absolute/Unendliche/Gott erklären zu wollen in dem Sinne, dass der Mensch aus seinem Vermögen alles erklären kann oder es ihm prinzipiell möglich ist, die noch offenen Fragen zu lösen. Mit obigen Gedanken ist aber belegt, dass die vollständige Wahrheit prinzipiell außerhalb des Menschen liegt, und das macht das Konzept des Atheismus unmöglich.

Hier auf der grundlegende Stufe von Kapitel 1 ist damit eine sehr wichtige Erkenntnis gewonnen worden, die von einem radikalen Skeptizismus (49) im Blick auf die konkreten Strukturen des anderen ausgeht, nämlich:
Der 1. (prinzipielle) Beweis für die Unmöglichkeit, den Atheismus zu beweisen, mit dem endlichen Ich die Wirklichkeit umfassend zu erkennen und eine das andere, Endliche überschreitende Metaphysik zu widerlegen.
(Erkenntnistheoretisches Argument, das von der Begrenztheit unseres Ichs, seines Erkenntnisvermögens ausgeht.)

"Prinzipiell" könnte auch "transzendental" genannt werden und heißt: vor jeder Erfahrung mit dem anderen, auch vor jeder Untersuchung und Behauptung im Blick auf die empirische Wirklichkeit, auch vor jedem Gedanken eines Naturwissenschaftlers.

Trotzdem ist - ganz dialektisch - dieses Erkennen, dass die Wahrheit außerhalb von mir liegt, ein Erkennen und ein Wissen. Da das von Kant gedachte, abgegrenzte "Ding in der Erscheinung", dessen Wahrheit ich nicht erkennen kann, ein Widerspruch an sich ist, aber doch einen Wahrheitsaspekt enthält (genau wie die Position des Agnostikers), kann man sagen, dass es nur die falsch benannte Chiffre dafür ist, dass wir wissen sollen, dass die Wahrheit immer außerhalb von mir ist.

Ähnliche Überlegungen sind im Aufsatz "Die Akzeptanz von Minderheiten als ethischer Indikator" im Kapitel 2. zu finden.

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1.5.2. Weitere Erkenntnisse über das Wesen des Absoluten (Vernünftige Theologie (50))

1.5.2.1. Der Begriff "Gott"

Die 4 deutschen Buchstaben G-o-t-t sind natürlich zunächst nur eine Wortchiffre, die verschieden definiert werden kann. Aber das Unendliche/Absolute ist doch eine ganz fundamentale Eigenschaft, und so gebrauche ich ab jetzt "G-o-t-t" für das Unendliche/Absolute. Dabei verfahre ich in der Weise gedanklich sauber, dass ich für das Zeichensystem "G-o-t-t" nur die Eigenschaften verwende, die hier logisch und ohne Axiome und Setzungen entwickelt wurden. (58)

1.5.2.2. Das wahrhafte Unendliche(Gott) ist unendlich und auch endlich

Das Absolute/Unendliche (Gott), desen Wesen wir im Überschreiten/Eingehen auf anderes erkannt haben, ist außerhalb meines endlichen Ich und doch auch in ihm (sonst könnte ich nicht um die mich überschreitende absolute Wahrheit wissen). Das Unendliche ist damit sowohl unendlich als auch endlich. Das wahre Unendliche (Gott) ist unendlich und endlich. Es kann sich im endlichen Menschen offenbaren, weil sonst das Endliche (der endliche Mensch) seine Grenze wäre, seine Unmöglichkeit. Das genau ist die Hauptaussage des Glaubens, der Lehre von der göttlichen Trinität. (59)

1.5.2.3. Das Unendliche(Gott) als Person

Was ist das Wesen einer Person? Person ist etwas, das auf anderes wahrhaft eingeht, sich überschreitet. Das ist nun genau eine Eigenschaft, die wir eben für das Absolute, für Gott festgestellt haben. So sind wir nun auf dem Weg dieser dialektischen Wirklichkeitsanalyse zum Personsein Gottes gelangt, anders als auf dem Weg Descartes, der nur ein höchstes unendliches Wesen nachzuweisen versucht.(60)

Ein für die logische Gedanken-Entwicklung nicht notwendiger Einschub: Sinneseindrücken, die nicht auf mich eingehen, mit mir nicht in Beziehung treten können, spreche ich das Personsein ab, z.B. dem Eindruck eines Steines. Er geht sehr wenig auf mich ein, warnt mich nicht, wenn ich mich an ihm zu stoßen drohe, tritt mit mir nicht in eine Beziehung, wenn ich mich an ihm verletzt habe. Lediglich der Zusammenstoß ist eine Art von Beziehung, aber eine solche, in der sehr wenig Eingehen auf das andere gegeben ist (wie der Schmerz des Stoßens, die fehlende Warnung und das fehlende Mitleid des Steines zeigt).
Personsein entwickelt sich, je mehr meine Fähigkeit sich entwickelt, auf das andere einzugehen, also im Prozess des Erwachsen- und Älterwerdens.

Das Absolute aber beinhaltet Personsein auf höchste Weise, weil es als das grenzenlose Überschreiten/Eingehen auf das andere festgestellt wurde (61). Das Absolute geht als ein ganz anderes auf mich endlichen Menschen ein, weil es auch in mir ist, ich von ihm wissen kann. Nur wenn das Absolute höchstes, radikales Überschreiten, Eingehen auf anderes ist und nur wenn es also Person ist, ist es wirklich absolut, grenzenlos. Das ist auch ein Unterschied der Persönlichkeit Gottes zu meiner - begrenzten - menschlichen Persönlichkeit. Das Eingehen auf anderes ist auch genau die Struktur von Liebe. Insofern ist wahres Personsein wahre Liebe und Gott wahre, vollkommene, höchste Person und höchste Liebe. (62) Schon nach Hegel ist es das "Wahre der Persönlichkeit ... sie durch das Versenken .. in das Andere zu gewinnen." (63) Gott "ist so Person, ... daß sich das Bewußtsein des einen nur hat im Bewustsein des anderen, ... in der absoluten Entäußerung" (64), so dass - wie Pannenberg weiter folgert - "die Identität der Personen allererst konstituiert wird aus Beziehungen, in denen die daraufhin als "Personen" Bezeichneten untereinander stehen." (65)

Wir haben nun also aus den den Eigenschaften der Unendlichkeit/Absolutheit/Gottes, die sich überschreitet und auf anderes eingeht, die weitere Eigenschaft des Personsein des Absoluten/Gottes gefolgert, also bisher 6 Eigenschaften: 1.Unendlichkeit, Absolutheit;
2. Werden, Überschreiten, Eingehen auf anderes, daraus folgernd:
3. Liebe, 4. Personsein, Personalität, 5. Endlichkeit
(als einen die Unendlichkeit vollendenden Aspekt)
(und 6. Es existiert notwendig, weil es notwendig aus den sicheren Grundwirklichkeiten folgt.).

1.5.2.4. Die persönliche Gotteserfahrung des Ich (Vgl. Kap. 2.3..)

Hier entwickelt sich nun eine weitere Dynamik, die über diese Erkenntnis hinausweist: Personsein, das Persönliche kann zwar in Gedanken beschrieben, verstanden und abgeleitet werden, aber es beinhaltet mehr als das Denken, d.h. es ist erst vollständig in der (persönlichen/Ich-) Erfahrung, die eine Begegnung mit dem anderen/dem Absoluten einschließt, und zwar eine, bei der ich ein Aufeinandereingehen erlebe, eben eine persönliche (Gottes-)Erfahrung des Ich. Auf diese existentiell-persönliche Erfahrung weist der Begriff des persönlichen Absoluten hin und vollendet sich in ihr. Umgekehrt kann eine solche, zunächst erlebte persönliche Gotteserfahrung auch später durch durch Begriffe und Logik analysiert werden.Wissenschaftlich-theoretisches Nachdenken ruft also zu dieser persönlichen Ich-Erfahrung mit dem Absoluten auf und vollendet sich erst in ihr. Hier werden der Gedanke, Begriff, Wissenschaft, Theologie und Philosophie durch die Dimension der existentiellen Erfahrung überschritten, erweitert, aber natürlich nicht überflüssig gemacht. (66)

Diese hier angesprochene Glaubenserfahrung und -praxis ist die Praxisebene, für die dieses grundsätzliche Traktat die Basis ist. Das heißt, auf der Basis dieses Traktates würden nun weitere Traktate (im Blick auf die Annahme von differenziertem Endlichen kurz angesprochen in Kap. 2.3..) und die Praktizierung einer Glaubensbeziehung zu Gott folgen.

1.5.2.5. Die Erhaltung des Ich durch Zuwendung des Absoluten nach Unterbrechung (Auferstehung)

Wir kennen Ich-Unterbrechungen mit dem Eindruck „Schlaf“ oder „Ohnmacht“ z.B.. Unter den Voraussetzungen der differenzierten Wirklichkeit (Kap 2) beobachten wir das Phänomen „Tod“ in unserer Umgebung, bei dem wir das Ich des anderen mit seiner Kommunikationsfähigkeit nicht mehr erleben. So können wir eine gravierendere Unterbrechung des Ich-Bewusstseins nicht ausschließen oder müssen sie annehmen. (Das (eigene) Ich (mit vorhandenem, lebendem Bewusstsein) kann aber mangels eigener Erfahrung davon nichts wissen.) (S.u. Kap. 2..1.1.4..)

Aus den in 1.5.2.3. gezeigten Eigenschaften Gottes, vor allem aus seinem Eingehen auf anderes und seinem Personsein kann nun mit ziemlich klarer Evidenz gefolgert werden, dass Gott das endliche Ich erhalten und nicht untergehen lassen wird, d.h. dass er auch bei einer großen Unterbrechung des individuellen Ich-Ichbewusstseins dieses wieder aktivieren wird. Das nennen der chrstliche Glaube und andere Religionen „Auferstehung“.

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1.5.3. Die prinzipiellen Erkenntnisgrenzen im Blick auf das andere (den Wahrnehmungsgegenstand) in unserem Bewusstsein (Vgl. Kap. 2.1..)

(Der 2. (prinzipielle) Beweis für die Unmöglichkeit, den Atheismus zu beweisen.)

Nachdem im Kapitel 1.5.1. (und 1.5.2.) der Gedankengang vom Ich und vom Bewusstsein selbst auf das Persönlich-Absolute/Gott weiterführte, soll hier vom Bewusstsein als Erkenntnisvermögen im Blick auf das andere/Endliche ausgegangen werden.

Eine umfassende Erkenntnis der Wirklichkeit ist für das Ich nicht nur wegen der Struktur unseres Bewusstseins selbst (Kap. 1.5.1.) nicht möglich, sondern auch wegen der Struktur unseres Bewusstseins im Blick auf die Erkenntnis des anderen. Hier kann man auf Kants Erkenntniskritik zurückkommen (67), dass nämlich das andere, die Dinge des anderen uns nicht so ins Bewusstsein treten, wie sie objektiv sind, sondern konstituiert sind durch die Erkenntnisvoraussetzungen unseres Bewusstseins - als "Dinge in der Erscheinung". Damit habe ich sowieso immer nur eine subjektive Erkenntnis des anderen und kann seine eigentliche Wahrheit nicht erkennen. So muss ich auch hier im Blick auf das andere, das Endliche (im Blick sozusagen auf die materiellen Dinge) erkennen, dass die Wahrheit mein Ich überschreitet, außerhalb von mir ist. Und ich kann auch hier nur dies sagen, dass die Wahrheit außerhalb von mir liegt.

Es folgt jetzt daraus also, ausgehend vom anderen:
Der 2. (prinzipielle) Beweis für die Unmöglichkeit, den Atheismus zu beweisen, mit dem endlichen Ich die Wirklichkeit umfassend zu erkennen und eine das andere, Endliche überschreitende Metaphysik zu widerlegen.

Dies ist auch sehr wichtig für eine richtige Einordnung naturwissenschaftlicher Aussagen und zur Abwehr des Materialismus und einer populärwissenschaftlichen Sicht der Wirklichkeit mit der Methode der Naturwissenschaft, die sich ja mit dem anderen, dem Endlichen beschäftigt. Hier wird teilweise - und in totaler Fehlerkenntnis - auf eine die ganze Wirklichkeit erklärende naturwissenschafltiche Weltformel gehofft. Bevor der Naturwissenschaftler (68) ein Experiment unternommen hat, einen wissenschaftlichen Gedanken auf das Endliche, die Natur verwendet hat, ist zuvor schon prinzipiell klar, dass seine Tätigkeit nichts zur Erkenntnis der Wirklichkeit beitragen kann, weil er sich nur mit Dingen (in der Erscheinung) beschäftigen kann, die durch unser Erkenntnisvermögen subjektiv verzerrt sind. Die Dinge, die er untersucht, sind gerade nicht die (objektive) Wirklichkeit. Wer die Bewusstseinsinhalte, das andere für objektiv hält, der macht den Fehler, das andere, das ja nur ein Aspekt/Moment in der Erkenntnis ist, für das Ganze zu halten. Jedoch ist das Ganze, die Wirklichkeit und Wahrheit nur dieser Bewusstseins-Prozess, dieses Werden. (69), (70)

Wenn dies uns zunächst als eine negative, verunsichernde, fatale, zerstörerische Erkenntnis erscheint, als ein Desaster für das Leben, dann sehen wir nicht, dass wir damit eine starre (objektive) Wirklichkeit hinter uns lassen (71) und dass der Vorteil dieser aufhebenden Erkenntnis die keineswegs negative Wirklichkeit von Bewegung, Dynamik und - im Bereich der Ethik - Rücksichtnahme (72) (und auch Liebe (73)) ist, die auf Übergehen und Werden beruhen.

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1.5.4. Die Unerklärbarkeit des anderen, des Endlichen aus sich selbst heraus und die daraus folgende Erkenntnis des Absoluten im anderen

(Der 3. (prinzipielle) Beweis für die Unmöglichkeit, den Atheismus zu beweisen.)

Nachdem in Kapitel 1.5.1. (und 1.5.2.) das Bewusstein selbst und in Kapitel 1.5.3. das Bewustsein als Erkenntnisvermögen für das andere im Blick auf die Wirklichkeits- und Wahrheitserkenntnis untersucht wurde, soll hier (der Bewusstseinsaspekt des anderen/'Endlichen) das andere selbst (ganz für sich) betrachtet werden. Nach dem 2.Beweis und Gedankengang (im Blick auf das andere (Kap.1.5.3.)) zur Widerlegung des Atheismus kann dieser Gedankengang hier in diesem Punkt nicht mehr zu einer Wirklichkeitserkenntnis führen, da die Betrachtung des anderen für sich ja gerade als Unwahrhaftigkeit und Wirklichkeitsverfehlung aufgezeigt wurde. Dieses Kapitel bedeutet also im strengen Sinne keinen Gedankenfortschritt. Es unterstreicht nur noch einmal von einem anderen Ansatz her die gerade gewonnenen Erkenntnisse. Dadurch, dass diese Einsicht sich noch auf einem 3.Weg zeigen lässt, wird ihre Wahrheit noch untermauert.

Einen Gedankenfortschritt bringt dieses Kapitel aber, vor allem im Unterkapitel 1.5.4.3., weil es neben dem Ansatz im Bewusstsein (Kap. 1.5.1.) einen zweiten Weg beschreibt, zum Absoluten zu gelangen.

Das andere/Endliche hat keinen Existenzgrund in sich, sondern nur in einem größeren, umfassenden Zusammenhang. Das möchte ich an 2 Gedankengängen in den nächsten beiden Unterkapiteln zeigen, die in einer gewissen Nähe zu den klassischen (kosmologischen) Gottesbeweisen stehen.

1.5.4.1. Die prinzipielle Endlichkeit des anderen

Das andere ist endlich. Die Endlichkeit beinhaltet Grenzen, die es begrenzen. Nun kann ich mit der Absicht, die ganze, unbegrenzte Wirklichkeit zu erkennen, diese Grenzen überschreiten. Wenn ich mich in der Dimension des Endlichen (das sich als Begrenztes durch eine Grenze auszeichnet) bewege, ist es zwar ein Größeres, vielleicht auch sehr Großes, das ich dann erreiche. Aber es bleibt trotz seiner Größe endlich, das durch Grenzen begrenzt ist, die nur als Grenzen vorhanden sind durch ein Weiteres, das hinter der Grenze liegt. Auch wenn ich diese Wirklichkeit außerhalb der Grenze einschließe, habe ich wieder etwas Begrenztes, also einen regressus ad infinitum. So ist das Endliche prinzipiell nicht verstehbar und erklärbar.

Dieser Regressus entsteht auch zweitens durch das Bewusstsein des Ich, das das andere denkt. Ich kann es zwar mit einschließen in meine Theorie der Wirklichkeit, aber dann ist diese Kombination aus Gedankeninhalt und Ich wieder überholt durch das es (im Bewusstsein) denkende Ich, das ich wieder einschließen kann und immer im Regressus bleibe.

Gerade diese letzten, scheinbar negativen Erkenntnisse sind ein riesiger Gewinn und eine prinzipielle, unwiderlegbare Basis für die Freiheitserkenntnis und -wirklichkeit des Ich, und zwar im Sinne der Freiheit als Unabhängigkeit (vom anderen , der Umwelt, Freiheit von etwas), nicht im Sinne der Freiheit von negativen Erfahrungen mit dem anderen (74) und auch nicht im Sinne der Freiheit, etwas zu können (Freiheit zu etwas) (75). Jedoch ist dieser fundamentale Freiheitsaspekt festzustellen: Durch die prinzipielle Endlichkeit des anderen ist mein Ich-Bewusstsein, das dieses denkt, immer und prinzipiell über das andere/die Umwelt (76)/den Gedankeninhalt (S.u. Kap. 1.6.2.3..) hinaus, frei davon, weil es prinzipiell weiter ist als jede Theorie, die das eigene Ich in eine absolute Determinationskette (S.u. Kap. 2.4.0.1..) stellen will. Deshalb ist es gar nicht nachvollziehbar, wenn solche Theorien viele Anhänger gewinnen und das auch noch als kluge, moderne Sicht von Wirklichkeit ausgegeben wird. (77)

Sich in der Dimension des anderen/Endlichen zu bewegen, bedeutet also prinzipiell bei etwas Unvollendetem zu bleiben, niemals zur vollkommenen Wirklichkeit zu gelangen. Das andere/Endliche hat also für sich keine Wahrheit, weil es immer über sich hinaus, auf ein Neues als seine Wahrheit hinweist.

1.5.4.2. Die prinzipielle Zufälligkeit des anderen, Endlichen

Ein relativ ähnlicher Gedankengang geht von der Zufälligkeit, Kontingenz des anderen/Endlichen aus: In seinem Wesen hat das Endliche (auch mein endliches Ich) keine Notwenigkeit zu existieren. (Das gilt für die Gegenwart, aber auch für jede neue Sekunde der Zukunft.) Es bekommt seine Existenz nur durch ein Weiteres, das existiert. Ist dieses Weitere aber auch ein Endliches, das die Existenz nicht in sich hat, dann braucht es wiederum ein anderes, das ihm Existenz gibt und so weiter: Es gibt wieder einen Regressus ad infinitum, und so dürfte dann gar nichts existieren, weil es nirgendwo einen Grund zur Existenz gibt (78). Man erkennt wieder, dass das andere, Endliche in sich keine Wahrheit hat, dass im Bereich des anderen, Endlichen eine Antwort auf die Wirklichkeitsfrage nicht zu finden ist.

Der 3. (prinzipielle) Beweis für die Unmöglichkeit, den Atheismus zu beweisen, durch das endliche Ich und das endliche andere die Wirklichkeit umfassend zu erkennen und eine das andere, Endliche Überschreitende Metaphysik zu widerlegen.




1.5.4.3. Die Erkenntnis des Absoluten im anderen, Endlichen

Auch hier zeigt sich wieder, dass eine Wirklichkeit nur dann umfassend sein kann, wenn sie die Strukutur des Endlichen mit seiner Grenze aufhebt. Da aber irgendetwas existiert, ist es nicht zufriedenstellend, bei der Erkenntnissuche nach der umfassenden Wirklichkeit sich mit dem regressus ad infinitum des anderen/Endlichen zu begnügen, sondern ich muss eben nach einer Wirklichkeit suchen, die den beim regressus entstehenden prinzipiell uneinholbaren Bereich umschließt und integriert.

Die klassischen Gottesbeweise, die an den Anfang oder über den unbefriedigenden Regressus im Endlichen ein Absolutes/höchstes Wesen stellen, sind von Kant kritisiert worden, weil hier das transzendentale Erkenntnisvermögen des Ich über die endliche Sinnenwelt ausgedehnt wird, wozu sie nicht berechtigt sei: "der Grundsatz ... hat gar keine Bedeutung und kein Merkmal seines Gebrauchs, als nur in der Sinnenwelt; hier aber sollte er gerade dazu dienen, um über die Sinnenwelt hinauszukommen." (79)

Hegel dagegen ging es mit guten Gründen darum, "die Beweise vom Dasein Gottes wieder zu Ehren zu bringen". (80) Auch er sieht - analog - zu Kant einen Fehler in der klassischen Form der Gottesbeweise darin, dass sie vom anderen/Endlichen ausgehen und in der Weise einer Verlängerung der endlichen Struktur auf Gott schließen, der - außerdem - dann zu einem Endlichen nur am Anfang der Kette werden würde. Hegel bleibt aber nicht bei der Kantschen Erkenntnis stehen, diese Gottesbeweise als unbegründet auszuscheiden, sondern er hebt nach dem Dilemma des Regressus die scheinbare Wirklichkeit des anderen, Endlichen auf, um dann die Wirklichkeit Gottes/des Absoluten nicht als etwas ihr Gegenüberstehendes zu etablieren (was ein Gedankenfehler wäre, wie Kant gezeigt hat), sondern als die eigene, eigentliche Wirklichkeit des anderen zu beschreiben. (81)

Gerade bezogen auf den Gedankengang in 1.5.4.1.zeigt sich, dass ich im Endlichen keine Lösung finde, weil jedes Große durch seine Grenze immer über sich hinausweist. Hier darf nun - mit Hegels Worten - nicht das Endliche stehengelassen werden und dahiner ein höheres Wesen gesucht werden, sondern es muss erkannt werden, daß das "Endliche ... nicht sein Grund in sich selbst ist" (82), "daß dies Endliche keine Wahrheit hat" (83). "Durch unsere Betrachtung wird die Welt als ein Wahrhaftes aufgegeben". (84) Das Endliche, das "Erste, von dem man ausgeht, bleibt nicht, sondern gibt sich vielmehr selbst auf, wird aufgehoben." (85); "deswegen ist die Wahrheit des Endliche ... das Unendliche". (86)

Ganz ähnlich wie beim Bewusstseins (87) kann die Wahrheit des Endlichen nicht in ihm selbst liegen, auch nicht in einem Schlusspunkt einer Kette, der doch selbst wieder nur endlich wäre, sondern dieses Übergehen auf das andere, dieses Überschreiten, dieses Werden ist seine Wahrheit, und zwar eine absolute, unendliche, weil sich dem prinzipiellen Übergehen nichts entgegensetzen kann und alles von ihm integriert wird. Das Endliche als abgeschlossenes, begrenztes Endliches ist eine Täuschung, und seine Wahrheit ist dieses absolute, göttliche Übergehen. (88) Die Parallelität zur Erkenntnis des Absoluten über den Weg des Bewusstseins ist offensichtlich, und so analysiert Hegel auch den Gedankengang der Gottesbeweise, die beim Endlichen, dem anderen ansetzen, so, "daß die sogenannten Beweise vom Daseyn Gottes ... diese Erhebung ausdrücken ..., die eignen, nothwendigen Vermittlungen des Geistes" (89) "Hegel hat die Gottesbeweise ... aufgefaßt ... als Ausdruck der Erhebung des menschlichen Geistes über das sinnlich Gegebene und über das Endliche überhaupt zum Gedanken des Unendlichen". (90)

Wir kommen hier auf dieselben Eigenschaften des Absoluten/Gottes, die wir schon beim Ausgang vom Bewusstsein gefunden haben (91):
1.Es ist unendlich, weil das prinzipielle Übergehen keine Grenzen hat.
2. "Werden", "Überschreiten", "Eingehen auf anderes" wurden als die ersten Eigenschaften entwickelt.
Auch hier folgen hieraus die Eigenschaft 3. der Liebe, 4. des Personseins und 5. des Aspektes der Endlichkeit.
Und 6. muss dies Absolute notwendig existieren,
weil es die notwendige Wahrheit der Grundrealität des anderen/Endlichen ist.

Bezugnehmend auf die 6 Eigenschaften haben gerade die in 1.5.4.2. dargelegten Gedanken, die von der Kontingenz des anderen, Endlichen ausgehen (das gar nicht existieren dürfte, wenn es nur Kontingenz gäbe), bei aller Kritik an dem Kontingenz-Gottesbeweis ihre Kernwahrheit im "Nachweis der Notwendigkeit, dass das menschliche Denken sich über die Zufälligkeit alles Endlichen zum Gedanken eines durch sich selbst existierenden Ursprungs erheben muß." (92)

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1.6. Ethische Grunderkenntnisse auf Basis der sicheren, grundlegenden Realitäten (Vgl. Kap. 2.4.) und Bedingungen für das Glücklichsein

1.6.1. Ethische Inhalte: Ethik der Rücksichtnahme

Während Überlegungen zur Erkenntnistheorie und Ontologie sich mit dem Vorgegebenen beschäftigen, behandelt die Ethik Grundsätze des Handelns, beschreibt also nicht das eine (Vor-)Gegebene, sondern entscheidet sich - begründet - für eine Handlungsweise oder Handlungsdimension aus der Vielfalt der möglichen Handlungen. Die Frage „Was soll ich tun?“ muss ihre Grundlage also in der Frage „Was ist? / Was, Wie ist die Wirklichkeit?“ haben. Die Ethik ist also eine Funktion und Ableitung der Ontologie. Ethik ist also die Lehre vom richtigen Handeln, von der Entsprechung des Handelns mit der Wirklichkeit.

Nun wird hier der traditionelle Widerspruch gegen einen naturrechtlichen Ansatz erhoben werden, dass nämlich aus der Ontologie keine Ethik abgeleitet werden kann, aus dem Sein kein Sollen, man könne also nicht "aus deskriptiven Aussagen normative Konklusionen ableiten. Dies .. stellt eine logisch unerlaubte Schlussfolgerung dar, weil Tatsachenbehauptungen und Sollenssätze auf verschiedenen Ebenen liegen"(93). Außerdem soll das Sein ja gerade nicht normierend sein, sondern ggf. durch die Ethik verändert werden. Natürlich trifft diese Kritik auf den endlichen, empirischen Bereich des anderen (Kapitel 2) zu. Und die klassische Naturrechts-Ethik hat oft aus der empirischen Natur des Menschen ethische Schlüsse gezogen. Dadurch entstehen natürlich Fehlschlüsse; allein schon deshalb, weil die Deutung der empirischen Natur eine sehr subjektive Sache ist, wie in Kapitel 2 mehrfach gezeigt wird. Und damit ist das Naturrecht in der Tat zirkulär begründet: Der Mensch leitet aus der Natur für sein Verhalten ethische Maßstäbe ab, die er zuvor durch seine Naturdeutung selbst eingeführt hat.

Ich leite die Ethik aber aus einer anderen Natur ab, die mit der menschlichen Natur der klassischen Naturrechtslehre nur begrenzt etwas zu tun hat. Es ist die Natur im Sinne der hier in Kapitel 1 beschriebenen Wirklichkeit an sich, von der die menschliche Subjektivität (genau wie das unbelebte andere) ein Moment, ein Aspekt ist. Es geht hier um Natur als umfassende, absolute, dialektische Wirklichkeit, die alles durchzieht. Aus ihr werden ethische Ableitungen und Schlüsse gezogen:
In diesem Sinne vertrete ich hier eine Ethik des naturalistischen Deskriptivismus und hierbei einen metaethischen Naturalismus. "Danach sind moralische Urteile semantisch nichts anderes als Urteile, die etwas über Wesenseigentümlichkeiten des Menschen, über das Bestehen metaphysischer Ordnungsstrukturen oder über den Willen Gottes aussagen."(94) Es geht hier darum, "moralische Konsequenzen aus deskritpiven Aussagen ... logisch zwingend abzuleiten. Zu diesen deskriptiven Aussagen gehören nicht nur Tatsachen und Theorien über die Natur, sondern ... auch Tatsachen und Theorien der Metaphysik und der Theologie."(95)

Diese Vorgehensweise entspricht auch der Forderung Humes, dass dann aus ontologischen Sätzen ethische abgeleitet werden dürfen: gemäß "dem Humeschen Gesetz ... , daß die Logik ... imperativische Schlusssfolgerungen aus indikativischen Vorausetzungen nicht schlechthin verbietet. Wir können vielmehr logisch korrekt aus einer vorgegebenen Prämissenmenge auf konkrete Imperative schließen, sofern diese mindestens eine imperativische Prämisse enthält."(96) Diese imperativische Prämisse ist hier der Satz, dass man in Übereinstimmung mit der absoluten Wirklichkeit leben soll, die jeden Moment des Daseins durchzieht. Da ich nicht mit mir in Widerspruch geraten will, sondern mir/meinen vorgegebenen Wirklichkeitsstrukturen (97) entsprechen will, müssen meine Handlungsmaßstäbe auch den vorgegebenen Wirklichkeitsstrukturen entsprechen. Wenn ich im Widerspruch zu den mir vorgegebenen Wirklichkeitsstrukturen leben würde, wäre es so, als wenn man die Diesel-Motorstruktur eines Autos missachtet und Benzin einfüllt, was zur Zerstörung des Motors führt. Aber genauso wie beim Motor ist die Missachtung der Maßstäbe natürlich möglich. Die Missachtung diieser vorgegebenen Wirklichkeitsstrukturen und der Widerspruch zu ihnen führt – wie der Motorschaden des Diesel-Motors – zu zusätzlichem menschlichem Leid und zum Unglücklichsein. Die Übereinstimmung mit der vorgegebenen allgemeinen Wirklichkeitsstruktur aber ist die fundamentale Voraussetzung für Glücklichsein, Glück.

Da ich der Kritik an der klassischen Naturrechtslehre zustimme, werden alle ethischen Entscheidungen hier in Kapitel 1.6. getroffen – unabhängig von den unsicheren empirischen Erkenntnissen in Kapitel 2. Die konkreten ethischen Sätze in Kapitel 2.4. sind alle Ableitungen der hier in Kapitel 1.6. gewonnenen eher abstrakten ethischen Erkenntnisse – entsprechend "der Mehstufigkeit der praktischen Vernunft: Wie diese nur in ihren obersten Prinzipien und ihren unmittelbaren Konklusionen streng allgemeingültig ist, weil diese von jedem Menschen mit apriorischer Notwendigkeit erkannt" (98) werden können.

Wie findet man nun ethische Maßstäbe?

Als vorgegebene Wirklichkeitsstruktur erkenne ich aus den 3 Grundrealitäten (Ich, anderes und Bewusstsein) abgeleitet, die Grundstruktur des Werdens, Übergehens, Sich-Überschreitens, (des dialektischen) Bezogenseins/Eingehens auf anderes (99). Ich hatte festgestellt: Dieses Bewusstsein vom Absoluten zieht also mein Ich gerade über sich hinaus zu einer Wahrheit außerhalb von sich. (100)

Daraus folgt nun eine ethische Grundstruktur, die genau dieses Übergehen auf anderes beinhaltet, nämlich Bezogenheit auf das andere, was man zusammenfassend für die Ethik als „Rücksichtnahme gegenüber dem anderen“ beschreiben kann. Alles, was der Rücksichtnahme entspricht, ist ethisch gut, was ihr widerspricht, ethisch schlecht. Darin sind dann weiterhin enthalten: Achtung des anderen, was wiederum Freiheitsermöglichung und geringstmöglichem Zwang gegenüber dem anderen beinhaltet, auch Bescheidenheit und Friedfertigkeit gegenüber ihm und ein positives, unterstützendes Zugehen auf das andere. Es geht hier also um die größtmögliche Harmonie von Ich und anderem (weil das Ich nur ganz Ich ist durch die Berücksichtigung des anderen, s.o. Kap. 1.1.4.1.). Dementsprechend schließt dieser Grundsatz umgekehrt Selbstherrlichkeit, Überheblichkeit und Abschottung gegenüber dem anderen aus, die immer ethisch schlecht sind. (S.u. Kap. 2.4.5..) Damit ist die 1.Voraussetzung für das Glücklichsein des Ich eine Lebenshaltung, die gegenüber dem anderen das Bezogensein lebt, also die Rücksichtnahme. Das unmittelbare, für-sich-Seiende, das andere Ausschließende ist das Böse – wie die Vorstellung des Absoluten als unmittelbare Einheit ohne jede Individualisierung (S.o. Kap. 1.5.1..).

Auf der anderen Seite schließt dies natürlich ein, dass das Ich sich auch in seiner gleichberechtigten Unabhängigkeit vom anderen weiß und so lebt und sich eben deshalb auch als gleichberechtigt ansieht, sich dem anderen nicht unterwirft (101) und sich nicht in das andere auflösen will.Diese Auflösung geschieht in einer Depression und scheint auch das Ziel des buddhistisch-hinduistischen Weges zu sein. Die bleibende Selbständigkeit eines Aspektes, also auch des Ichs, ist für die heilige Dialektik sehr wichtig, denn das Grundwesen der Dialektik, der Rücksichtnahme erfordert ein Subjekt, ein Ich, das Rücksicht nimmt.

Daneben, dass das Ich die allgemeine, vorgegebene Wirklichkeitsstruktur des anderen im Übergehen und in der Rücksichtnahme lebt, ist es eben umgekehrt wichtig, dass das Ich erlebt, dass es durch das andere berücksichtigt wird, zuallererst vom anderen nicht bedroht, sondern toleriert wird. (S.u. Kap. 1.6.2.; 3.Freiheits-Dimension: Tolerierungs-Freiheit und Kap.1.6.2.3..) Das ist die 2.Voraussetzung für das Glücklichsein.
(Wichtig, dass das Ich die – unsicheren - Bewusstseinsinhalte des konkreten anderen/der konkreten, gegebenen Wirklichkeitsstruktur (vor allem in Form von Staat und Gesellschaft (S.u.Kap. 2.4.4.1. bis 2.4.4.2.1..), aber auch Arbeitswelt und Nachbarschaft) als dem Übergehen und der Rücksichtnahme entsprechend erlebt, also dass dem Ich staatliche Freiheit und Toleranz gegeben wird.)
Vgl auch die ähnlichen Gedanken in: "Die Akzeptanz von Minderheiten als ethischer Indikator", Kap 2, 5.3. und 6

Ich postuliere nun, dass diese 2 grundlegenden Voraussetzungen für das Glücklichsein identisch sind mit einem Verhalten, das das grundlegende ethische Prinzip der Rücksichtnahme verwirklicht. Das heißt,
- wenn ich und das andere Rücksichtnahme nachhaltig, grundsätzlich langfristig praktizieren, dann entsteht nachhaltiges Glück;
- und umgekehrt, wenn man nachhaltig glücklich ist, dann ist das nur möglich geworden durch die nachhaltige, grundsätzliche Praktizierung der Rücksichtnahme.
Das heißt, auf dieser grundlegenden Ebene der Ethik postuliere ich die Identität der deontologischen (Pflicht zur Rücksichtnahme) und der teleologischen (Glücklichsein) Dimension.

Auf der empirischen Ebene von Kapitel 2 fällt beides manchmal zu gewissen Zeiten auseinander. Um des grundsätzlichen, langfristigen deontologischen und teleologischen Maßstabes der Rücksichtnahme, dürfen kurzfristig in einer Einzelsituation eine oder auch beide Dimensionen verletzt werden (z.B. s.u. Kap. 2.4.4.1.3..). Insofern lehne ich eine immer und unter jeden Umständen geltende deontologische Ethik ab.

Neben dem Wunsch nach Freiheit, nämlich dem Wunsch, vom anderen toleriert und nicht belästigt und bedroht zu werden, hat das Ich nun auch weitere Wünsche im Blick auf das andere, Wünsche nach Rechten und Gerechtigkeit. Um so besser, je weniger Kompromisse geschlossen werden müssen, weil die Interessen und Wünsche vom Ich mit dem anderem identisch sind (Win-Win-Situation): 3. (Zusatz)-Voraussetzung für das Glücklichsein.
(unter den Bedingungen von Kapitel 2: z.B. materielle Wünsche. Hier muss eben ein Kompromiss geschlossen werden und auch das andere dem Ich entgegenkommen (z.B. Akzeptanz, die die Toleranz überbietet; soziale Rechte (S.u. Kap. 2.4.4.2.2..)). Manchmal ist es sogar so, dass der eine etwas haben möchte, was der andere geben, ja sogar loswerden will (interessanterweise beim Geschlechtsakt). Wenn auch auf dieser konkreten Ebene die gesamte Wirklichkeit so gestaltet wäre (also dass das andere so gestaltet ist wie die konkreten Wünsche des Ich und umgekehrt), dann wäre das das sprichwörtliche Paradies. (S.u. Kap. 2.4.5.3.7.))

Man kann dieses ethische Lebenskonzept auch so beschreiben: Ein Leben des Ich, das die durch das andere (den eigenen Wünschen) gezogenen Grenzen und Möglichkeiten anerkennt. Ein Ich, das darüberhinaus seine eigene Prägung kompromissbereit so einschränkt (aber nicht aufgibt), dass es bestmöglich zum anderen passt, das seinerseits auf das Ich Rücksicht nimmt. Aus dieser Harmonie heraus kann das Ich das andere bestmöglich zu berücksichtigen und selbst bestmöglich glücklich werden.

(Was dies im einzelnen bedeutet unter der Annahme der Realität eines (gemäß dem Bewusstseinseindruck) differenzierten anderen, wird in Kapitel 2.4. ausführlich behandelt.(103))

Innerhalb des ethisch guten Handelns gibt es 2 Arten (102):
- das eigentliche, primäre ethische Gute, das Rücksichtnahme und Eingehen auf das andere beinhaltet, und
- das sekundäre ethische Gute, das die Abwehr des ethisch Schlechten, also der Rücksichtslosigkeit und des Egoismus, beinhaltet.
Die paradiesische Wirklichkeit des ethisch Guten ist dann verwirkllicht, wenn nur noch das primäre, ethische Gute vorhanden ist.

Dass es ethische Maßstäbe gibt, die gutes ethisches Handeln von schlechtem unterscheiden, heißt nun nicht, dass nach diesen Maßstäben schon jede einzelne Handlung gewertet wird. Zwar ist das Eingehen auf das andere ethisch gut und die Abschottung von ihm ethisch schlecht.

Aber es gibt mehrere Arten des Eingehens, die auch nicht immer nach ihrem Grad des Eingehens gewertet werden können. Insofern sind diese verschiedenen Arten ethisch gleichwertig und untereinander nicht zu werten (1. Möglichkeit ethischer Neutralität - gleiche Art des Eingehens).

Dann gibt es Handlungsweisen, die dem Grundmaßstab der dialektischen Bezogenheit auf das andere weder in besonderer Weise entsprechen noch widersprechen, also ziemlich neutral sind.
(Z.B. wäre das unter der Annahme der Vielfalt des anderen (Kapitel 2) die Auswahl einer Farbe, z.B. grün oder blau im Blick auf irgendeinen Gegenstand. (2. Möglichkeit ethischer Neutralität - weder Eingehen noch Nicht-Eingehen). Da unter den Bedingungen von Kapitel 2 hier keine anderen Personen mit ihren Wünschen beteiligt sind, ist es ethisch in Ordnung, in diesem 2. Bereich ethischer Neutralität seine Umgebung bestmöglich so zu gestalten, wie das Ich es will und wie sie zum Ich passt (also z.B. (Kap 2) die Wohnung farblich immer mehr so zu gestalten, wie sie einem gefällt.) Grenzen sind nur darin gesetzt, wieweit das andere dem Ich zugänglich ist (z.B. (Kap 2) eine bestimmte Farbe erhältlich ist). In jedem Fall wird hier das Glück im Sinne der 3. (Zusatz)-Voraussetzung (s.o. in diesem Kapitel) verstärkt. Da dies das Glück des Ich erhöht und da ein glückliches Ich den dialektischen Maßstabs der Bezogenheit besser erfüllen kann, sollte diese Verhaltensweise auch gefördert werden.)

Natürlich sind bestimmte, nicht-dialektische Inhalte (Setzungen) auch begrenzt ethisch neutral
(unter den Bedingungen von Kapitel 2: z.B. Körper/Materielles (105), Tradition, Literatur (Romane, Poesie), Natur (106) (S.u. Kap. 2.4.5.2..), insofern das Bestimmte, Endliche als Gegenpol und Moment für einen dialektischen Prozess notwendig ist, aber nur insofern sie sich als begrenzte Moment und eben nicht mehr verstehen, schon gar nicht sich absolut setzen. (3.Möglichkeit ethischer Neutralität – das Nicht-Eingehen, Materielle als notwendiges Moment für die Dialektik)

Analog dazu braucht es zum Eingehen, zur Dialektik auch ein selbstständiges Ich, so dass das Ich auch in begrenzter Weise (eben wieder als Moment) an sich selbst ohne Eingehen auf anderes denken sollte.(107) (4.Möglichkeit ethischer Neutralität – das Nicht-Eingehen, Fürsichsein des Ich als notwendiges Moment für die Dialektik(108))

Durch die Darlegung der Möglichkeiten ethischer Neutralität bekommt die Ethik einen weniger strengen, weniger rigoristischen und stattdessen lebensnäheren Charakter, der vom Ich nicht eine permanente dialektische Liebes-Anstregnung verlangt.

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1.6.2. Freiheit des Ich

Da die Ethik grundlegend nach der richtigen Auswahl aus verschiedenen Handlungsoptionen fragt, stellt sich dann die Frage, wie das Ich möglichst viele richtige Entscheidungen fällt, und damit stellt sich auch die Frage nach der Freiheit des handelnden, entscheidenden Subjektes, des Ich.

Eine erste Freiheitsdimension des Ich wurde schon bei den grundlegenden erkenntnistheoretischen Überlegungen festgestellt: Das Ich ist prinzipiell frei vom anderen, von der Wirklichkeit außerhalb von ihm, von seinen Bewusstseinsinhalten einschließlich seines Körpers, ist prinzipiell immer schon über sie hinaus und damit frei von ihnen (S.o. Kap. 1.5.4.1.).
Dann sind auch die reinen, wahrnehmungsfreien Ich-Gedanken, Wünsche, Hoffnungen, Pläne, Phantasien frei, weil sie vom anderen nicht abhängig sind und nicht verletzt werden können (Das Ich kann vom anderen nicht verletzt werden, das andere (auch als grausames) bleibt dem inneren Ich ein äußeres. (S.o. Kap. 1.1.1..).
Diese Dimension betrifft nur die ethischen Aktionen des inneren Ich. Es handelt sich hier um die sprichwörtliche „innere Freiheit.“ Sie hilft nicht, wenn das Ich ethisch in das andere hineinwirken will.

Eine zweite Dimension der Freiheit des Ich ist seine Willensfreiheit (S.u. Kap. 1.6.2.1.), also seine Möglichkeit, unabhängig von irgendetwas ihm (in ihm) Vorgegebenen entscheiden zu können (zwischen Handlungsmöglichkeiten). Hier geht es um die Entscheidungs-Freiheit, auch als "Anderskönnen, .. als Prinzip der alternativen Möglichkeiten"(109) bestimmt nämlich als „Vorstellung ..., dass es im Augenblick der Entscheidung Handllungsalternativen gibt, die dem Handelnden in einem noch näher zu bestimmenden Sinn zur Verfügung stehen."(110)

Eine dritte Dimension der Freiheit ist die der Freiheit vom anderen, nämlich die Unabhängigkeit, Freiheit von ungewolltem Einwirken durch das andere (S.u. Kap. 1.6.2.3..) auf das Ich, was nur über den Bewusstseinsinhalt "Körper des Ichs" (S.o. Kap. 1.1.2. und u. Kap 2.1.1.4..) möglich ist. Darunter fällt auch die Tolerierungs-Freiheit. (Das Wort „Unabhängigkeits-Freiheit“ könnte diese Freiheit mit der inneren Freiheit verwechseln und macht nicht klar, dass diese Freiheit nicht in der Entscheidung des Ich liegt, sondern nur real wird, wenn sie das andere gibt. Hier ist also das Ich vom anderen abhängig.) (So. Kap. 1.6.1.: 2.Voraussetzung für das Glücklichsein.) Sie wird auch als eines der grundlegenden "Kriterien für Willensfreiheit .. das Autonomieprinzip"(111) genannt.

1.6.2.1 Entscheidungs-Freiheit (Willensfreiheit)? (S.u. 2.4.0.1..)

Gehen wir nun von der einen Möglichkeit vollkommener Willensfreiheit (im Blick auf Handlungen, Tätigkeiten) des Ich aus, die vollkommen offen ist. Das Ich entscheidet vollkommen unabhängig von irgendetwas anderem, Vorgegebenem nur aus sich heraus, durch nichts bestimmt und determiniert. Aber wonach entscheidet es dann seine Wünsche im Blick auf das andere? Es ist das reine, freie Ich, es hat nichts Vorgegebenes. Also hat es nichts, nach dem es entscheiden kann, es hat nichts zu entscheiden. Wenn deshalb, weil im Ich nichts Vorgegebenes vorhanden ist, es keinen Grund für irgendeine Entscheidung gibt, dann geht es dem Ich wie bei Buridans Esel bzw. dem Menschen in Aristoteles' Schrift "De caelo", der - der - in genau gleicher Intensität heftigen Hunger und Durst verspürt, so keinen Grund hat, das eine zuerst zu sich zu nehmen, sich deshalb beider Nahrungsmittel in gleicher Weise enthält und so verhungert und verdurstet.(112). Es wäre eine grundlose, sinnlose Entscheidung (wie durch einen undeterminierte "Zufallsgeneratoren"(113) erzeugt), auf absoluter Beliebigkeit beruhend. Es wäre "die Freiheit einer Kugel im Flipperautomaten .., die zwischen den Banden in Zufallsbewegungen hin und her spingt"(114). Deshalb passen der Indeterminismus und die Willensfreiheit nicht zusammen.). Verletzt wird bei dieser Vorstellung vom freien Willen eines der "grundlegenden Kriterien für Willensfreiheit ... das Prinzip der Urheberschaft"(115) (des Ich). Von Freiheit könnte man jedenfalls nicht reden, weil es keinen Grund für eine freie Wahl zwischen Handlungsoptionen gibt. Entscheidungs-Freiheit als voraussetzungslose Freiheit eines leeren, voraussetzungslosen Ich ist also an sich nicht sinnvoll denkbar. "Sind unsere Handlungen ... nicht determiniert, können wir auch nicht eigenverantwortlich handeln, eben weil sie zufällig sind und darum in keiner Weise von uns abhängen"(116), "die uns als etwas völlig ... Fremdes zustoßen würden."(117) - "Tatsächlich bringt eine Aufhebung der Determination lediglich ein Mehr an Zufall und verstößt damit gegen das zweite der ... fundamentalen Kriterien von Freiheit."(118) - So „hätten wir allenfalls zu Zufallsgeneratoren werden können.“(119) Ähnliche Überlegungen zur Entscheidungs-Freiheit sind im Aufsatz "Die Akzeptanz von Minderheiten als ethischer Indikator" im Kapitel 5.2. zu finden.

Der Wille des Ich, der sich entscheidet, ist nur so denkbar: Entscheidet das Ich sich, dann ist eine Entscheidung nur sinnvoll, wenn das Ich aufgrund einer inhaltlichen Vorprägung, Vorgegebenheit des Ich entscheidet, nämlich das auswählt, was dem in ihm vorgeprägten am ehesten entspricht. Dass das Ich genau in diesem Sinne sich als vorgegebenes, gesetztes (S.o. Kap. 1.1.2., 1.1.4.1. und 1.5.1.). und in diesem Sinne determiniertes Wesen vorfindet, wird in diesem Traktat mehrfach angesprochen. Die Nichtexistenz der Entscheidungs-Willens-Freiheit schließt eben nicht die Existenz eines Willens des Ich aus (Wollen in dem Sinne, etwas vom Ich im Blick auf das andere zu begehren). In diesem Sinne ist es ein determinierter Wille. "Willensfreiheit stehe nicht im Widerspruch zum Determinismus, sondern setze ihn geradezu voraus."(120)

Dabei versucht der determinierte Wille, sich bestmöglich enstsprechend seinen Vorgegebenheiten im anderen zu entfalten. Ein genaueres Beispiel: Das Ich will/wählt eine (unter den Voraussetzungen von Kapitel 2 angenommene) Farbe „grün“ statt „rot“, weil die Lieblingsfarbe dieses Ich „grün“ ist. In diesem Ich ist also die Bevorzugung von „grün“ vorgegeben. Das ist dann aber schon eine Zerstörung seiner Entscheidungs-Freiheit, denn es ist ihm etwas vorgegeben. Das Ich entfaltet bei seiner Entscheidung dann unter gegebenen Umständen nur das, was im Ich schon immer vorgegeben war.
(Wieweit sich das vorgeprägte Ich durchsetzt, liegt an den Möglichkeiten des anderen, wieweit es also im anderen gerade die Farbe „grün“ findet oder eben nur eine seiner Vorgegebenheit ähnliche Farbe (blaugrün)).

Nun empfinden es vielleicht manche als Problem, dass die Entscheidungs-Freiheit (im Blick auf Handlungen, Tätigkeiten) nicht denkbar ist. Und fürchten da zuallererst um ihre Selbst-Identität. Es ist aber insofern kein Problem, als diese Vorgegebenheit ja das Ich selbst ist, mit dem ich mich gut identisch fühlen kann. Insofern vertrete ich hier einen Willens-Kompatibilismus. "Ob eine Handlung frei ist, hängt also nicht davon ab, ob die Handlung determiniert ist, es hängt davon ab, wie sie determiniert ist: Wird die Handlung durch die Person selbst determiniert, dann ist sie selbstbestimmt und frei."(121) Das einzig Bedeutsame der Nichtexistenz absoluter, voraussetzungsloser Entscheidungs-Freiheit ist, dass das Ich seinen Persönlichkeitskern nicht selbst gesetzt hat.

Wie ist der Persönlichkeitskern nun entstanden, der Grundlage für die Entscheidung ist, bzw. die Entscheidung bestimmt? Das braucht im Rahmen dieses Traktates nicht im einzelnen dargelegt werden, und die Beantwortung der Frage ist auch für den weiteren Gedankengang nicht konstitutiv. Aber so viel dürfte ziemlich evident sein: Das Ich entsteht (wird gesetzt (geboren)) mit einem Ichkern / einer ursprünglichen Persönlichkeitsstruktur. Es interagiert mit dem anderen, und je nach seinen Erfahrungen integriert das Ich dann Neues in seinen Persönlichkeitskern (z.B. dass diese Farbe, die er am Anfang wählte, ihm doch nicht so gefällt). (Das können natürlich auch Elemente sein, die durch konditionierende Erziehung hinzukamen- unter Voraussetzung von Kapitel 2) So ist der jeweils gegebene, die Grundlage der Entscheidung bildende Persönlichkeitskern eine Mischung aus dem ganz am Anfang der Existenz Vorgegebenen ("gesetzt, „angeboren“) und den dazugefügten Erfahrungen mit dem anderen (Umwelt). Unsere "Lerngeschichte und genetischen Prädispositionen"(122) oder auch: "Gene und Meme – unsere Anlagen und alle bisherigen Lebenserfahrungen – bedingen, wie wir uns letzendlich entscheiden."(123) Die konkrete ethische Handlung ist sozusagen ein Produkt des aktuellen Ichs (Gene und Meme) und der aktuellen Situation, des aktuellen Einflusses von außen, vom anderen.

Trotz der fehlenden Entscheidungs-Freiheit und auf Basis des determinierten Willens verliert die Ethik nun aber keineswegs ihre Bedeutung. Ethik behält ihre Bedeutung zur Veränderung des Verhaltens (im Zusammenspiel mit dem determinierten Willen des Ich) und zur Beurteilung (der Qualität) des Verhaltens als richtig/gut oder falsch/schlecht nach dem Kriterium ihrer Entsprechung oder ihres Widerspruchs zur vorgegebenen Wirklichkeit (des Übergehens auf anderes, der Rücksichtnahme). Denn ein determiniertes Ich ist eben kein starres Ich. Das determinierte Ich handelt nicht unabhängig vom aktuellen anderen, sondern determiniert ist an ihm, wie das Ich auf einen bestimten Einfluss von außen reagiert. Dassselbe Ich reagiert bei einem anderen Einfluss von außen auf anders determinierte Weise. Wenn der Einfluss von außen – z.B. durch Unterricht, der auch noch für die vorgegebene Art des Ich (pädagogisch) angenehm ist (S.u. Kap. 2.4.1., Abschnitt zu 2 ), – zum ethisch Guten, zur Rücksichtnahme anregt, dann reagiert das determinierte Ich, ändert sich und wird rücksichtsvoller.

Einerseits folgt nun: Wären "unsere Handlungen indeterminiert, wären wir nicht für sie verantwortlich, da sie in keiner Weise von uns abhängen"(124)(Goschke,187). Für ein determiniertes Ich entfällt allerdings ebenso die Frage der Verantwortung, also die Frage nach Schuld oder (ethischem) Verdienst (als Gegenteil zur Schuld) im Handeln des einzelnen Subjektes. Dies wird dann in Kap 2 kein Argument gegen Justiz und Strafe (S.u. Kap. 2.4.4.1.3.2.) sein, weil Sinn und Ziel der Strafe nicht in einer abstrakten Gerechtigkeit als negativer Sanktionierung von Schuld liegen, sondern darin, durch unangenehme Maßnahmen unberechtigte An- und Eingriffe des anderen zu verringern, die dem Ich Leiden zufügen, und so durch Leidverminderung beim Opfer sein Glück zu erhöhen: "Strafe dient den Maßnahmen der Abschreckung, der Besserung und dem Schutz, nicht aber der Vergeltung"(125), denn hier ganz behavioristisch: "Strafe setzt keine Schuld voraus, sondern Beeinflussbarkeit."(126)

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1.6.2.2. Undeterminierte Erkenntnis-Freiheit des Ich

Das Bestimmtsein des Ich durch Determiniertheit ist nun kein Problem für die Selbstidentität des Ich (S.o. Kap. 1.6.2.1..). Unter bestimmten Umständen ist es aber ein Problem für die Wahrheit, und zwar dann, wenn eine allgemeine und absolute Determiniertheit (im Sinne einer Programmiertheit des Ich) vertreten wird. Wenn nämlich alles determiniert ist, dann sind auch alle (Wahrheits-) Aussagen determinert. Dann sind aber Wahrheits-Aussagen nutzlos für die Wahrheitsfindung, weil sie mit der Wahrheit in keiner Beziehung stehen – denn ihre Ursache ist diese bestimmte Determiniertheit und nicht die freie Abwägung verschiedener möglicher Aussage im Blick auf ihre Übereinstimmung mit der Wirklichkeit. Also brauche ich auch den nicht ernst zu nehmen und sollte seine Aussage nicht für wahr halten, der behauptet, alles sei determiniert, denn dann ist ja auch diese Aussage determiniert und damit in der determinierenden Ursache begründet und nicht in einem freien Abwägen von Wirklichkeitsbeschreibungen. Behauptet er aber die Aussage, alles sei determiniert, wäre genau durch dieses freie Nachdenken über die Wirklichkeit entstanden (so wird er es meistens behaupten), dann ist zumindest diese Aussage nicht determiniert - also stimmt der Inhalt der Aussage, alles sei determiniert, auch wieder nicht und es gibt eine Freiheit des Ich.(127)

Wenn das Ich die (schon zugegebene) teilweise Determiniertheit des Ich als Determiniertheit erkennt, dann ist das Ich schon darüber hinaus, also frei und nicht determiniert. Insofern kann man von Freiheit des Ich, von " 'Willensfreiheit' als innere Selbstkommentierung"(128) sprechen. Auch deshalb ist die Theorie absoluter Determiniertheit nicht haltbar. Das Ich löst sich in seiner Ich-Wesenheit von dem Bewusstseinsinhalt des Erkannten, von dem, was es erkennt, und damit auch von jeder Bedingtheitskette. "Wir übernehmen für uns selbst die Rolle der äußeren Beobachter".(129) Das Ich steht in einer Außenposition: "Dort ist die Determinations-Kausal-Kette." Das Ich kann dies nur erkennen und sagen, wenn es mehr sieht als Determiniertheit, z.B. die Nicht-Determiniertheit. Dort, wo über Determiniertheit nachgedacht wird, wird die Determination immer schon überschritten, und es ist deshalb auch Freiheit da. Das Ich als Nachdenkendes ist immer weiter als das Bedachte und damit auch von jeder erkannten Determination. Sollte sie auch auf das Ich ausgedehnt werden, so ist das diese Determination denkende Ich schon wieder darüberhinaus, und so überschreitet es jede Behauptung, die es mit vereinnahmen wollen. (Das gilt besonders für Aussagen der Naturwissenschaftlers, die das Ich vereinnahmen wollen.(130)) Das Ich erhebt deshalb einen Wahrheits- und Objektivitätsanspruch und steht mit dem Absoluten in Verbindung, indem es das Wesen des Übergehens und damit analog auch die Rücksichtnahme an sich hat.

Das Ich findet also einerseits im Blick auf seine Handlungen (wozu natürlich auch ausgesprochene Worte und eigene inhaltliche, auf das andere bezogene Gedanken gehören, auch die Ich-Bewusstseinsinhalte (S.o. Kap. 1.1.1..) seine Handlungsgründe in sich vorgegeben, determiniert.

Und daneben ist das Ich im Vorgang des Erkennens als alle Erkenntnisinhalte überschreitende (von jedem Inhalt) frei. Seine Freiheit liegt im Erkennen, Reflektieren, Beurteilen, was genau dem absoluten Wesen des Übergehens entspricht, und dementsprechend hat es auch das Wesen der Rücksichtnahme in sich. Ich nenne es hier Kern-Ich. Damit tritt das Ich mit Recht mit Wahrheitsansprüchen auf. Dieses freie, reflektierende Ich nimmt aber nicht unbedingt Einfluss auf die Handlungen: Jemand quält andere aufgrund seiner eigenen Vorkonditionierung (Determination) und weiß gleichzeitig durch sein unabhängiges, reflektierendes Ich, dass es falsch ist.(131) Deshalb entspricht diese Erkenntnis-Freiheit des Ich auch nicht der klassischen Definition von Willensfreiheit als freie, "unverursachte Ursache für die Handlungen einer Person."(132)

Trotzdem kann das Kern-Ich zu einem Faktor für Handlungen und Handlungsänderungen werden - wie Einflüsse vom anderen (und die Meme als gesammelte Erfahrungen mit dem anderen). Menschen, bei denen das freie Kern-Ich einen größeren Einfluss auf ihre Handlungen hat, werden als integer und (durch das andere) nicht korrumpiert bezeichnet. Die Stärke des Einflusses des Kern-Ich ist wiederum determiniert oder kann durch Konditionierung geändert werden.

Neben der Konditionierungsmaßnahme der Strafe (S.o. Kap. 1.6.2.1..), die als ein Außenfaktor in das vorgegebene (determinierte)Verhaltensmuster des Ich eingeführt werden soll und sein Verhalten beeinflussen soll, gibt es also auch die Konditionierungsmaßnahme der Stärkung des Kern-Ich durch Engagement des Verstandes, der Emotionen und des Vorlebens als weiterer (und weniger schmerzhafter) Faktor, der auf das vorgegebene Verhaltensmuster des Ich wirken soll. Das ist darin begründet, dass das überschreitende, nachdenkende Kern-Ich das Ich automatisch begleitet. Damit ist das Ich immer auch vom Wesen der Rücksichtnahme – im Kern – begleitet. Die Rücksichtnahme und das ganze Kern-Ich kann so verschüttet, unterdrückt oder verdrängt sein, dass es kaum zu spüren ist und überhaupt keinen Einfluss auf Handlungen hat. Aber doch ist es – zumindest verborgen – da: als Sehnsucht, schlechtes Gewissen, Ahnung, Hoffnung, dass man doch rücksichts- und liebevoll leben sollte. Dabei postuliere ich hier den auch im Kern-Ich immer vorhandenen und manchmal unterdrückten Trieb nach Selbstidentität und Übereinstimmung mit sich selbst: Da das Wesen des Ich (und besonders des Kern-Ich) Übergehen und Rücksichtnahme ist und da jedes Ich selbstidentisch leben will, will es in der Tiefe rücksichtsvoll leben. Deshalb bin ich mittel- und langfristig optimistisch im Blick auf den Appell zur Rücksichtnahme.

1.6.2.3. Autonome Freiheit vom anderen (auch Tolerierungs-Freiheit)

Hiermit ist zunächst einmal die Freiheit der Reaktion gegenüber dem unpersönlichen anderen (Reiz) gemeint - im Sinne einer "Abkoppelung der Reaktionsselektion von der unmittelbaren Reizsituation und Bedürfnislage".(133) Denn es werden "Reflexe und Instinkte in relativ starrer Weise durch spezifische Reflexe ausgelöst"(134). "Die Intuition des 'unter identischen Bedingungen anders handeln Könnens' wird dabei durch die Annahme ersetzt, dass willentliche Handlungen partiell unabhängig von der unmittelbaren Reiz- und Bedürfnissituation sind"(135). Es geht hier um "Verhalten ..., das nicht vollständig durch die unmittelbare Reizsituation determiniert ist, sondern in einem ... Sinn selbstdeterminiert ist."(136) Natürlich sind die "kognitiven Prozesse durch Reizinformationen, motivationale Zustände und Lernerfahrungen determiniert. Nichtsdestotrotz kann man davon sprechen, dass die Antizipationsfähigkeit eine immense Expansion der Freiheitsgrade des Verhaltens mit sich bringt, insofern die Verhaltensselektion nicht mehr ausschließlich durch die unmittelbare Reizsituation determiniert ist, sondern in komplexer Weise von inneren, repräsentationalen Zuständen (Überzeugungen, Bewertungen, Wünschen) abhängt. So können wir in der Tat auf ein und denselben Reiz in nahezu beliebiger Weise reagieren, je nachdem welche Ziele wir gerade verfolgen"(137).Es ist "die Fähigkeit zur Bedürfnisantizipation in Verbindung mit dem Erwerb von Selbstkontrollstrategien die Voraussetzung für eine weitere Stufe von Autonomie .., die darin besteht, dass das Verhalten nicht nur partiell unabhängig von der unmittelbaren äußeren Reizsituation ist, sondern darüber hinaus bis zu einem gewissen Grad auch unabhängig von ansonsten dominanten inneren Determinanten wie aktuellen Bedürfnissen, emotionalen Impulsen und starken Gewohnheiten"(138). "Die Freiheitsgrade, die sich aus der Fähigkeit zur anitzipativen Verhaltensselektion und Selbstdetermination ergeben, begründen insofern die einzige Form von Willensfreiheit, die wir wollen können"(139). Ganz allgemein gesprochen geht es auch darum, "die Anforderungen an den Begriff der Willensfreiheit so weit abzuschwächen, dass er vereinbar mit einem kausalem Determinismus wird"(140).

In Kap.1.6.1. wurde die Tolerierungs-Freiheit als ethische Forderung an das andere (z.B an den Staat (siehe Kap.2.4.4.2.1..)) betont, weil sich darin nach den dialektischen Grundsätzen die Rücksichtnahme des anderen gegenüber dem Ich zeigt. Hierbei ist an die Freiheit vom Zwang durch andere Subjekte gedacht. Es geht hier um die 3.Dimension der Freiheit (S.o.Kap. 1.6.2..), die Freiheit vom anderen, nämlich die Unabhängigkeit, Freiheit von ungewolltem Einwirken durch das andere auf das Ich, was nur über den Körper des Ichs (S.o. Kap. 1.1.2. und u. Kap 2.1.1.4..) möglich ist. Diese Freiheit ist nun auch für das Ich (das Subjekt) und sein Wesen sehr wichtig und damit zusammendenkbar, dass das Ich durch sein eigenes Vorgegebensein "determiniert" (S.o. Kap. 1.6.2.1..) ist: "Freiheit ... setzt voraus, dass die Handlung von den Überzeugungen, Wünschen und Bedürfnissen der Person abhängt. Dies ist natürlich nur der Fall, wenn die äußeren Umstände der Person mehrere Alternativen offen lassen. Die Person kann also mehrere Handlungen tun, doch vermutlich wird sie nur eine tun wollen"(141). Bei Abwesenheit dieser Freiheit sind "Handlungen .. allein durch externe Faktoren ... erzwungen"(142). "Eine mit dem Determinismus verträgliche Auffassung, die Willensfreiheit als natürliche Autonomie versteht, d.h. als eine .. Kompetenz des Handelns mit relativer Unabhängigkeit von .. äußeren ... Einflussfaktoren ..., ist .. möglich"(143). Es geht hier um die "Freiheit des Willensaktes, die sich in seiner Unabhängigkeit von den Impulsen aus der unmittelbaren Situation ausdrückt"(144).

Hier zeigt sich, dass das Ich wirklich als ein selbständiges Moment in der heiligen Dialektik ernstgenommen ist, bei aller Identität in der wichtigen notwendigen Differenz zum anderen steht. (S.o.Kap. 1.1.4.2..) Es geht hier um die 2.Voraussetzung für das Glücklichsein des Ich und um die notwendige, dialektische Differenz-Voraussetzung, um größtmögliche Harmonie (S.o. Kap.1.6.1..) und Identität zwischen Ich und anderem zu erreichen.

Ein sich gegen den Willen des (vorgegebenen) Ich aufdrängendes, dessen Freiheit verletztendes, das Ich bedrohendes anderes kann diese Harmonie nicht erreichen (ebensowenig wie ein sich gegen das andere egoistisch abschottendes Ich). "Freie Handlungen sind nämlich erstens keine erzwungenen Handlungen."(145) - In diesem Sinne kann man die Entscheidungs-Freiheit „Wahlfreiheit ('free choice') verstehen ..: "What we want to indicate by 'free choice' is decision made according to our own needs, aims, and standards ..., not made under duress to meet the need of others"(146), d.h. Abwesenheit vom äußeren Zwang („duress“) - "Selbstbestimmung schließt äußeren Zwang ebenso aus wie Zufall – das erste wäre Fremdbestimmung, das zweite pure Unbestimmtheit."(147)

1.6.3. Ethisch schlechtes Verhalten/Sünde

Nun sind Handlungsweisen denkbar, in denen das ich sich selbst im anderen entfaltet, aber dabei den Grundsatz der Bezogenheit auf das andere verletzt. Das liegt dann vor, wenn das Ich Gewalt oder Einengung gegen das andere ausübt, wie es das andere selbst nicht haben will. Das nennen wir dann Sünde. Zwar ist dann das Ich als wichtiger Aspekt im grundlegenden dialektischen Dreiklang mit seinen Vorprägungen beachtet, aber eben nicht das andere als ebenso wichtiger Aspekt im Dreiklang und damit eben auch nicht der Grundsatz der Rücksichtnahme, der Bezogenheit auf das andere.(148)

Vielleicht liegt der Grund solchen Verhaltens (Sünde) darin, dass dem Ich von den grundlegenden Wirkllichkeitsprinzipien seine unmittelbare Ich-Wirklichkeit näher steht als die allgemeinen ethischen Prinzipien der Wirklichkeit (die aber die gleiche Relevanz haben).





1.7. Die Königs- und Grunddisziplinen, die Basis-Wissenschaften (Vgl. Kap. 2.2.7..)

Als Resumee des Kapitels 1 können als Grund- und Königsdisziplinen benannt werden, die diesen Namen grundlegend verdienen, weil sie sich mit den sicheren Realitäten beschäftigen: Zuallererst die philosophische Erkenntnistheorie (1.1., 1.5.), weil sie uns Auskunft darüber gibt, wie das Bewusstsein und seine Aspekte zu beurteilen und einzuschätzen sind. Sie ist die Basis von allem anderen. Nach diesem Erkenntnis-Maßstab der sicheren Realität wurde eine philosophische Ontologie und Metaphysik (1.5.) entwickelt, wobei diese Begriffe wegen ihres unterschiedlichen Gebrauchs missverständlich sind.

Es stellte sich heraus, dass alle Wirklichkeit – auf der formalsten Erkenntnisebene dialektisch ist und damit trinitarisch. Insofern ist die trinitarische Theologie/Gotteslehre (1.5.) auch eine Königsdisziplin.

Hierher gehören auch Teile der Psychologie, nämlich der Individual-Psychologie, insofern sie sich mit den reinen Bewusstseins-Inhalten des Ich beschäftigt (149). (1.1.1.) (Z.B., dass ein stark von Traurigkeit geprägtes Ich zu Selbstaggressionen und Selbstvernichtungswünschen neigt; dass aus kombinierten allgemeinen Angst- und Hassgefühlen gegenüber dem anderen Aggressionen gegenüber dem anderen entstehen können.)

Ebenso gehört die Logik und Mathematik hierher, da sie ein vom anderen, von der Empirie unabhängige Methode des Ich ist. (1.3..). Sie ist den reinen Bewusstseinsinhalten zuzurechnen. Im Blick auf das andere, die Empirie allerdings enthält sie keine hohe Sicherheit, weil z.B. die mathematische Struktur der Physik nur auf unsicheren Induktionsschlüssen (S.u. Kap. 2.1.2., Natur-“Gesetze“) beruht.

Schließlich entspricht dieser Wirklichkeitsanalyse im Verhaltensbereich die Fundamental-Ethik (1.6.) der Rücksichtnahme (später analog zur Nächstenliebe) als höchster ethischer Ausdruck eines dialektischen Verhaltens.

Die Beschäftigung mit diesen Basis-Bereichen sollte gegenüber den unsicheren Bereichen des Kapitels 2 im Vordergrund stehen. Sie sollte weit größere Bedeutung haben als die Beschäftigung z.B. mit Literatur, Belletristik, Dichtung, die abgesehen von vielleicht wenigen realen Aussagen, die man auf weniger als einer Seite unterbringen würde, der Phantasie (S.u. Kap. 2.1.3.3..), der Fiktion zuzuordnen ist und damit die absolute Unsicherheit und mangelnde Realität enthält.
Im Rahmen der sich unter Kapitel 2 stellenden Frage nach Gewichtung der Fächer in einer Schule, sollte auf jeden Fall die Beschäftigung mit Literatur in Mutter- oder Fremdsprache stark reduziert werden (zugunsten der hier genannten Basis-Fächer) und auf jeden Fall das jeweilige muttersprachliche Fach in den einzelnen Ländern reduziert werden.

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2. Unsichere, zweifelhafte Wirklichkeit: Die axiomatische Setzung der Vielfalt des anderen, der Differenziertheit der Wirklichkeit

In diesem Kapitel wird ein großer Sprung unternommen: Wir verlassen die erste sichere Basis von Ich, anderem und dem Bewusstsein und allem, was daraus gefolgert wurde.. Wir verlassen diese - nach dem Hauptkriterium der Sicherheit - höchste Realität von Kapitel 1. Wir gehen nicht nur von anderem an sich und vom Bewusstseinsstrom aus, sondern von der Existenz der mit mangelnder Sicherheit(160) und Dauer(161) versehenen, konkreten, vielfältigen Bewusstseinsinhalte (162), von der Differenziertheit des anderen, von den einzelnen Phänomenen, mit denen dem Ich das andere erscheint, z.B., dass es Sterne, Flüsse, Tiere, Wald, Pflanzen , Häuser, den Tisch (163) usw.. gibt. Wir behandeln nun den Bereich, der unter 1.1. abgelehnt wurde, weil er keine sichere Basis bietet.

Warum beziehen wir nun die konkreten Bewusstseinsinhalte, deren Realität so unsicher ist, in unsere Wirklichkeitsbeschreibung mit ein? Es gibt keinen rational-erkenntnistheoretisch zwingenden Grund, sondern nur Gründe der (auf freier Entscheidung und axiomatischer Setzung beruhenden) rationalen Bequemlichkeit und Zweckmäßigkeit, da die differenzierte, endliche Wirklichkeit doch beständig in unserem Bewusstsein agiert und manche Teile davon auch in einer gewissen Beständigkeit.

Bei allen folgenden Überlegungen müssen wir uns den immer vorhandenen Horizont klarmachen, dass es sich um keine sicheren Bewusstseinsinhalte handelt und – damit zusammenhängend, dass es sich eben (nur) um Phänomene des Bewusstseins (im Sinne des Dings in der Erscheinung) handelt.

Es geht nun darum, wieviel wir über die Bewusstseinsinhalte sagen können und wollen und mit welchem Gewissheitsgrad.






2.1. Der Grad der Kritik und der Grad der Evidenz der Differenziertheit der Wirklichkeit (Erkenntnistheorie, Stufe 2) (Vgl. Kap. 1.1.2. und 1.5.3..)

Wir nehmen die Unsicherheit der Inhalte unseres Bewusstseins unterschiedlich stark wahr. So wird z.B. eine Phantasie oder eine Fata Morgana relativ eindeutig und relativ schnell als nicht wahr empfunden, während die Dinge in der Erscheinung (z.B. ein Tisch) gar nicht oder nur nach längerem Nachdenken als Erscheinung erkannt werden. Warum?
Das hängt vor allem von der Dauer der Beständigkeit des Eindrucks ab. Wenn also ein Bruch recht schnell deutlich wird, wie z.B. bei einer Fata Morgana, dann erscheint uns dieser Eindruck als unsicherer als der eines Tischs (in der Erscheinung). Hier wird nun das schon erwähnte Nebenkriterium der Dauer (164), der zeitlichen Dimension wichtig.

In Kapitel 2.1. werden also die – mit gleicher geringer Realität versehenen, differenziert-endlichen - Bewusstseinsinhalte so behandelt, dass wir - gemäß dem Nebenkriterium - mit denen beginnen, die durch die Beständigkeit des Eindrucks als die sichereren erscheinen (Kap. 2.1.1.), und zu den Eindrücken gehen, die sich am unbeständigsten zeigen (Kap. 2.1.3.3.).

Es stellt sich im Laufe der folgenden Gedanken die Frage, ob - für manche Menschen - etwas durch das Nebenkriterium einer hohen Beständigkeit ein anderes, das durch das Hauptkriterium der sicheren Existenz eigentlich eine höhere Realität hat, doch im Grad der Realität überbieten kann; z.B. ob ein kurzes Glücksgefühl, das als ein reines Ichgefühl eigentlich höchste Realität (165) hat, gegenüber dem Tisch, der mir über sehr lange Zeit als „Ding in der Erscheinung“ im Bewusstsein ist, doch geringere Realität als der Tisch für mich hat. Diese Frage ist grenzwertig und nicht mehr nach logisch-wissenschaftlichen Kriterien zu beantworten. Sie hängt von der Struktur des Ichs ab. Für beides sprechen Argumente, natürlich nur, wenn die Unsicherheit des „Tisches in der Erscheinung“ gegenüber einem naiven Bewusstsein erkannt wurde.

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2.1.1. Primärer Skeptizismus: Kants Erkenntniskritik gegenüber der Annahme (vom Ich) unabhängiger endlicher Dinge im Bewusstsein (Kritik durch das Hauptkriterium der Sicherheit)

2.1.1.1. Grundlegende Überlegungen

Kants Kritik hatte gezeigt, dass wir über die (Sicherheit der) Existenz von Dingen (des anderen) außerhalb von unserem Bewusstsein (Ding an sich) nichts sagen können, sondern dass wir die Dinge (das andere) nur in unserem Bewusstsein haben (Ding in der Erscheinung). (166) Das wird auch von naturwissenschaftlicher Seite bestätigt: "Die Gehirne der Lebewesen bilden die Außenwelt nicht einfach ab, sondern schaffen eine Wahrnehmungswelt."(167)

Darauf aufbauend, könnte man nun so weit gehen und behaupten, unsere Wahrnehmung sei eine totale Fehl-Wahrnehmung, die Dinge in der Erscheinung stünden in keinem Zusammenhang mit den Dingen an sich (bis auf die Tatsache, dass sie vom Ding an sich erzeugt werden). Die Differenziertheit des anderen sei ganz anders. Es bleibt dann (wie in Kapitel 1.1.2. entwickelt wurde und hier entfaltet wird) nur die allgemeine Realität des anderem, das vom Ich nicht erzeugt wurde und unabhängig vom Willen des Ich erscheint (168).
Man kann aber auch vermuten, dass das Ding an sich in einer etwas engeren Beziehung zum Ding in der Erscheinung stehgt, z.B. einer proportionalen, ähnlichen, analogen.

Auf jeden Fall können endliche Dinge, deren Auswirkungen wir in unserem Bewusstsein spüren, uns für immer verborgen bleiben, weil wir eben selber endlich und begrenzt sind. Das ist anders beim Unendlichen, das nicht mehr das Unendliche wäre, wenn es prinzipiell gegen uns abgegrenzt und getrennt wäre. Als Unendliches muss es seine Wahrheit auch in unserem Bewusstsein erweisen. (S.o. Kap. 1.5.2.2. und auch 1.5.1..)

2.1.1.2. Welterkenntnis und Naturwissenschaft, beschränkt nach Kantscher Erkenntniskritik

Viele machen sich nicht klar, wie sehr die Kantsche Kritik die (Sicherheit der) naturwissenschaftlichen und auch der empirisch-geisteswissenschaftlichen (z.B. Soziologie, Politologie) Erkenntnisse vor aller Einzelerfahrung und Messung in Frage stellt und relativiert, die wir für selbstverständlich nehmen - auch die Ergebnisse der Hirnforschung, die teilweise unser Ich mechanisieren wollen (169). Die Messergebnisse, das Gemessene für die ganze Wirklichkeit zu nehmen, das ist so, als ob man meint, Benzin, und zwar nur eine bestimmte Sorte, wäre ohne Auto und ohne Fahrer ausreichend für den Fahrvorgang (170).

So fordert Tent gerade bei der Frage, ob das Bewusstsein hinreichend durch die Darlegung von Hirnfunktionen beschrieben ist,: "dass die Natur nicht als 'letzter Erklärungsgrund der Kulturleistungen' gelten kann, sondern dass Kulturleistungen 'als Bedingung der Möglichkeit von Naturwissenschaften' anerkannt werden"(171).

2.1.1.3. Sprache als weitere transzendentale, einschränkende Voraussetzung bei der Erkenntnis der Differenziertheit der Welt

Das transzendentale Erkenntnisvermögen bestimmt als 1.Basis die Dinge (in der Erscheinung) in unserem Bewusstsein. Zu diesem transzendentalen Erkenntnisvermögen gehört unsere Sprache, auch wenn sie noch weitere Funktionen und Möglichkeiten hat.

Der späte Wittgenstein vertrat die Ansicht, dass durch Sprache und Worte, genauer gesagt durch ein jeweiliges Sprachspiel und eine jeweilige Lebenswelt erst die Dinge konstituiert werden (Dinge in der Erscheinung der Sprache) (und bei der Annahme unterschiedlicher Sprachspiele in diesen eine unterschiedliche Bedeutung haben) und so auch deshalb die endlichen Dinge nicht objektiv-sicher unabhängig (von der Sprache des Ich) existieren. Diese Relativität bezieht sich auf die konkrete, endliche Bestimmung der endlichen Dinge.
(Das andere an sich als objektive, vom Ich unterschiedene Realität (und als objektiv-wahres Substrat der endlich-unsicheren Differenziertheit des anderen) und der dialektische Übergang vom Ich zum andereren durch das Bewusstsein werden als objektive Wahrheit (siehe Kapitel 1) dadurch aber nicht in Frage gestellt und sind als Wahrheit in allen nur möglichen Sprachspielen gültig. Es bleibt auch Hegels dialektische Erkenntnis gültig, dass ich etwas nur dann als subjektiv-relativ erkennen kann, wenn ich um das Objektive, Wahre weiß, von dem her das Subjektiv-Relative erst zu einem Relativen wird. Und selbst 2 angenommene unterschiedliche Sprachspiele können in all ihren Missverständnissen nicht nur unterschiedlich sein, sondern zumindest die Unterscheidung ist andererseits eine sehr bestimmte, objektive Realität des Bezogenseins. Auch muss zumindest die Behauptung selbst, dass man sich in Sprachspielen bewegt, Objektivität in Anspruch nehmen und kann nicht ein Sprachspiel selbst sein. Ansonsten wäre sie relativ und damit würde die Sprachspieltheorie in sich zusammenbrechen.)

2.1.1.4. Konstruktiv-positiver Umgang mit der unsicheren Erkenntnislage: Phänomenologisch-subjektives Reden von den Dingen in der Erscheinung (vgl. Husserl)

Auch wenn die geringe Realität der Dinge in der Erscheinung erkannt wurde, so sind sie nicht einfach nichts und agieren doch oft in unserem Bewussstsein. Deshalb ist es zweckmäßig, sich mit ihnen zu beschäftigen. Statt objektiver, vom Bewusstsein unabhängiger Dinge (wie das naive Bewusstsein sie ansieht) sind sie eben Erscheinungen, Phänomene des Bewusstseins: "daß das, was mir .. als 'die' Welt, als die für mich seiende und geltende vor Augen stand, zum bloßen 'Phänomen' geworden ist, und zwar hinsichtlich aller ihr zugehörigen Bestimmungen. Sie alle und die Welt selbst haben sich in meine ideae verwandelt". (172) Der Baum wird nun das "Baumwahrgenommene"(173). Auch von naturwissenschaftlicher Seite wird dies - auf der Stufe des tertiären Skeptizismus (S.u. Kap. 2.1.3..) - bestätigt: "Der Sehvorgang ist keine Abbildung der Außenwelt, sondern ein Konstrukt des Gehirns auf der Grundlage der eintreffenden Informationen."(174) Aber als Phänomene - d.h. ohne jede objektive Sicherheit und ohne jeden objektiven Beständigkeitsanspruch - sind sie real und eine Wirklichkeit.

Nun könnte ein kritischer Praktiker und lebensphilosophisch eingestellter Mensch hier stark einwenden, dass nach vielen Seiten und Gedankenmühen man letztlich zu einer Lebens-Einstellung gelangt, die mit dem „naiven Bewussstsein“ ziemlich identisch ist. Wozu also all die Gedankenanstrengung, die man spätestens jetzt wie ein überflüssiges Teil abstoßen sollte? Nein, wir sind jetzt für unser Leben und sein Verständnis erheblich weiter als beim „naiven Bewusstsein“, was alle Mühe lohnt.

Der erste entscheidende Fortschritt ist die transzendentale Sicht, dass wir das andere, die endlichen Dingen in der Erscheinung nur phänomenologisch sehen sollten, d.h. immer mit einem (subjektiven und durch das Bewusstsein hergestellten) Bezug auf das Ich. Das heißt: Das Ich, die transzendentale Subjektivität, das Bewusstsein (und damit auch die Wirklichkeit des absoluten, nichtmateriellen Gottes (S.o.Kap. 1.5.2.4. u.Kap. 2.3..)) erhalten in unserem Leben und Lebensgefühl ein viel stärkeres Gewicht (S.u.Kap. 2.1.4..) als die endlichen Dinge, die Materie, die nur Phänomene sind (S.o. Kap. 1.5.3., besonders Anm. 59). Damit hat sich der Materialismus ein weiteres Mal als falsch erwiesen. Diese Überlegungen sollen den Menschen helfen, sich nicht so sehr auf das Materielle zu konzentrieren, sondern auf das Immaterielle/Geistige/Geistliche.
Auch in der Ethik (S.u. Kap. 2.4.5.1..) ergibt sich die praktische Folge, dass das Materielle nie höchster Maßstab und letztes Ziel des Handelns sein soll.

Einzelne Phänomene

- Ein Beispiel für phänomenologisch-subjektive Beschreibungen: Schnee ist das, was in mir den Eindruck, die Phänomene weiß, kalt und nass auslöst (und natürlich weitere Eindrücke) – über den Schnee an sich unabhängig von seinen Eindrücken in mir kann ich nichts aussagen.

Das andere

- Die Phänomene an sich können keine reine Produktion des Ich sein, denn eine ihrer Eigenschaften ist manchmal, dass sie gegen den Willen des Ich stehen und für das Ich unangenehm sind (S.o.Kap.1.1.2. Das andere), z.B. Krankheit, Schmerzen, Unfreundlichkeiten anderer Menschen ...
Die Unterscheidung von Ich und anderem wird auch als "Selbst-Fremd-Unterscheidung" bezeichnet. Psychohistorisch könnte folgender "Vergleichsmachanismus .. der Ausbildung einer ursprünglichen Selbst-Fremd-Unterscheidung in der Ontogenese"(175) (der Menschheitsentwicklung) (S.u. in diesem Kapitel den Stichpunkt "Zeit-Kindheit".) zu Grunde liegen: "Ob ein unmittelbar vor einer Handlung antizipierter Effekt mit einem nach der Handlung eintretenden Ereignis übereinstimmt oder nicht, dürfte in den meisten Fällen ein durchaus valider Indikator dafür sein, ob das Ereignis durch mich bzw. meine Handlung oder durch ertwas anderes verursacht wurde."(176)

Person (Ich)
- Etwas, das auf andere sehr genau eingeht und sich zum anderen hin überschreitet (177) und damit sich (Ich-/Selbstbewusstsein) und den/das andere sehr gut und differenziert versteht.

Körper
- Der eigene biologische Körper ist phänomenologisch definiert als das einzige Phänomen, durch das das Ich (durch das Teilphänomen der Sinnesorgane) das andere/die Außenwelt wahrnimmt. Es handelt sich um das rezeptiv-passive Phänomen der Beziehung vom Ich zum anderen über den Körper: sehen (duch das Phänomen der Photonen, die aufgenommen werden), hören, tasten/fühlen, schmecken, riechen. Im Vergleich der Sinnesorgane ist dabei festzustellen, dass "unsere ganze Wahrnehmungswelt optisch-räumlich dominiert"(178) ist.

Umgekehrt ist der eigene Körper auch das einzige Phänomen in der Außenwelt, das meinem Willen/Ich direkt folgt und das ich in manchen Aspekten (z.B. Phänomen Hand, Stimmbänder) brauche, um auf die weitere Außenwelt einzuwirken (aktiv-gestaltend), auch auf die Sinne anderer einzuwirken (s.u. andere Personen neben mir): sich bewegen (in das Sichtfeld eines anderen kommen), berühren/anfassen, sprechen/Geräuscher erzeugen, füttern, Gerüche erzeugen.

Das Auge als passives Sinnesorgan ist phänomenologisch das einzige, das gleichzeitig aktiv ist, sich nämlich gleichzeitig aktiv als Objekt sehen lassen. Aktiv und passiv ist es, wenn sich das Auge im Spiegel betrachtet. "Das Auge ist .. Bedingung der Möglichkeit des Gesichtsfeldes, ohne selbst im Gesichtsfeld vorzukommen. Aber ... das im Spiegel betrachtete Auge sieht nicht und hat kein Gesichtsfeld."(179)

Dass das andere keine Einbildung/Produktion des Ich ist, sondern vom Ich unterschieden und dem Ich fremd ist (S.o.Kap. 1.1.2..), wird gerade über das Phänomen des Körpers deutlich, der von außen/vom anderen dem Ich unerwünschte Sinneseindrücke vermittelt (z.B. Schmerzen). Es wird auch dadurch deutlich, dass z.B. Änderungen am Körper (z.B. konkret durch das Phänomen der Verletzung, schweren Erkrankung, z.B. Corona) die Funktionsfähigkeit des Bewusstseins beeinflusssen, z.B. bis hin zu Bewusstlosigkeit.

So ist der Körper phänomenologisch das Zwischending zwischen Ich und anderem. (S.o. Kap. 1.1.2..)

Dabei gehört der Körper grundsätzlich zum anderen. Das andere ist phänomenologisch definiert als alles, was nicht das Subjekt des Bewusstseins (Ich) ist bzw, was nicht rein vom Ich-Subjekt produziert ist (was nicht reine Ich-Bewusstseinsinhalte sind) und was sich von diesem Ich-Subjekt unterscheidet. (S.o. Kap. 1..1.1. und 1.1.2..).
So trägt das andere in seiner endlichen Differenziertheit eben auch die Begleitphänomene der Unsicherheit und Unbeständigkeit in sich. (S.o. Kap. 1.2..)

Licht
- Licht ist definiert als das Phänomen, durch das die Seh-Empfindungen ermöglichtt werden und das mit steignder Intensität die Seh-Eindrücke vermehrt.

Andere Personen
- Da ich weitere Körperphänomene feststelle, die zum einen meinem Körper ähnlich sind, zum anderen aber von meinem Willen nicht direkt beeinflusst werden können und von meinem Körper räumlich getrennt sind, aber doch auf meine Körperäußerungen (Sprache, Bewegung) persönlich eingehen und zwar so, dass es erscheint, dass dieser andere Körper sich und andere bewusst versteht, stelle ich im anderen eine Strukturanalogie zu meiner Person fest, und es ergibt sich das Phänomen anderer Personen/Menschen neben mir. (S.u. Kap. 2.1.1.5..)
Fremde menschliche (biologische) Körper sind phänomenologisch definiert durch ein volles persönliches Eingehen auf den eigenen Körper (in dem sich das Ich materiell äußert) – im Unterschied zum Phänomen "Puppe" oder "lebendiger Tierkörper".

Tod und Sterblichkeit des Menschen
Wir beobachten wir das Phänomen in unserer Umgebung, dass wir das Ich des anderen mit seiner Kommunikationsfähigkeit nicht (nie) mehr erleben und seinen Körper plötzlich wie unbelebte, schnell zerfallende Materie erleben. So können wir eine gravierendere Unterbrechung oder Zerstörung des Ich-Bewusstseins nicht ausschließen oder nehmen dies an (Sterlichkeit des Mensch). Das (eigene) Ich (mit vorhandenem (lebendem) Bewusstsein kann aber mangels eigener Erfahrung dies nicht sicher wissen. (S.o. Kap. 1.5.2.5..)

(Analog dazu stellen wir auch bei anderen Lebewesen das Phänomen fest, dass körperliche Materie, die mehr oder weniger auf anderes eingehen konnte, dies dauerhaft nicht mehr tut und relativ schnell zerfällt.)

Zeit
Es gibt Bewusstseinsinhalte, mit denen es denkbar wäre, Tast- (und Seh-Erfahrungen) zu machen, gerade aber nicht möglich ist.

- Vergangenheit: Sind diese Tast-Erfahrungen nur ein theoretischer Gedanke, der praktisch nicht zu verwirklichen ist, dann haben wir eine notwendige, aber nicht hinreichende (dazu würde noch der Bewusstseinshhalt der glaubwürdig scheinenden Berichte anderer gehören) für die Vergangenheit. Manchmal machen wir aktuell Seh-Erfahrungen, Tasterfahrungen sind aber unmöglich, weil das Gesehene schon in der Vergangenheit liegt (untergegangene, am Himmel leuchtende Sterne).

- Zukunft: Können diese Tast-Erfahrungen prinzipiell denkbar verwirklicht werden, dann ist dieser Ermöglichungsraum der noch ausstehenden Tasterfahrungen eine notwendige und wichtige Beschreibung des Phänomens „Zukunft“. Umgekehrt ist der Ermöglichungsraum vollständig, also hinreichend mit dem Phänomen „Zukunft“ beschrieben, weil er eine Teilmenge von ihm ist.

- Kindheit: Das Bewusstsein, bald auch das Ich-,Selbst-Bewusstsein entwickelt sich allmählich aus einem Wesen, das man als vorgegeben, gesetzt erlebt. Dieses Phänomen des Sich-Bewusstwerdens des Ich ist ein notwendiger und wichtiger Teil der Kindheit, umgekehrt ist das Phänomen „Kindheit“ eine hinreichende Beschreibung für das Phänomen des Sich-Bewusstwerdens. (S.o. Kap. 1.1.4.1. und Kap. 1.5.1..)

- Das Phänomen Zeit wird von unterschiedlichen Personen und in unterschiedlichen Bereichen unterschiedlich wahrgenommen. Wenn sie sich mit hoher, annähernder Lichtgeschwindigkeit zueinander bewegen, verläuft die Zeit unterschiedlich schnell (S.u. Kap. 2.1.3.1..). Es gibt also keine intersubjektive Übereinstimmung.

Raum
Sind diese Tasterfahrungen prinzipiell praktisch zu verwirklichen, dann beschreibt das Wort Entfernung (im Raum) die gegenwärtige Unmöglichkeit. Das Maß der Entfernung (z.B. in km) gibt den Aufwand und die Wahrscheinlichkeit an, diese Tasterfahrungen auch wirklich machen zu können. Sichterfahrungen sind manchmal schon gegenwärtig möglich, obwohl eine extrem geringe Wahrscheinlichkeit der Tasterfahrung gegeben ist (wegen weiter Entfernung).

Die extrem weite Entfernung eines Sterns bedeutet: Ich habe von ihm zwar das optische Phänomen in meinem Bewusstsein, werde aber nie das Phänomen des Tastens, Berührens haben. Insofern wird die angeblich faszinierende und ehrwürdige Weite des Weltalls, des Alls der Materie entzaubert als Bewusstseinsphänomen des Sehens und Nie-Tasten-Könnens.



Eine die Subjektivität einbeziehende, phänomenologische Sprache erklärt oft die unterschiedliche Bedeutung und Wichtigkeit verschiedener Lebensbereiche für uns. Es muss auch sprachlich deutlich werden, dass diejenigen Phänomene (z.B. ein geliebter Mensch), die Ichgefühle (z.B. Liebe) auslösen, die immer als solche eine hohe Realität (180) haben (wenn auch nicht dauerhaft (Nebenkriterium)), eine höhere Realität haben als scheinbar imposante Phänomene ohne Ichgefühle, z.B. der Sternenhimmel und die „Größe“ des Universums. (Nur bei einem Sternfetischisten sähe es anders aus.) Die Größe des Universums ist nicht objektiv gegeben, sondern nur vom Bewusstsein zuvor konstituiert. Also sollte man sich zuerst mit dem Wesen des Bewusstseins befassen, bevor man sich mit den Sternen (oder anderen Naturphänomenen) befasst. Und man sollte auch einen größeren Schwerpunkt auf die Phänomene legen, die Ichgefühle auslösen und damit eine hohe Realität haben.

Bei all diesen Überlegungen bleibt als radikale, begrenzende Kritik an den Phänomenen bestehen, dass das (notwendig anzunehmende,) sie auslösende, von uns unabhängige Ding an sich für uns nicht unmittelbar erkennbar ist, im Extremfall in keinem bestimmten Zusammenhang mit den Phänomenen steht und damit die Realität der Welt der Phänomene begrenzt.

Für die Behandlung der Phänomene von sachlichen Dingen in der Erscheinung ist die Frage nicht so erheblich, ob sie in fast keiner Beziehung zum Ding an sich oder in einer analogen oder proportionalen Beziehung stehen.

2.1.1.5. Annahme, dass die Phänomene weiterer Personen auch objektiv real sind (1.Setzung)

Aber beim Phänomen von Personen, anderen Menschen ist es doch sehr erheblich, und hier stellt sich die Frage eines weiteren Schrittes: nänlich nicht nur das Phänomen einer anderen Person als subjektiv konstituiertes Phänomen zu sehen, sondern hinter dem Phänomen auch eine Person mit objektiver Realität anzunehmen (zu setzen), die in irgendeiner Analogie zu meinem Personsein/Ich steht. (S.o. Kap. 2.1.1.4 und Kap. 2.2.5.) (Ansonsten könnte man alle personal erlebten Phänomene als zufällig personale Wirkungen eines unpersönlichen Dings an sich beschreiben.) Das ist Voraussetzung auch für alle folgenden ethischen Folgerungen (vgl. das ganze Kapitel 2.4..).

Bei dieser Annahme der Existenz weiterer endlicher Personen neben meinem Ich handelt es sich um die 1.Setzung dieses Gedankengangs (und nicht um eine selbstverständliche, objektive Tatsache, wie das naive Bewusstsein meint).

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2.1.2. Sekundärer Skeptzismus durch das Nebenkriterium der Dauer und Annahme der Kontinuität der Bewusstseinsinhalte (2.Setzung) (vgl. Hume)

Neben den endlichen Bewusstseins-Phänomenen, die als Phänomene eine Wirklichkeit sind und mit denen man sich aus zweckmäßigen Gründen beschäftigen sollte, erlebt man manchmal zusätzlich deren lang anhaltende Kontinuität, die aber keinen logisch zwingenden Grund in sich hat. Und auch wenn z.B. ein Baum oder ein Tisch oder eine kausale Naturgesetzfolge millionenfach beobachtet wurde, gibt es (- anders als das naive Bewusstsein meint -) keinen rational-zwingenden Grund, dass dies beim einemillionundersten Mal noch vorhanden ist (181). "Naturgesetze sind das Resultat von Induktionsschlüssen, die bekanntlich logisch invalide sind."(182) Dies erkannte auch schon David Hume: "That the sun will not rise tomorrow is no less intelligible a proposition and implies no more contradiction than the affirmation, that it will rise."(183) - "Is there any more intelligible proposition than to affirm, that all the trees will flourish in December and January, and decay in May and June?"(184) "it implies no contradiction, that the course of nature may change"(185). "Let the course of things be allowed hitherto ever so regular; that alone ... proves not that, for the future, it will continue so."(186)

So Hume konnte nicht mehr als eine Erwartung aus Gewohnheit (custom), einen Glauben (to believe) im Sinne einer Vermutung auf Grund von erlebten Tatsachensequenzen feststellen: "if flame or snow be presented anew to the senses, the mind is carried by custom to expect heat or cold, and to believe that such a quality does exist"(187). "Eigentlich stellt unsere Wahrnehmungswelt ja lediglich eine Ansammlung von Hypothesen unseres Ichs über die Umwelt dar"(188). Es kann "die Behauptung der strengen Naturgesetzlichkeit ... nicht empirisch oder naturgesetzlich begründet werden"(189). "Jeder Geltungsanspruch, der von ihm geäußert wird, übersteigt die Grenzen seiner naturalistischeen Position."(190) Es ist "das Kausalprinzip selbst ... keine naturwissenschaftliche, empirisch überpürfbare Aussage .., sondern wiederum eine philosophisch-metaphysische These."(191) Es ist also "das Kausalgesetz "Gleiche Ursachen haben gleiche Wirkungen" logisch nicht zu begründen"(192). Lediglich "lassen sie sich durch ihre empirische Bewährung rechtfertigen."(193)

Diese gewohnheitsmäßige Erwartung/Vermutung ist ein Ausdruck rationaler Bequemlichkeit:
Option 1: Mit der Einbeziehung dieser relativ kontinuierlichen Bewusstseinsinhalte ließ sich ganz gut zwischen Ich und anderem agieren, also ganz gut leben. Wenn es weiter so funktioniert, dann ist die Veränderungsmühe gleich „0“, denn es braucht nichts verändert zu werden. Wenn aber diese Differenziertheit des Endlichen eine Täuschung war und sich etwas Neues entwickelt, dann muss ich mein Ich zum Neuen hin verändern, dann habe ich die Veränderungsmühe „1“.

Option 2: Ändere ich aber nach Vermutung schon vorher etwas, dann ändert sich vielleicht - im besten Fall – das andere genauso, und ich habe den Veränderungswert „1“. In allen anderen Fällen muss ich mich noch ein 2.Mal ändern und erreiche den Änderungswert „2“.

Option 1 ist bequemer und angenehmer mit dem Veränderungsumfang "0 oder "1" gegenüber Option 2 mit dem Veränderungsumfang "1" oder "2".

Anders als bei den Phänomenen selbst, die als (subjektive) Phänomene eine hohe Sicherheit haben (als objektive Realitäten eine sehr geringe Sicherheit), steht deren Beständigkeit und Dauerhaftigkeit (in der Zukunft) auf sehr unsicheren Beinen. Als reine unbewiesene Erwartung/Vermutung handelt es sich hier um die 2.Setzung.

Diese Bequemlichkeitsüberlegung als „Lebensstrategie“, mit der Unsicherheit der differenzierten Welt umzugehen, wird uns hier in Kapitel 2 immer wieder begleiten.(194)

In einem Zwischenergebnis haben wir auf dieser unsicheren Ebene des Kapitels 2:
- die Phänomene als Phänomene;
- die Annahme/Setzung der objektiv-realen Existenz weiterer Personen außer meinem Ich;
- - die Annahme/Setzung der zukünftigen Fortsetzung der beobachteten Beständigkeit der Phänomene.





2.1.3. Tertiärer Skeptizismus: Die (die Erkenntnis-Sicherheit) relativierenden Brüche selbst innerhalb der Erfahrungswelt einer angenommenen differenzierten Wirklichkeit

Die auf der Ebene der allgemeinen, transzendentalen Erkenntniskritik dargelegte Realitätskritik der Dinge in der Erscheinung (Kapitel 1.1.2. und 2.1.1.) kann nun innerhalb der Dinge der Erscheinung selbst gezeigt werden, insofern Dinge in der Erscheinung (z.B. ein Elektron, die Länge oder Farbe eines Balkens) bei verschiedenen Wahrnehmungen oder Messungen unterschiedliche Ergebnisse (Phänomene) erzeugen.

Phänomenologisch beschreibt man diese Realitätskritik auf unterschiedlichen Ebenen folgendermaßen:
- Zum einen erkennt das sichere Ich die Unsicherheit der konkreten Erscheinungen des anderen/der Dinge.
- Zum anderen sind die "die Berichts-Phänomene über die Wahrnehmungs-Phänomene (der Dinge)" von den als real gesetzten "Phänomenen der Existenz anderer Personen" unterschiedlich und damit ein relativierender Bruch, der analog zum vorherigen Satz steht.

Auf jeden Fall zeigt sich auf dieser weiteren, untergeordneten Ebene noch einmal, dass die „Dinge“ nicht als objektive Dinge als solche existieren, sondern mitkonstituiert sind durch das Ich, unser Erkenntnisvermögen und -verhalten und deshalb Dinge in der Erscheinung sind.

2.1.3.1. Relativierung der modernen Naturwissenschaft auch innerhalb der Erfahrungswelt

"Seit den Beobachtungen, die zur Formulierung der Quantenphysik geführt haben, wissen wir, dass der Determinismus auf mikroskopischer Ebene nicht gilt, und seit der Chaostheorie wissen wir, dass er deshalb auch auf mittlerer und globaler makroskopischer Ebene nicht haltbar ist."(195) -

"Heisenbergs Unschärferelation hatte zur Pointe, daß sogar im gleichen Bezugssystem definierte Größen nicht gleichzeitig restlos genau bestimmt werden können."(196)

Das "Bild des Quantenphysikers. .. wie die Unbestimmtheit der nicht-lokal verschränkten Teilchen druch die klassische Messung verschwindet"(197) - "Doppelspaltexperiment .. Bevor an dem Photon eine Messung durchgeführt wird, befindet es sich in einem Zustand, der es erlaubt, das Photon potenziell an vielen verschiedenen Stellen auf dem Schirm zu finden. Durch die Messung kann man dagegen sagen, dass sich das Photon an einem bestimmten Ort befunden hat. Der Zustand des Photons wurde demnach durch die Messung verändert."(198) (Welle-Korpuskel (Teilchen)-Dualismus) Das gehto weit, dass das Photon, das zuvor als Welle ein gestreutes Bild auf dem Bildschirm abgegeben hätte, in dem Moment in dem es an einem bestimmten Ort gemessen wird, also als Teilchen behandelt wird, dann auch Teilcheneigenschaften annimmt, und zwar durch den Messenden: "Wenn wir das Photon danach auf einem der beiden Wege beobachten, bringen wir die Welle durch unsere Entscheidung ... zum Zusammenbruch"(199), so "daß wir entscheiden, welches Ergebnis zustande kommt"(200). So müssen "wir die Idee aufgeben, daß es eine festgefügte und unabhängige materielle Welt gibt, die auch dann existiert, wenn wir sie nicht beobachten"(201)

Auch im makroskopischen Bereich zeigt sich die Subjektivität und Relativität der Bewusstseinsinhalte . Denn es hatte "Einsteins Spezielle Relativitätstheorie .. zu der Einsicht geführt, daß es keinen praktikablen Begriff des Ganzen gibt, weil kein Bezugssystem ausgezeichnet ist. Es gibt vielmehr nur Relationen eigenständiger und eigenzeitiger Systeme."(214) Zum Beispiel gibt es kein objektives Bezugssystem für Zeit: Für Systeme und Personen, die sich mit hoher, annähernder Lichtgeschwindigkeit von- oder zueinander bewegen, läuft die Zeit unterschiedlich schnell ab (S.o. Kap. 2.1.1.2..), was auch experimentell nachgewiesen wurde. Denn es sind "auch Längen- und Zeitmaße relativ, d.h. vom Bewegungszustand des Beobachters abhängig"(215), so dass die "Umrechnung der Meßergebnisse eines bestimmten Beobachters in die entsprechenden anderen Meßergebnisse eines relativ zu ihm geradlinig gleichförmig bewegten Beobachters"(216) erforderlich ist.

Relativ ist also,
- die Frage, ob ein Phänomen Welle oder Teilchen ist (Heisenbergsche Unschärfebeziehung),
- Zeit, Geschwindigkeit, Streckenlänge (Einsteins Spezielle Relativitätslehre),
- die Struktur, Krümmung und Ausdehnung des Raumes (abhängig von Masse (Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie).

Zusätzlich zu Kants grundsätzlicher Aussage über die Bedingtheit der Bewusstseinsinhalte des anderen durch die transzendentale Subjektivität, stellen wir hier an einzelnen Phänomenen die Bedingtheit des Bewusstseinsinhalts durch unser Subjekt fest. Das wird deshalb am bestimmten, einzelnen Endlichen (Teilchen-Erkenntnis auf Kosten der Welle-Erkenntnis) deutlich, weil wir in ähnlichen, vergleichbaren Fällen andere Erkenntnisse (Welle-Erkenntnis auf Kosten der Teilchen-Erkenntnis) gewonnen haben, die reziprok die ersten Erkenntniss ausschlossen. Die jeweilige Teil-Erkenntnis erfährt dann aber zunächst keine Korrektur.

2.1.3.2. Die durch Erfahrung erwiesene Täuschung

"Einige optische Täuschungen zeigen, wie sehr unser Denkapparat die Wahrnehmungen formt"(217): "Wenn man den inneren Balken .. betrachtet, erscheint er links heller als rechts. ... Das empfundene Phänomen entspricht nicht der objektiven Wirklichkeit, sondern ist eine Konstruktion unseres Wahrnehmungsapparates." (218)

"So beweist zwar ein einfaches Nachmessen mit einem Lineal, dass die drei Personen in der Ponzo-Täuschung .. gleich groß sind - dennoch bleibt der vom Gehirn diktierte subjektive Eindruck bestehen. In der Kanizsa-Täuschung ... erkennt der Betrachter ein helleres Dreieck, obwohl er weiß, dass es sich dabei nur um eine eingebildete Struktur handelt. Dagegen stören zwei horizontale Striche durch das Bild diesen Eindruck: Weil jetzt keine einfache Interpretation mehr möglich ist, hindern sie unser Gehirn ... die Kontur zu konstruieren."(219)

Anders als bei den in 2.1.3.1. beschriebenen Phänomenen liegt hier der Erkenntnisbruch nicht in einer (zunächst) bleibenden Teilerkenntnis, sondern die 1.Erkenntnis wird durch die darauf folgende vollkommen verändert.
Die 1.Erkenntnis hat gar keinen bleibenden Teil, dafür beschreibt die (zunächst) bleibende Korrekturerkenntnis das ganze Phänomen (beide Balken sind gleich hell, gleich groß stat der zunächst wahrgenommenen Unterschiede; die Fata Morgana ist normaler Wüstensand, ....)
In 2.1.3.1. hat die 1.Erkenntnis einen (zunächst) bleibenden Teil, aber das ganze Phänomen erscheint nie. Das Phänomen in 2.1.3.1. hat also eine höhere Realität als das hier in 2.1.3.2..

Außerdem zeigt das obige Kap 2.1.3.1. (und natürlich Kap. 2.1.1.) immer eine prinzipielle Erkenntnisgrenze. Die Erkenntnisgrenze der Täuschung als Täuschung ist aber oft nicht prizipiell, kann oft als Täuschung entdeckt werden und dann oft vollkommen korrigiert werden. Trotzdem bestätigt dieses Kapitel gerade wegen der aufklärbaren Erkenntnisbrüche sehr anschaulich, dass ganz prinzipiell die Bewusstseinsinhalte durch das Subjekt-Ich geprägt und mitbestimmt sind und damit unsicher in ihrem bleibendem, vom Ich unabhängigen Erkenntniswert: "Wir nehmen nicht absolute "Dinge an sich" wahr. (220). „Das neuronale System bildet die Außenwelt nicht einfach ab, sondern schafft eine eigen Wahrnehmungswelt." (221) "Die Haltung, die annimmt, dass die Welt tatsächlich so sei, wie wir sie mit unseren Sinnen wahrnehmen, bezeichnet man als naiven Realismus." (222) "Diese Ansicht dürfte wohl nicht zutreffen .... Viele Menschen bleiben allerdings ihr Leben lang naive Realisten ... Widerspricht dieser Sichtweise einmal eine Beobachtung, tun sie diese als ... Kuriosität ab."(223)

2.1.3.3. Die Phantasie in Gegenwart und Vergangenheit

Die Phantasie gehört nur bedingt in das Kapitel 2.1.3. weil es sich hier nicht um ein Erfahrungsphänomen (mit einem Bruch) handelt. Sie belegt damit auch nicht die Unsicherheit des anderen, Endlichen.

Bei der Phantasie im Blick auf Gegenwart und Vergangenheit ist nämlich unmittelbar, von Anfang an und bleibend der absolute Mangel an Sicherheit, an Realität gegeben, also die Nicht-Realität. Die Phantasie (z:B. ein Goldstück in den Händen zu halten) zielt zwar auf das andere, die Außenwelt, das Endliche; aber es ist unmittelbar klar, dass diese Intention nicht erfüllt ist und keine Realität vorliegt - also ein vollkommener Widerspruch. Bei der 1.Erkenntnis der Täuschung kann zumindest eine gewisse Zeit angenommen werden, dass die Intention im Blick auf das andere, die Realität gegeben ist.

Nun sind ja die reinen Ich-Inhalte als Inhalte des Ich real und unter Kapitel 1 zu behandeln (S.o. Kap. 1.1.1..). Anders aber als ein Gefühl, das als reiner Ich-Inhalt real ist, ist die Phantasie zwar rein vom Ich produziert, aber eben keine reiner Ich-Inhalt, sondern intendiert auch auf das andere. Und dieses andere ist eben nicht nur unsicher, sondern - sicher nicht - überhaupt nicht real, nicht existent. Für die Phantasie gibt es eben kein entsprechendes Erfahrungs-Phänomen im anderen. Deshalb finden wir in der Phantasie die Unsicherheit, die Kapitel 2 und damit auch Kapitel 2.1.3.. durchzieht, auf die Spitze getrieben. Sowohl beim grundsätzlichen Phänomen des Dings in der Erscheinung (Kant) als auch bei den Brüchen in der Erfahrung in Kap. 2.1.3.1. und 2.1.3.2. liegt eine dialektische Erkenntnis zwischen Ich und anderem vor, während die Phantasie rein vom Ich produziert ist und doch das andere sicher irreal intendiert.

Zum Bereich der Phantasie gehört auch die Literatur, Belletristik, Drama, Dichtung (S.u. Kap. 2.4.5.1.2..) – abgesehen von manchmal vorhandenen allegorisch versteckten Real-Aussagen, die man aber in wenigen Sätzen zusammenfassen kann.

Weil es für den Phantasiegedanken des Ich kein entsprechendes Phänomen im Bereich des anderen gibt, deshalb gibt es bei jemand, er nach seiner Phantasie real lebt, eben immer Zusammenstöße und Konflikte mit dem anderen.
Ein Demenzkranker erlebt dies. Natürlich ist es ihm erlaubt, in seiner Phantasiewelt zu leben. Aber er macht, wenn er sich frei bewegt, laufend unangenehme Erfahrungen des konfliktreichen Zusammenstoßes mit dem anderen. Er wird z.B. von einem Auto angefahren, das er als Spielzeug-Auto-Phantasie-Phänomen erlebte. Die erheblich geringere Zahl von Ich-anderes-Konflikten ist ein objektives Kriterium deer Unterscheidung von Demenzkranken von anderen Menschen.

Dass es solche Konflikte mit dem anderen bei der Phantasie gibt, ist natürlich ein starkes Argument gegen den Solipsismus (S.o. Kap. 1.1.2..), der besagt, dass alle unsere Phänomene von uns selbst gesetzt seien.

Phantasien im Blick auf die Zukunft sind ein vollkommen anderes Phänomen, sind zunächst reine Ich-Bewusstseinsinhalte ohne Intentionen auf das andere in Vergangenheit und Gegenwart, intendieren aber ohne gegenwärtigen Bruch das andere in der Zukunft und sollten deshalb besser als Pläne, Vorhaben, Wünsche bezeichnet werden, denen durchaus reale Erfahrungsphänomene folgen können („die verwirklicht werden können“).




2.1.4. Die positiven Folgen des (dialektischen) Skeptizismus und der Unsicherheit der differenzierten Wirklichkeit

Diese ganzen skeptischen Überlegungen brauchen und haben – bei richtigem Verständnis - keine negativen Auswirkungen auf das Lebensgefühl, wie schon in Kap 1.5.3. (224) gezeigt. Sie sind außerdem keine nutzlose Theorie, sondern zeigen uns, dass wir unser Leben nicht einseitig auf eine starre, objektiv-materielle Wirklichkeit ausrichten sollen (Kap. 2.1.1.4.), deren Realität im Blick auf Sicherheit und Dauer unbestimmt ist (Kap. 1.2. und 2.1.1. - 2.1.3.).

Schließlich ist die andere Seite dieser skeptischen, aufhebenden Erkenntnis die keineswegs negative, affirmative, absolute Wirklichkeit von Bewegung, Dynamik und im Bereich der Ethik Rücksichtnahme (225) (und auch Bescheidenheit (S.u. Kap. 2.4.5.3.1..) einschließlich eines gleichberechtigten (S.u. Kap. 2.4.4.1..) Umgangs mit den Mitmenschen (eben aufgrund des eigenen eingeschränken Erkenntnisvermögens) und auch Liebe (226)), die auf Übergehen und Werden beruhen und schießlich sich im einen, absoluten, persönlichen Gott vollenden.

Genau im Gegensatz zum naiven Bewusstsein sind nicht die konkreten, endlichen Bewusstseinsinhalte („Dinge“) sicher (und dauerhaft) und die Frage nach dem Absoluten nebulös und unsicher,
sondern die endlichen Bewusstseinsinhalte sind im Blick auf Dauer und Sicherheit unbestimmt, die dialektische Wirklichkeit des Werden und Übergehens und Gott in seinem dialektischen, trinitarischen, persönlichen Wesen ist das/der realste in Blick auf Sicherheit und Dauer der Existenz (Kap. 1.2..).

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2.2. Setzung der unsicheren, endlichen, differenzierten Wirklichkeit – nützliche Folgen im einzelnen

(2.2.1. bis 2.2.4. und 2.2.6.: Philosophische Baustelle)

2.2.1. Förderung der Differenziertheit reiner Bewusstseinsinhalte

2.2.2. Dialektische Interaktion als Naturprinzip

2.2.3. Die Leistungen der Naturwissenschaft

2.2.4. Der (körperliche) Mensch als das dialektischste Endliche (Anthropologie)

2.2.5. Sprache als symbolisches Zeichensystem zum umfassendenderen Verständnis des anderen, der differenzierten Wirklichkeit

Sprache ist ein Symbolsystem, in dem die Bewusstseinsphänomene leichter repräsentiert werden als durch die Sache selbst. Wer die Theorie eines Sprachsystems benutzt, versteht die Wirklichkeit besser als jemand, der nur in der Praxis der Dinge selbst lebt. Dadurch kann im Bewusstsein mehr von den Bewusstseinsphänomenen und von ihren Beziehungen bearbeitet werden. Das kann immer mehr ausgebaut werden, je differenzierter Sprache ist, mit dem endgültigen Ziel, das Ganze der Wirklichkeit zu beschreiben.

Sprache gliedert sich in eine akustisch-hörbare, sehr selten eine riechbare und in eine optisch-sichtbare. Die akutisch-hörbaren, riechbaren und optisch-körperlichen Zeichen sind schneller zu erzeugen, aber sie sind weniger beständig, weil der Schall schnell verschwindet. Die optisch-sichtbaren Zeichen auf Papier oder Sein benötigen mehr Zeit zur Erzeugung, aber sind haltbarer. Tiere (auch Pflanzen) verwenden meist nur die akustische Sprache, in seltenen Fällen die riechbare und optisch-körperlichen. So stellt der Körper manchmal ein bestimmtes Zeichen dar (z.B. für Gefahr). Beispiele für die Geruchs-Sprache ist z.B. der Urins als Sprachzeichen für die Grenze des Reviers oder das Ausscheiden einer chemischen Substanz bei einer Pflanze, die zur nächsten gelangt und diese vor einem blätterfressenden Tier warnt. Der Körper als optisches Sprachzeichen ist ein relativ großes, unhandliches Symbol. Tier und Pflanze haben eine ziemlich einfache, wenig differenzierte Sprache.

Höhere, menschliche Sprachformen entwickelten sich, als die vormenschlichen Primaten die Differenziertheit des anderen, der Bewusstseinsphänomene besser darstellen wollten. Man kann den Übergang zwischen affenähnlichem Primaten und Menschen auch da festlegen, wo sich eine differenziertere Sprache entwickelte. Die Motivation für die Weiterentwicklung und -differerenzierung von Sprache lag sicher darin, mit dem anderen, den Bewusstseinsphänomenen besser umgehen zu können. Je besser und differenzierter das Ich durch differenzierte Sprache das andere wahrnehmen kann, desto stärker erscheint das Ich als Ich (S.o. Kap. 1.1.4.1..), nämlich als Ich/Selbstbewusstsein, das den Menschen auch von den Tieren unterscheidet.

Dieser Entwicklungsprozess schloss dann auch ein, mit dem Bewusstseinsphänomen, das einem am ähnlichsten ist (S.o. Kap. 2.1.1.4. und 2.1.1.5..), besser umgehen zu können, nämlich mit anderen (menschlichen) Personen. Insofern dient Sprache auch der Kommunikation mit anderen Menschen (S.u. Kap. 2.2.6..).

Eine Sprache findet nun eine weitere Höherentwicklung, wenn sie kleine, zu schreibende Symbole (Buchstaben und Schrift) verwendet. Ein akustisches Sprachsystem, eine rein gesprochene Sprache kann zwar sehr differenziert sein. Weil das Schall-Zeichensystems aber schnell vergeht/verfliegt, sind der Differenzierung Grenzen gesetzt, vor allem was die Beziehung der Symbole und damit die Darstellung der (dialektischen) Beziehung in der Wirklichkeit betrifft. Große (körperliche) optische oder riechbare Symbole setzten durch ihre Unhandlichkeit der Differenziertheit Grenzen. Optische Buchstaben und Schrift dagegen sind haltbarer durch das Material, auf das sie geschrieben werden und durch ihre Kleinheit besser zu handhaben als zeichenhafte Körper. Der beste Zugang zur Wirklichkeit ist also durch eine verschriftlichte Sprache gegeben.

Zu unterscheiden sind in der Sprache:

- 1. Namen: Sie beschreiben ein Individuum. Phänomenologisch gesprochen fassen sie eine Summe unterschiedlicher Eigenschaften als eine Einheit (ein Individuum) auf und sehen dieses Individuum auch als Kontinuum durch verschiedene Zeitmomente. Insofern repräsentieren sie auch die Beziehung/Bezogenheit von Eigenschaften.

- 2. Begriffe (Substantive): Sie fassen unterschiedliche Individuen aufgrund ihrer Ähnlichkeit (zu einer Zeit und durch verschiedene Zeitmomente hindurch) zusammen (z.B. der Begriff „Pflanze“) und zeigen damit die dialektische Bezogenheit der Bewusstseinsphänomene (S.o. Kap. 2.2.2.).

- 3. Präpositionen: Sie beschreiben die Bezogenheit materieller Dinge zuinander.

- 4. Verben (Tätigkeitswörter): Sie beschreiben die Interaktion/Bezogenheit des Ich (oder eines endlichen Momentes) mit einem anderen Endlichen und damit auch die Veränderungen über verschiedene Zeitmomente. (Bespiele für Interaktionen: "malt" - mit Stift und Papier; "baut" - mit den Steinen; "lacht" - mit Gesichtsmuskeln; "denkt" - mit Gedanken: "fährt" - in Interaktion mit verschiedenen Orten)  

Taetigkeit ist damit Bezogenheit, Uebergehen. Tätigkeitswörter repräsentieren die intensivste Form der Bezogenheit, aber nicht immer eine so allgemeine wie der Begriff. Die allgemeinste Tätigkeit ist das Intensivste, Höchste: geht über, das Übergehen an sich,  panta rei (S.o.Kap. 1.5.1..). Dies schließt die Spitze des Begriffs (insofern der Begriff von der Sache zur Tätigkeit übergeht) und die Spitze der Konjunktion ein. 

- 5. Konjunktionen: Sie verbinden Beschreibungen der Wirklichkeit zu einem neuen, größeren System und zeigen so eine größere Form der Bezogenheit.  

- 6. Eigenschaftswörter: Sie beschreiben Individuen (Namen) oder Gruppen von Individuen (Begriffe) in ihrer großen Differenziertheit - durch ihre Eigenschaften.  

- 7. Adverbien: Sie beschreiben Tätigkeiten in ihrer Vielfalt und groesseren Differenziertheit.

- 8. Ausrufe: (wie: "Hilfe!"): Dies sind letztlich Adjektive, mit denen der Sprecher seinen besonderen Zustand beschreibt.

Wir sehen hieran, dass die Funktion von Sprache genau der Wirklichkeit entspricht als des Bezogenseins auf das andere.  

Zum einen hilft sie dem Ich, sich auf das andere zu beziehen und dadurch das andere, die Bewusstseinsphänomene, besser zu verstehen, nämlich in ihrer Differenziertheit und Vielfalt (durch Adjektive und Adverbien).  

Zum anderen hilft sie die dialeketische Bezogenheit auch dadurch besser zu erkennen, dass sie durch Tätigkeitswoerter (Verben), (Allgemein-)Begriffe und Beziehungswörter (Konjunktionen, Präpositionen) die Verbindung der Elemente ausdrückt.

Namen (für Individuen) nehmen hierbei eine Doppelstellung ein. Als ein Individuum mit bestimmten Eigenschaften grenzt es sich von anderen Individuen (Namen) ab und trägt so zur Differenziertheit der Wirklichkeit bei. Zum anderen trägt ein mit einem Namen benanntes Individuum als Ansammlung von Eigenschaften zur Verbindung, Bezogenheit bei, nämlich ebendieser Eigenschaften.  

Die höchste Form der Bezogenheit und damit auch das Ziel von Sprache ist das Allgemeinste der Wirklichkeit, die höchste Tätigkeit, das Übergehen selbst, Personalität selbst, das Absolute (Gott) (S.o. Kap. 1.5.4.3..).



2.2.6. Kommunikationserfahrung mit anderen menschlichen Individuen




2.2.7. Die empirischen Wissenschafts-Disziplinen (Vgl. Kap. 1.7.)

Hierzu zählen alle Wissenschaftsdisziplinen, die nicht in Kapitel 1.7. genannt wurden, also die meisten. Mit dem unsicheren anderen, der Empirie befassen sich alle Naturwissenschaften (S.o. Kap. 2.2.3.), wozu hier das gesamte, nicht vom menschlichen Geist geprägte Endliche gerechnet wird, also die klassischen Naturwissenschaften (Physik, Chemie, Biologie), sämtliche Ingenieurswissenschaften, Medizin, Pharmazie, und Geographie, Astronomie und Geologie usw..

In dieses Kapitel gehören auch Wissenschaften, die sich mit empirischen Auswirkungen des Menschen als geistiges Wesen zu tun haben, also Pädagogik, Sozial-Psychologie (Sie behandelt die Seele des Ich in seiner Beziehung zum anderen behandelt im Unterschied zur Indiividual-Psychologie in Kap. 1.7..), Soziologie, Völkerkunde und Teile der Anthropologie, Sprach- und Literaturwissenschaft, Politologie, Jura, Volks- und Betriebswirtschaft, Geschichtswissenschaft.

Ebenso gehören hierhin die empirischen Teile von Philosophie (z.B. Philosophie der Geschichte, der Kultur), Ethik (S.u. Kap. 2.4.) und Theologie (z.B. die Lehre von der Kirche (Ekklesiologie)).







2.3. Persönliche Gotteserfahrungen in der Differenziertheit der Welt (Vgl. Kap. 1.5.2.4..)

In ganzen Kapitel 1.5. und besonders in Kapitel 1.5.2. wurde unabhängig von aller unsicheren Erfahrung Gott als das Unendliche/Absolute als Person erkannt. Gott kommt damit die höchste Realität (Kap. 1.2.) zu, nämlich höchste Sicherheit seiner Existenz und absolute Dauerhaftigkeit, weil er unter allen Umständen und unabhängig von einer anderen Bedingung existiert und deshalb auch vollkommen dauerhaft ist.

Nun impliziert aber das schon in Kapitel 1 erkannte Personsein Gottes nicht nur ein theoretisches Nachdenken (wie in diesem Traktat), sondern eben die persönliche Erfahrung und Begegnung mit Gott. Genauso geht es mir mit einer menschlichen Person. Jemand kann mir diese Person gut beschreiben, und ich kann dadurch ein gewisses Bild von ihr gewinnen. Aber es ist dann noch einmal etwas ganz anderes, wenn ich ihr persönlich begegne. Und wenn die Schilderung dieser Person mir sehr interessant erscheint, dann versuche ich, ihr baldmöglichst zu begegnen und sie dadurch erst wirklich kennenzulernen.

Vgl. dazu das Kap 4.1. ("Die persönliche Gotteserfahrung") innerhalb einer größeren systematischen Arbeit (https://piet-sys.machal7.com), dort besonders Kap. 4.1.4.4..


2.3.1. Phänomenologie der persönlichen Gotteserfahrungen

In die andere Person, der ich begegne, kann ich nun nicht hineinkriechen, schon gar nicht in die unendliche Person Gottes, der mich umgibt und von dem ich umfasst bin. Die Erfahrung einer Person geschieht über endliche Momente (des anderen), die hier in Kapitel 2 behandelt werden und von ihrem Wesen her unsicher sind. Zum einen wird deshalb hier in Kapitel 2 ein zweites Mal von Gott geredet, und zwar im Blick auf die persönliche Gotteserfahrung. Zum anderen kann das, wovon ich jetzt schreibe, zwar mit einer hohen Evidenz versehen sein, aber es bleibt unsicher und kann immer skeptizistisch bestritten werden – anders als die Erkenntnisse vom persönlichen, absoluten Gott in Kapitel 1.

Nun gibt es gegenüber dem Bericht einer persönlichen Gotteserfahrung natürlich skeptische Kritik:

- Die Behauptung einer persönlichen Begegnung mit Gott nur in meinem Inneren des Ich hat natürlich keinerlei Evidenz, weil sie nicht nachgeprüft werden kann, und man auch kritisch behaupten kann, sie sei Einbildung und Produktion des Ichs, des Subjekts. (Damit will ich solche persönlichen Gotteserfsahrungen nicht bestreiten. Sie haben lediglich eine geringe Evidenz und Überzeugungskraft.)

- Auch die Behauptung z.B., man habe Gott erfahren, weil er gerade für die Ernte sonniges Wetter geschickt hat, deutet nicht sehr plausibel und evident auf Gott hin. Denn die Sonne scheint fast jeden 2.Tag, so dass ein Skeptiker hier von glücklichem Zufall sprechen kann. Natürlich kann auch kein atheistischer Skeptiker den Gegenbeweis antreten, dass Gott die Sonne nicht geschickt habe. Die Deutung unter rational-evidenten Gesichtspunkten bleibt neutral und eignet sich hier nicht als Beispiel.

- Damit die Behauptung einer persönlichen Gotteserfahrung eine Plausibilität hat und nicht sofort durch Skepsis widerlegt werden kann, muss es im Bereich des anderen, des Endlichen geschehen. Zweitens muss es sehr unwahrscheinliich sein, diese Ereignisse durch Zufall zu erklären.

Ein Beispiel hierfür nennt August Herrmann Francke aus alle aus dem Beginn des 18.Jahrhunderts: Er gründete und leitete das berühmte Waisenhaus, hatte aber von Anfang an zu wenig Geld für die vielen Waisenkinder. Oft hatte er abends nicht das Geld, um die Waisenkinder am nächsten Tag zu ernähren: "Da auf eine andere Zeit fast gar nichts mehr übrig war"(227) Also betet er um Geld: "und solches dem Herrn, der der rechte Vater der Waysen ist, im Gebet vorgetragen war"(228) - um aber seine Differenz als endliches Subjekt dialektisch zum unendlichen Gott und damit Gottes Größe und Ehre zu betonen, bittet er keinen Menschen um Geld, sondern wartet ganz auf Gottes Handeln: "zeigte sich eine Gelegenheit, daß einer damals gegenwärtigen Person solcher Mangel nur hätte dürfen kund gemachet werden, so würde dieselbe ohne Zweifel nach Vermögen beygesprungen seyn. Aber man wollte lieber Gott die Ehre geben, ... da er ja mächtig gnug sey, selbst ... zu helfen"(229). Und dann erhält er genau den benötigten Betrag (was er immer wieder so erlebt): "Als das Gebet verrichtet war ... Es waren funfzig Thaler, die von einem andern Orte her geschickt waren; worauf noch andere zwanzig folgeten: daß also aller Mangel auf das Mal zur Genüge ersetzet ward, und man deutlich erkennete, daß Gott gehöret"(230). Diese genau auf seine Probleme und sein Gebet abgestimmte Hilfe, zu der er selbst im Bereich des Endlichen nichts beigetragen hat, kann kaum als Zufall gedeutet werden und weist mit ziemlicher Evidenz (231) auf die Existenz eines persönlichen Gottes hin, der hier eingreift.

Es muss sich also um ein Zusammenspiel vieler endlicher Ereignisse handeln, die persönliche Bedeutung für mich in meiner momentanen persönlichen Lage und meinen persönlichen Problemen oder Bedürfnissen haben (vielleicht noch im Zusammenhang mit meinem Gebet) und die so nur unter extremer Unwahrscheinlichkeit (z.B. 1: 1 000 000 000) hätten zufällig entwicklen können. Es sind dann Ereignisse, die eigentlich nur so gedeutet werden können, die - ohne jede Glaubensvoraussetzung - in sich so evident darauf hinweisen, dass hinter den vielen endlichen Begegebenheiten in der Welt eine göttliche persönliche Macht steht, die manchmal die Einzel-Ereignisse so lenkt, dass sie für einzelne Menschen persönliche Bedeutung erlangen. Das ist dann sozusagen ein evidenter Erfahrungs-Hinweis auf die Existenz eines persönlichen Gottes. Wenn diese – auf eine Person persönlich abgestimmten Ereignisse anders ablaufen, als wir aus den bisher beobachteten Naturabläufen gewohnt sind (S.o. Kap. 2.1.2.), dann sprechen wir von einem Wunder.

Der skeptische Einwand, dass die Naturwissenschaften Einwirkungen von außen ausschließe, ist unzutreffend: Die Naturwissenschaft arbeitet mit eingegrenzten Systemen, die sie selber aus methodischen Gründen begrenzt. Es gibt aber kein wissenschaftlich-logisches Argument gegen die Möglichkeit des Einwirkens eines Zusatz-Impulses aus einer anderen Dimension.

Ein weiterer Einwand gegen alles bisher Gesagte, das die bisherigen Gegenargumengte berücksichtigte, kann nun zusätzlich und neu aus Psychologie und Parapsychologie kommen: Manche Menschen würden immateriell mit geistiger Energie stark auf ihre Umgebung wirken. Wenn sie für etwas beten oder sich etwas unbedingt wünschen, dann können sie ihre Umgebung teilweise so prägen, wie sie es wünschen.

-Auch dieses skeptische Argument, das natürlich selbst mit sehr viel nicht nachgewiesenen Vermutungen arbeitet, widerlegen dann solche Beispiele persönlicher Gotteserfahrung, die einerseits ein evident unwahrscheinliches Zusammentreffen einzelner Ereignise beinhalten (s.o.) und gleichzeitig zwar persönlich, aber vollkommen überraschend für den Betroffenen auftreten, so dass dieser die Situation nicht parapsychologisch beeinflusst haben kann.

* Ein wichtiges biblisch-alttestamentliches Beispiel ist hier Sauls Eselin (1.Samuel 9,1 – 10,7 – Das scheinbar ärgerliche Ereignis entlaufener Tiere und eine unwahrscheinliche Verkettung weiterer Ereignisse (die Erfolglosigkeit der Suche; der Vorschlag von Sauls Knecht, den Propheten Samuel um Hilfe zu bitten; Samuel ist gerade an diesem Tag auf seinem jährlichen Besuch zum Opferfest dort; Samuel wartet schon auf einen Mann, der von außen kommt, weil Gott ihm gesagt hat, dass er defr König von Israel werden soll) nutzt Gott, um Saul zu seiner vollen Überraschung zum König salben zu lassen.). Auch wenn jemand an der historischen Zuverlässigkeit solcher biblischen Berichte zweifelt, dann geben sie doch typlogisch ein Beispiel für die Struktur evidenter Gotteserfahrungen.

* Ein weiteres Beispiel ist ein Ereignis im heutigen Israel während des 1. Golfkrieges im Januar 1991: "29.1.: 50 Personen wollten wegen Luftalarm in ihren Bunker flüchten, der Hausmeister hatte jedoch den falschen Schlüssel dabei. Sie verteilten sich daher in andere Bunker. 20 Minuten später schlug eine Rakete in den leeren, verschlossenen Bunker ein und zerstörte ihn völlig. Das ZDF erwähnte die Möglichkeit eines Wunders." (https://www.segne-israel.de/artikel/a_wunder.htm , Kapitel Golfkrieg) Das ganze Ereignis läuft vollkommen überraschend für die Betroffenen ab. Sie wollen ja in ihren eigentlichen Bunker. Dann haben wir eine unwahrscheinliche Verkettung von Ereignissen: Der Schlüssel einer verantwortlichen Sicherheisperson passt nicht. Sie müssen in einen anderen Bunker rennen. Und gerade, an dem Tag, an dem der Verantwortliche den falschen Schlüssel dabei hat trifft gerade auf diesen versperrten Bunker die Rakete und dann auch noch mit einem Volltreffer, was die einzige Möglichkeit ist, um einen geschützten Bunker zu treffen und die Insassen zu töten. (Am Ort des Geschehens (Bet Dani in Süd-Tel Aviv) wurde ein Denkmal für einen schützenden Engel errichtet.)

* Ein weiteres Beispiel für ein persönliches, unwahrscheinliches und überraschendes Zusammentreffen von Ereignissen: "Iwan ... hatte schon einige Morde auf dem Gewissen ... Eines Tages ... ging er zu einer Prostituierten ... 'Du, dieses Papier da eignet sich prima als Zigarettenpapier.' Neben ihr lag eine kleine Taschenbibel derr Gideons, aus der sie Seiten herausriss. .. Auch er riss einige Seiten heraus, um sie als Zigarettenpapier zu benutzen. Zuhause las er zufällig eine der Seiten. Dort stand, dass Gott ihn liebte. Zum ersten Mal in seinem Leben hörte er, dass ihn jemand liebte. Er war tief berührt"(232).

* Zwar nicht überraschend für die Betroffene, aber mit hoher Evidenz - wegen der extrem unwahrscheinlichen Verkettung vieler hilfreicher Einzelereignisse und wegen der extremen Unwahrscheinlichkeit, dass sie ihre Umgebung parapsychologisch gesteuert hat - ereignete sich folgende Gotteserfahrung: Corrie ten Boom und ihre Schwester (und andere Verwandte) werden in ein KZ eingeliefert, weil sie in den Niederlanden verfolgte Juden versteckt hatten: Beim Eintritt ins KZ müssen sich alle nackt ausziehen, um nichts in das Lager hineinschmuggeln zu können. Corrie möchte eine Bibel und eine Vitaminflasche und einen Pullover für ihre kranke Schwester hineinschmuggeln. Ihre 1.Aktion "'Lieber Gott', betete ich"(233). Der nächste Schritt: "'Bitte', sagte ich zu dem SS-Mann, der die Tür bewachte, „wo sind die Toiletten?“ ... 'Benutzt die Abflußlöcher', sagte er grob, und als wir hineingingen, schlug er die Tür hinter uns zu. Wir standen allein in dem Raum, in den wir später splitternackt zurückkehren würden. ... Und dann sahen wir in der hintersten Ecke einen Stapel alter Holzbänke. ... im Handumdrehen hatte ich die Bibel und die Vitaminflasche in den Pullover gewickelt und versteckte das kostbare Bündel hinter den Bänken. So kam es, daß wir, als wir zehn Minuten später in jenen Raum geführt wurden, nicht arm, sondern reich waren. Reich durch diesen neuen Beweis der Fürsorge dessen, der sogar Gott von Ravensbrück war."(234) Der 3.Schritt: "Dann griff ich hingter die Bänke und schob das kleine Bündel rasch in den Halsausschnitt. Es bildete eine Wölbung die man über den ganzen Grote Markt hätte sehen können. ... unter dem dünnen Baumwollkleid ließ es sich nicht richtig verstecken. Ich hatte jedoch die ganze Zeit ... das Gefühl, es ... sei nicht meine Sache, sondern Gottes. ... Als wir den Duschraum verließen, betasteten die SS-Männer jede Gefangene vorn, hinten und an den Seiten. Die Frau vor mir wurde dreimal durchsucht. Betsie, die hinter mir ging, wurde ebenfalls durchsucht. Mich rührte keine Hand an. An der Ausgangstür des Gebäudes duchsuchten Aufseherinnen jede Gefangene noch einmal. Als ich mich ihnen näherte, verlangsamte ich den Schritt, aber eine Aufseherin gab mir einen Schubs: 'Weitergehen! Sie halten die anderen auf.' Und so kamen Betsie und ich in den frühen Morgenstunden in Baracke 8 und brachten nicht nur die Bibel mit, sondern eine neue Erkenntnis Seiner Macht."(235)

* Ebenfalls zwar nicht überraschend für die Betroffenen, aber aber mit hoher Evidenz - wegen der extrem unwahrscheinlichen Verkettung vieler hilfreicher Einzelereignisse und wegen der extremen Unwahrscheinlichkeit, dass sie ihre Umgebung parapsychologisch gesteuert haben, ist die biblisch-neutestamentliche Geschichte der Befreiung von Paulus und Silas aus dem Gefängnis in Philippi (Apg 15,23-34): Beide beten. Im Zusammenhang mit dem Gebet ereignet sich nun ein Erdbeben, das genau die richtige Stärke hat, damit die Türen aufspringen und sie von ihren Fesseln befreit und frei sind – wäre das Erdbeben zu schwach gewesen, hätte es keine befreiende Wirkung gehabt; wäre das Erdbeben zu stark gewesen, hätte es zwar das Gefängnis zerstört, aber die Gefangenen wären auch getötet worden. Die Evidenz des Ereignisses für einen Nichtgläubigen wird dadurch deutlich, dass der Gefängnisaufseher durch dieses Eingreifen Gottes zum Glauben kommt und sich taufen lässt. (Apg 15,29-33)

August Herrmann Francke hält die von ihm im Waisenhaus in Halle erlebten Erfahrungen für evidente Gotteserfahrungen: "Indessen wird Gott auch thun, was er will, und viele tausend Menschen durch dieses offenbare Zeugniß, daß er noch lebet, und alles thun kan, was er will, zum Glauben erwecken, im Glauben stärcken"(236). Die Evidenz solcher Gotteserfahrungen beschreibt auch Professor Karl Heim: "Und doch konnte niemand, der dieses Ereignis miterlebt hat, es einfach als ein glückliches Zusammentreffen zufälliger Umstände verstehen. Alle standen unter dem Eindruck, daß eine unsichtbare Hand diese ... Prozesse 'gesteuert' hatte und daß sie in innerem Zusammenhang standen mit dem Gebet der Beteiligten."(237)

Will man diese persönlichen Gotteserfahrungen bestreiten (wie oben angesprochen), dann entspricht diese Skepsis der Bestreitung der Existenz anderer endlichen Personen (S.o. Kap. 2.1.1.5..), indem ich deren Geschenke, deren Worte, deren mir persönlich gegebenen Gegenstände als Täuschung und Produkt des Zufalls deute: So wie es unwahrscheinlich, aber möglich ist, dass die Sonne morgen nicht mehr aufgeht oder die Bäume im Dezember blühen (S.o. Kap. 2.1.2., Hume), so kann auch ohne eine dahinterstehende Person sich die Luft durch unwahrscheinlichen Zufall so sortieren, dass Schallwellen voller sinnvoller Sprache entstehen, die den Anschein einer Person produzieren.

Vgl. das Kap 4.1. („Die persönliche Gotteserfahrung“) innerhalb einer größeren systematischen Arbeit (https://piet-sys.machal7.com), dort besonders Kap. 4.1.4., speziell 4.1.4.2., 4.1.4.3. und 4.1.4.7..




2.3.2. Erfahrungs-, Glaubensimplikationen der Annahme einer Gotteserfahrung in der differenzierten Wirklichkeit

Ab jetzt wird uns ganz besonders deutlich, dass die theoretisch-rationale Methode dieser Arbeit zwar wichtig ist, aber eben nur ein Teilaspekt der Wirklichkeit. Die bleibende, wenn auch begrenzte Wahrheit der Methode dieser Arbeit wird gerade daran deutlich, dass ihr nicht von außen eine andere Methode gegenübergestellt werden muss, sondern dass sie durch diese Überlegungen aus sich selbst heraus diese weitere Wirklichkeitsdimension außerhalb von ihr erkennt.

Konkret wird deutlich, dass die Wirklichkeit der heiligen Dialektik, aus der Beziehung, Personalität und Rücksichtnahme folgt, uns zu Aktionen aufruft, zu existentiellen Erfahrungen, zu persönlichen Begegnungen, hier besonders zur persönlichen Begegnung und Erfahrung mit Gott, und in der Ethik (Kap. 2.4.) zu Taten der Rücksichtnahme. Das heißt, die Gedanken dieser Arbeit sind erst vollständig, wenn wir die daraus folgende Aktion praktizieren (bei aller Unsicherheit unter den Bedingungen von Kapitel 2).

Das heißt konkret, dass wir Gott auch in der endlichen Bestimmtheit des anderen suchen sollten, also danach streben sollten, mit ihm persönliche Erfahrungen zu machen, ihn im Gebet um diese persönlichen Erfahrungen bitten sollten (dazu passend steht in der Bibel, dass sich Gott von jedem persönlich finden lässt, der ihn sucht (Mt 7,7-11)) Das heißt, die endlichen Momente des anderen nicht nur für sich und in unmittelbaren Verknüpfungen zu sehen, sondern bei dem, was uns im Alltag passiert, die Augen und unsere Person zu öffnen für die Wahrnehmung höherer persönlicher Zusammenhänge, nämlich für das Handeln Gottes, das nicht immer, vielleicht auch nicht oft, aber manchmal und regelmäßig hinter endlichen Einzelereignissen steht, die damit eine höhere, auf mich oder andere Personen abgestimmte (und damit persönliche) Wirklichkeit haben. So sehr solche persönlichen Verkettungen von Ereignisse eigentlich oft eine hohe Evidenz haben, so oft werden sie übersehen von Menschen, die von ihnen noch nie gehört haben, die eine Aufmerksamkeit für ihr eventuelles Auftreten nie trainiert haben (wie jemand, der keine Sternschnuppen kennt und sie deshalb meist oder immer übersieht), die deshalb gar nicht mit ihnen rechnen und sie deshalb auch übersehen.

Umgekehrt geht es mir hier keinesfalls darum, einem anti-rationalen Existentialismus das Wort zu reden. Wichtig ist, eine existentiell-persönliche Gotteserfahrung auch wieder zu reflektieren (wie es hier geschieht), um ihren Wahrheitsanspruch dadurch zu vergrößern, dass sie sich auch am Verstand und der Logik als richtig erweist und nicht nur im existentiellen Erlebnis.







2.4. Ethik (vgl. Kap. 1.6.) auf der Grundlage der Phänomene und der Annahme der realen Existenz vieler Personen

Die Grundlage der Ethik wurde schon aus den sicheren Grundrealitäten in Kapitel 1.6. entwickelt: Aus der Grundstruktur des Sich-Überschreitens und des dialektischen Bezogenseins folgte die ethische Grundstruktur des Übergehens, Bezogenseins auf anderes, die Rücksichtnahme auf anderes.(238) Das ist das heilige, absolute dialektische Prinzip und das ist das ethisch Gute. So entsprechen wir mit unserem Verhalten der Wirklichkeit.

Eigentlich trägt die Welt in ihren differenzierten Erscheinungsformen nichts Zusätzliches mehr zur ethischern Erkenntnis und zu den ethischen Grundsätzen bei. Es geht hier eigentlich nur um eine Entfaltung der in Kapitel 1 entwickelten ethischen Wahrheit.

Und doch hat die erkenntnistheoretische Einsicht, dass wir es bei der differenzierten Welt in der Erscheinung mit einer unsicheren Wirklichkeit zu tun haben, eine ethische Implikation: Diejenige nämlich, im Blick auf all unser Faktenwissen von Dingen der differenzierten Erscheinungswelt eine bescheidene Haltung an den Tag zu legen und nicht wegen dieses Wissens überheblich zu sein, weil wir da ja nur ein Wissen von unsicheren Dinge in der Erscheinung haben. (S.u. Kap. 2.4.5.2..)

Der Umgang mit Minderheiten als ethischer Indikator, besonders Kapitel 6.

2.4.0.1. Empirisch-naturwissenschaftliche Gehirn-Versuche zur Willensfreiheit des Menschen (vgl. Kap. 1.6.2.1.)

Eine Reihe Naturwissenschaftler vertritt die Ansicht, dass „genetische Anlagen und vor- und nachgeburtliche Erfahrungen determinierende Prägungen implizieren, die einem freien Entscheiden im Sinne eines frei wählbaren so oder anders entgegenstehen."(239) (S.o. Kap. 1.6.2.1..) Die konkrete ethische Handlung ist sozusagen ein Produkt des aktuellen Ichs (determiniert durch Anlagen und Erfahrungen) und der aktuellen Situation, des aktuellen Einflusses von außen, vom anderen.
Die Determiniertheit der Entscheidungen bestätigen in den letzten Jahre einzelne Hirnforscher (z.B. Benjamin Libet) durch Gehirnexperimente, die herausfanden, dass die Neuronenaktivitäten, die Willensgehirnströme vor unserer Wahrnehmung unseres Willens stattfinden, nämlich "dass allen bewussten geistigen Ereignissen unbewusste Prozesse vorausgehen .., die bis zu 500 ms vor dem Bewusstsein anfangen"(240), "dass das Gehirn den Willensprozess unbewusst einleitet, lange bevor eine Person sich einer Absicht oder eines Wunsches, willentlich zu handeln, bewusst wird."(241) Es sei „unser bewusster Willensimpuls so etwas wie ein Ratifizieren einer Entscheidung .., die das Gehirn schon getroffen hat."(242). Zusammenfassend deuten diese Experimente darauf hin, dass "das physische Gehirn wesentlich und engstens an der Manifestation unserer bewussten subjektiven Erfahrung beteiligt ist."(243) "Willensfreiheit in einem traditionellen Sinne gibt es nicht, kann es nicht geben. Sie ist unvereinbar mit einem physikalischen Determinismus und auch der Indeterminismus rettet sie nicht."(244)

Zunächst liegt eine Parallelität zu meinen Gedanken in Kap. 1.6.2.1. vor: Die (wollende) Persönlichkeit, das Ich ist vorgegeben, gesetzt, determiniert, bevor wir etwas wollen. Es gibt keine Entscheidungs-Freiheit des Ich. Aber diese Gehirnströme sind mein Ich, mein Persönlichkeitskern. Diese vorausgehenden Gehirnströme, diese Neuronenaktivitäten bin ich, sind mein Ich, mit dem ich mich gut identisch fühlen kann. "Natürlich können die unserem 'Selbst' zu Grunde liegenden .. Wünsche und Überzeugungen neuronal realisiert sein. Unser Handeln wäre dann selbstbestimmt, wenn es unter dem Einfluss dieser neuronalen Strukturen stünde."(245) In diesem Sinne hält Libet es für "angemessen .., das unbewusste geistige Leben so aufzufassen, dass es zum eigenen Selbst gehört und dafür charakteristisch ist."(246)

Dann stellt sich die Frage, ob unser Bewusstsein, Seele, Geist - also alle mentalen Phänomene – durch das Phänomen der Neuronenaktivitäten hinreichend und umfassend beschrieben werden. Dies wäre die Position, "dass die Erkenntnis der Strukturen und Funktionen der Bestandteile des Gehirns uns alles über bewusstes Erleben und seine Manifestationen sagen wird. Letztere Position ist als Reduktionismus bekannt."(247) Dies wäre eine absolute Determiniertheit. Der Mensch und sein Bewusstsein wird dann als nicht mehr als ein hoch entwickelter Computer gesehen. Das muss ganz klar mit „Nein“ beantwortet werden. Zunächst einmal gilt die interne Kritik, "dass es in der Neurowissenschaft oder in der modernen Physik nichts gibt, das uns dazu zwingt, die Theorien des ... Reduktionismus zu akzeptieren."(248) Außerdem "hat die Wissenschaft das Geheimnis immer noch nicht gelüftet, wie das Gehirn Bewusstsein hervorbringt."(249) Die "Dynamik des Gehirns könnten der Hirnforschung durchaus auch für die weitere Zukunft unübersteigbare Grenzen setzen"(250).

Vor allem: Das Bewusstsein steht prinzipiell über dem gemessenen Ergebnis der Neuronenaktivitäten: Entweder ist es das Bewusstsein des messenden Naturwissenschaftlers. Und selbst, wenn ein Naturwissenschaftler sich selbst misst, ist sein Bewusstsein eine größere Wirklichkeit und schon über das gemessene Ergebnis (von ihm sellbst) hinaus und damit als erkennendes Bewusstsein des Ich, als Kern-Ich, frei. (S.o. Kap. 1.6.2.2..) Deshalb ist die Suche nach einerr empirischen Ursache des Bewusstseins vom Ansatz her falsch und unkorrekt. Nicht ist das Bewusstsein abhängig von empirischen Neuronenaktivitäten, sondern das Bewusstsein geht voraus und konstituiert erst so etwas wie Neuronenaktivität. (S.o. Kap. 2.1.1.2..)

Außerdem sind das Wesen des Bewusstseins und der Seele, die Existenz des Subjektes, eine ganz andere Wirklichkeit als die objektiv-sachliche Beschreibung von Neuronenaktivitäten. So interessant die Beschreibungen parallel zum Bewusstsein ablaufender Gehirnaktivitäten ist, so sehr wird der Mensch, der sich seines Ichs bewusst wird, dies als eine Wirklichkeit erleben, der Gehirnvorgänge immer als etwas ganz anderes, Fremdes, mit ihr wesenhaft nicht Verbundenes bleiben. So gibt es eben einen grundsätzlichen Unterschied zwischem dem Wesen des Bewusstseins und der mechanischen Beschreibung von Neuronenaktivitäten bzw. einem Computer; z.B. "im Unterschied zu einer Person versteht der Computer die Bedeutung der Sprache nicht. Der Computer kann zwar auf die Syntax, aber nicht auf die Semantik der Sprache programmiert werden. Diese Unterscheidung zwischen Synttax und Semantik wurde als wichtiger Punkt für Bewusstsein schon früher (1953) von dem Philosophen karl Popper zum Ausdruck gebracht."(251)

Ein wichtiger Fehler des Reduktionimsus liegt daran, dass die Naturwissenschaften manchmal unsere äußere, vorausgegangene erkenntnistheoretische Kritik (S.o. Kap. 1.1..) nicht berücksichtigen und ihre Forschungsgegenstände und -erkenntnisse doch wieder als selbstständige Wirklichkeit behandeln, also als undialektisches anderes – als ob man mit Benzin (steht bildhaft für das andere) undialektisch ohne Automotor (steht bildhaft für das Bewusstsein - als verbindendes, vermittelndes Moment) und ohne die Fahrtätigkeit (steht bildhaft für das Subjekt, das Ich) fahren könnte (S.o. Kap.1.5.3., Anm.69.). Ja, ihr Fehler geht noch weiter: Sie halten nicht nur das andere (die Empirie) für das Ganze; sie halten auch noch bestimmte Erscheinungen des anderen, bestimmte Dinge in der Erscheinung (nämlich die, die durch unsere spezielle menschliche transzendentale Subjektivität konstituiert sind) für das Ganze. Das ist dann so, als ob man nicht nur behauptet, das Benzin alleine könnte fahren, sondern als wenn man auch noch nur eine bestimmte Benzinmarke als ausreichend für des Fahrvorgang erklärt. Denn es fällt natürlich die gesamte Hirnforschung unter den Skeptizismus gegenüber den Setzungen einer differenzierten Welt (das ganze Kap 1, besonders Kap. 1.1.2.), damit auch der Welt der Medizin.

Hier stellt sich auch die Frage nach dem Sinn von ethischem Unterricht. Mangelnde Entscheidungs-Freiheit ist aber kein Gegenargument, denn das vorgeprägte, (durch „genetische Anlagen und vor- und nachgeburtliche Erfahrungen“ - s.o) determinierte Ich reagiert auf bestimmte Einflüsse, zu denen auch der Unterricht gehört, in bestimmter Weise. Aufgabe der Pädagogik ist dann, den Unterricht im rationalen und intuitiv-affektiven Bereich so zu gestalten, dass das Ich -determiniert - darauf so reagiert, dass es sein Leben verstärkt (so intensiv wie mögllich) von Rücksichtnahme und damit von ethisch Guten geprägt sein lässt.




2.4.1. Das logisch-rationale Denken als Methode ethischer Vereinbarungen mehrerer angenommener Subjekte – Alternative der ethischen Intuition (vgl. 1.3.) - ethischer Unterricht

Während in Kapitel 1.6. unter der Bedingung der sicheren Realität Ethik sich nur auf das Verhalten des sicheren Ich gegenüber dem sicheren anderen an sich bezog, wird hier in Kapitel 2 auch die Realität weiterer Personen/weiterer Subjekte gesetzt / angenommen (S.o. Kap. 2.1.1.5..). Weil auf der Grundlage der Tatsache, dass das andere mit dem Ich interagiert (S.o. Kap.1.) hier in Kapitel 2 die Interaktionen des Ich mit dem sich auch in weiteren Subjekten konkretisierenden anderen behandelt wird, wird in der Ethik über das richtige Verhalten bei dieser Interaktion der verschiedenen Subjekte nachgedacht. Ein wichtiger Aspekt dieser Interaktion ist die Vereinbarung von Subjekten untereinander (S.u. Kap. 2.4.4.1.2.. (Gesellschaftsvertrag)). Vereinbarungen dienen
- dem Frieden anstelle der gewaltsamen Durchsetzung von Interessen des einen Subjektes gegenüber dem anderen;
- der Dauerhaftigkeit eines gemeinsamen Verhaltens über den Moment hinaus auch in der Zukunft.

Hier stellt sich die Frage nach der Methode, die mehrere Subjekte anwenden, um zu einer Vereinbarung zu kommen. Es bietet sich die Methode des logisch-rationalen Denkens an, die in diesem Traktat auch weiter angewendet werden soll. Wie in Kapitel 1.3. schon gezeigt wurde, ist das logisch-rationale Denken für die Wirklichkeitsanalyse aber nicht zwingend beweisbar und nicht unmittelbar evident.(257) Genauso kann natürlich hier ein anderes Subjekt die logische Methode ablehnen. Dann muss man ein logisch-vernüntiges Gespräch über Ethik mit ihm abbrechen.

Dieser Gesprächsabbruch führt aber keineswegs zu einer fatalen Situation. Warum nicht?
- 1. Weil ich sowohl logisch-denkerisch als auch intuitiv weiß, mit der ethischen heiligen Dialektik der Rücksichtnahme die Wahrheit zu haben.
- 2. Weil es vielleicht noch eine Chance gibt, mit meinem Gegenüber auf dem intuitiven, nicht-logischen Weg doch zum selben (von mir zusätzlich auch logisch begründeten) Ergebnis zu kommen.

Anm. 1. Wie oben in Kapitel 1 bei erkenntnistheoretischen Überlegungen erkannt, wäre es gerade ein Zeichen, nicht die absolute, umfassende Wahrheit zu haben, wenn man einen Bereich ausschlösse, z.B. das logisch-rationale Denken. Also muss sich die ethische Wahrheit auch – natürlich nicht nur – am logisch-rationalen Denken erweisen, natürlich auch an der Intuition. Das Gute ist aber immer auch vernünftig.

Außerdem spricht für die logische Methode, dass sie sich bei der Analyse und den Umgang mit der Wirklichkeit bewährt hat und man aus Bequemlichkeit etwas Bewährtes bis zur gegenteiligen Erfahrung nicht ändert, auch wenn es nicht als sicher bewiesen werden kann – ähnlich wie bei der Setzung der Differenziertheit der Welt.(258)

Da in Kapitel 1 die allgemeine Wahrheit der heiligen Dialektik gezeigt wurde, ist sie die Wahrheit auch von jedem Menschen. Das heißt, dass jeder Mensch, alle seine Lebensbereiche nur dann mit sich selbst im Einklang sind, wenn sie nach der Ethik der Rücksichtnahme gestaltet werden. Aufgrund der Absolutheit des dialektischen Bezogensein und der Ethik der Rücksichtnahme kann man sagen, dass jede Logik und jede Intuition immer zu dieser Ethik führt, wenn sie richtig verstanden wird. Aus dieser Einsicht folgt ein Optimismus im Blick auf die Stärke und Zukunftsaussichten des Guten.

Anm. 2. Die Ebene der intuitiven Kommunikation ist zum Beispiel das Vorleben, das Erzählen von realen ethisch guten Taten oder von ethischen Beispielgeschichten (wie z.B. Gleichnisse in der Bibel oder ethisch lehrhafte Romane), das Erzählen oder Predigen vom Guten, so dass die heilige Wahrheit von Dialektik und Rücksichtnahme deutlich wird. Auf diese lebensweltlich-intuitive Weise sind schon viele auf den ethisch guten Weg gekommen (259). Auf diesem Weg kann man auch mit jemand die ethischen Schritte der folgenden Kapitel gehen. Lehrer an Haupt- und Berufsschulen sollten diese intuitive Methode bei nicht so rationalen Schülern beherrschen.

Bei allem Respekt vor dieser Methode ist es doch ein umfassenderer und besserer Weg, wenn man neben dem intuitiven Vermitteln und Spüren des Guten auch die logischen Begründungen zusätzlich im Bewusstsein hat. Fischer geht hier deshalb zu weit, wenn er als Ethiker diesen Weg als den alleinigen und einzigen beschreibt: Es sei "die Sphäre der Moral .. überhaupt nur einer engagierten Einstellung und einem ebensolchen Denken erschlossen .., bei dem ... Emotionen eine entscheidende Rolle spielen."(260) Entsprechend bedeutet für ihn Ethik, "Situationen und Lebenslagen in ihrer moralischen Signifikanz zu verstehen, denn hieran bemisst sich die Richtigkeit von Handlungen."(261) So führt er als Beispiel an: "Der Grund für das Urteil, dass die Hilfe für die Verletzten richtig oder geboten ist, liegt in der wahrgenommenen Situation".(262)

So einleuchtend dies auf den ersten Blick erscheint, so massiv bestreite ich diese Position. Mit so einer Begründung hätte sich auch jemand Hitler helfend an die Seite stellen können, gerade als der Attentäter ihn umbringen wollte. Der Helfer hätte sich ethisch schlecht und falsch verhalten. Die Attentäter aber handelten nicht aus einer Einzelsituation heraus, sondern hatten wochenlang für sich und mit anderen unter Berücksichtigung eines Gesamtsystems der Ethik (für die Menschen) die Tat dieses Tötens ethisch abgewogen und sich dann für das Attentat entschieden. Viele KZ-Aufseher haben aus der Situation heraus flüchtende Gefangene erschossen und dies für ethisch gut gehalten, genauso wie der rechtsextreme Massenmörder Anders Breivik, als er sozialdemokratische Jugendliche auf der Insel Utoya sah, sie aus der Situation und mit dem Gefühl einer ethischen guten Tat erschoss, obwohl dies offensichtlich zutiefst böse war. Die unmittelbare, situationsbestimmte Überzeugung von Ethik und Menschlichkeit ist ambivalent und keineswegs zuverlässig. Unrationales, unreflektiertes Handeln aus der Situation kann zu Hilfe führen, die eigentlich den Menschen und dem Guten schadet und sie kann uns zu bösen Taten führen, deren Bosheit wir nicht erkennen, weil wir nur die Situtation und nicht das Ganze sehen. Aus diesem Grund ist es so wichtig, sich rational ethische Gedanken zu machen und das, was Fischer ablehnt, sollte genau die ethische Vorgehensweise sein: Der Grund dafür, dass wir z.B. Verletzten helfen, sollte sein: der rationale „Gedanke, dass es moralisch richtig oder geboten ist, ihnen Hilfe zu leisten."(263)

Nun kann gegen meine Position eingewandt werden, dass es auch große ideologisch-ethische Systeme gibt, die das Böse massivst vertreten und auch schon politische Macht hatten (z.B. der orthodoxe Kommunismus). Das muss zugegeben werden. Jedoch gibt es bei einer situationsbezogenen Ethik im Grunde keine Anhaltspunkte und Maßstäbe dafür, ob man richtig entscheidet, weil eine endliche Einzelsituation an sich keine Wahrheit hat und absolut ambivalent ist. Sie bekommt ihre Bedeutung und Wahrheit erst vom Ganzen, auf das sie durch ihre Grenzen immer schon hinweist (S.o.Kap. 1.5.4..). Bei einem rationalen ethischen System ist zumindest schon einmal das System an sich eine Wahrheit, nämlich jede Situation im Blick des Ganzen zu sehen. So ist die ganzheitlich-systematische Methode schon an sich ein Aspekt ethischer Wahrheit. So ist es bei der Entwicklung zwar im schlimmsten Fall möglich, ein böses System zu entwickeln, aber die Wahrscheinlichkeit des bösen Ergebnisses ist geringer als bei der Situation für sich, die vollkommen unklar ist. Im Alltagsleben sind auch nicht-intellektuelle Mensschen so geprägt. Sie fragen – ganz systematisch – nach Gründen, wenn man sie zu einem bestimmten Handeln aufforrdert. Sie fragen auch kritisch bei einer scheinbar guten Handlungssituation nach Gründen, bevor sie diese wirklich als gut beurteilen, z.B.: „Ist das echte, gute Hilfsbereitschaft, weil er Not lindern will? Oder macht er es nur, um sich bei seinem Chef einzuschmeicheln und handelt damit wirklich gut?“ Und selbst wenn jemand von der guten Qualität seines Sitatuations-Handelns überzeugt ist, sollte er sie gedanklich in ein ethisches Gesamtsystem einbinden, weil auch hier die Wahrheit der Einzelsituation nur im Ganzen zu finden ist. (S.o. Kap. 1.5.4..)

Deshalb muss gegenüber Fischer die Priorität umgedreht werden: Das Verstehen ist nicht ein Hilfsmittel der ethischen Emotionalität einer bestimmten Situation, sondern Emotionen sind Hilfsmittel und Unterstützer für eine rationales Verstehen und Entscheiden in einer ethischen Situation. Wenn man von der ethischen Richtigkeit einer Handlung rational überzeugt ist, dann allerdings dürfen für die gute Sache auch intensive Emotionen eingesetzt werden.

Anm. 3. Trotzdem kann es sein, dass jemand den logischen Zugang zur Ethik ablehnt und sagt, seine Intuition sage ihm, dass er egoistisch leben will. Aus dem oben Gesagten folgt, dass dieser Mensch im Selbstwiderspruch lebt und diesen Selbstwiderspruch und diese Unwahrheit auch irgendwann negativ spüren wird. Das heißt aber nicht, dass er sich in jedem Fall zum Richtigen und Guten hin ändert. Nicht selten ist bei Menschen die dumpfe egoistische Intuition, Emotion stärker als die Vernunft der Rücksichtnahme und auch stärker als die Intuition der Rücksichtnahme. Das Problem gegenüber einem verstandesmäßig vorgetragenem Egoismus, dem man dann mit der beidseitig akzeptierten Logik entgegengtreten kann, ist hier nun, dass man bei solch intuitiven, ethisch schlechten Behauptungen keine weitere Entgegnungsmethode mehr hat.

Dogmatiker religiöser oder nichtreligiöser Weltanschauungen verstecken sich gern hinter diesen Mauern der Intuition. Sie sagen dann, dass sie ihre Meinung, die ihnen durch Intuition klar ist („was ihrer Meinung nach unnatürlich sei“ oder auch: „was ihnen Gott gesagt hat“), nicht begründen könnten und bräuchten. Dabei widersprechen diese irrationalen Ansichten zusätzlich nicht selten der Dialektik der Rücksichtnahme. Und als dritte (negative) Verstärkung kommt nicht selten hinzu, dass sie ihre (intuitive) Einsicht notfalls auch mit Gewalt durchsetzen. Ähnlich, aber noch eindeutiger egoistisch ist der Fremde bei Camus, der seine reine Ich-Intuition (ohne Einbindung in irgendeine überindividuelle Bezogenheit oder Verantwortung) des Gefühls, dass ihn gerade jemand geärgert hat, weil er ihm in der Sonne stand, so auslebt, dass er diesen ermordet.(264)

Was ist nun die angemessene Antwort auf diese Haltung? Ich gehe mit ihm und seinem erklärten Egoismus so um, dass ich ihm entgegne, dass mir meine Intuition sagt, dass ich rücksichtsvoll den anderen achten soll. Bei Gewalt und Gefahr durch Egoisten, die entweder unmittelbar intuitiv handeln oder die ihren Egoismus durch scheinbar allgemeingültige Dogmen begründen, muss zur Auseinandersetzung mit Worten auch manchmal die physische Verteidigung und Auseinandersetzung hinzukommen.(265)

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2.4.2. Die (intersubjektive) Universalität der Ethik in der subjektiven Welt der Phänomene mit Raum und Zeit

Ethik erhebt anders als die zeit-, orts- und gruppenabhängige Moral den Anspruch auf Universalität und Allgemeingültigkeit.

Kritisch kann dazu nur gefragt werden, ob es so eine allgemeingültige Ethik überhaupt gibt.

Aber in Kap 1.6. wurde eine Ethik schon ganz grundsätzlich im Blick auf das „andere überhaupt“ als wahr erkannt. Auf der Grundlage von 1.6. ist dann also jedes differenzierte, bestimmte andere automatisch in diesem „anderen an sich“ eingeschlossen. Also gelten diese ethischen Grundsätze universell bei jedem anderen an jedem Ort und zu jeder Zeit.

Es bleibt die aufklärerische Einstellung wahr, es dürfe nicht das "gesellschaftliche Zusammenleben ... von kontingenten Bedingungen abhängen, die sich jederzeit ändern können. Erfordert ist vielmehr die Bindung an Gründe, denen jedermann unabhängig von den zufälligen Bedingungen der eigenen kulturellen und sozialen Prägung mit Notwendigkeit zustimmen muss."(266) (S.u. in Kap. 2.4.4.1. die universale Gültigkeit des Gleichheitsgrundsatzes und der von ihr abgeleiteten Demokratie.) Das sage ich im Gegensatz zu Fischer, der behauptet, es sei "die Vorstellung einer universalen, kulturübergreifenden Moral wirklichkeitsfremd"(267) und es sei für die Ethik in der Welt insgesamt „mit keinem objektiven Maßstab zu rechnen."(268) Das hat seinen Grund darin, dass er in der Art einer überzogenen postmodernen Position das Leben und hier die Ethik nur durch das Verstehen partikularer Situationen (269) definiert, die letzlich zusammenhang- und systemlos dastehen.

Fischer meint nun, dass es dem Vertreter einer solchen rationalen Ethik, der sich in seiner ethischen Motivation von der moralischen Erfahrung gänzlich unabhängig"(270) macht, „es .. eigentlich gar nicht um die Menschen geht."(271) Das mag zunächst so erscheinen. Aber hier wird das allgemeine Weltsystem und -prinzip der heiligen Dialektik wichtig, die eben den anderen schon vor (S.o.Kap. 1.6..) aller Erfahrung und vor jeder Situation einschließt und damit hier im Bereich des Konkreten auch jeden Mitmenschen.






2.4.3. Zusammenfassende Hierarchie ethischer Grundwerte

Ethische Hierarchie

1. Gleichheit (2.4.4.1.), abgeleitet aus der Wirklichkeitsanalyse in Kapitel 1

2. Gesellschaftsvertrag auf der Gleichheit der Mitglieder beruhend; Sicherung des Überlebens an sich; Demokratie mit dem Recht auf Ausreise (2.4.4.1.2.)

3. Verteidigung des demokratischen Gleichheitsstaates (2.4.4.1.3.)

4. Nachhaltiger Lebens- und Generationenschutz: Friedenspolitik, Verbrechensschutz, Umweltschutz, Schutz vor Überbevölkerung (2.4.4.1.4.)

5. Freiheit, d.h. Minderheitenschutz, weil Freiheit in der Demokratie nur für die Minderheit erforderlich ist; wirtschaftlicher Generationenschutz (2.4.4.2.1.)

6. Soziale Rechte, Minderheitenrechte (2.4.4.2.2.)

7. Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft (Indiviualethik, 2.4.5.)

Die politisch-ethischen Werte stehen insofern in einer Hierarchie, dass die einen Grundlage für die anderen sein müssen. Die Hierarchie sagt nichts über ihre ethische Qualität (die Wertigkeit des Guten (auf einer Skala von 0 bis 100%) gegenüber anderen hier genannten Werten) aus und schon gar nicht darüber, welche Werte für die Menschen im Alltag die größere Bedeutung haben.

Die Hierarchie sagt zuallererst, dass ein Wert mit einer höheren Ziffer alle Werte mit der niedrigeren Ziffer braucht, damit er seine ethisch gute Qualität hat. (Z.B. ist ein diktatorischer, sozialer Staat ethisch schlecht zu beurteilen, weil der vorhergehende Wert der Demokrartie nicht verwirklicht wurde (6. ohne 2.). 2.Beispiel: Selbst wenn durch Kopftuchzwang für Frauen die Vergewaltigung zurückgingen, wäre dies ethisch nicht gut, weil hier 4. verwirklicht wäre ohne 1. und ohne 2..).

Für die ethische Entwicklung eines Staates und einer Gesellschaft, die zuvor eine Diktatur war (wie Spanien und Portugal in den 70er Jahren, Chile in den 90er Jahren, der Irak heute), legt die Hierarchie die zeitliche Abfolge der Entwicklung und Verwirklichung der einzelnen Werte fest – beginnend mit 1..

Danach, wie weit ein Staat auf dieser Werteskala vorangegangen ist, kann seine ethische Qualität beurteilt werden und auch die ethische Qualität der verschiedenen Epochen dieses Staates.

Die Werte-Kategorisierung hier gibt der Entwicklung eines Staates und einer Gesellschaft die Richtung vor, in die er sich hin entwickeln soll, wenn er das ethisch Beste wirklich anstrebt. Insofern darf ein Staat nicht nur statisch danach beurteilt werden, wo er aktuell auf dieser Werteskala steht, sondern auch, ob er sich unter einer zeitlich-historischen Perspektive auf einen Weg gemäß dieser Skala gemacht hat. (Danach wären z.B. die Entwicklungen in den ehemals totalitären Staaten China, Russland, Albanien hin zu rein autoritären oder autoritär-halbdemokratischen Staaten positiver zu beurteilen als sich nicht weiterentwicklende Staaten wie Saudi-Arabien und Nordkorea. Vor allem ist aber zu fragen, ob diese Staaaten mit guter Entwicklung positiver zu beurteilen sind als z.B. Italien, dass zwar immer noch auf dieser Skala weiter vorne steht, aber in letzter Zeit keine positive Weiterentwicklung genommen hat, z.B. keinerlei Verbesserungen für die homosexuelle Minderheit vorgenommen hat.)

Die Punkte 6. und 7. stehen insofern nicht umfassend in einer Hierarchie, als nicht erst 6. für alle Bereiche der Gesellschaft verwirklicht sein muss, damit 7. in Angriff genommen werden kann. Diese Hierarchie gilt nur innerhalb eines Gesellschaftsbereiches.

In Deutschland z.B. wurde beim Umgang mit Homosexuellen zunächst deren Strafbarkeit und berufliche Ächtung als Freiheitsmaßnahme (6.) abgeschafft und danach wurden Minderheitenrechte wie die Ehe für alle (2017) (7.) eingeführt. (Vergleiche hierzu besonders die ethisch positive Entwicklung des Umgangs mit Queers bei der Bundeswehr von 3. zu 4. und schließlich zu 5. (https://bwqueer.farbenfroh3.de))

Während es sich hier um eine Hierarchie der ethischen Systematik und Genese unter gegenwärtigen Bedingungen handelt, gibt es eine weitere Hierarchie: nämlich zwischen dem primären ethisch Guten der Rücksichtnahme und Bezogenheit und dem sekundären ethisch Guten der Abwehr des ethisch Schlechten (nämlich der Rücksichtslosigkeit und Selbstbezogenheit) (272). (S.o.Kap.1.6.1.) Zum primären ethisch Guten gehören hier vor allem die Punkte 1, 2, 6 und 7, zum sekundären die Punkte 3, 4 und 5.

In den folgenden Kapiteln gehören zum sekundären ethisch Guten (Abwehr des ethisch Schlechten): 2.4.4.1.2.2., 2.4.4.1.3., 2.4.4.1.4., 2.4.4.2.1., 2.4.4.2.3., 2.4.4.3., 2.4.5.3.1.. Alle anderen Kapitel gehören zum primären ethisch Guten. In jedem Fall ist anzustreben, dass das primäre, ethisch Gute gegenüber dem sekundären immer stärker überwiegt.

Dementsprechend kann man auch die Berufe einteilen, die fast alle dem Mitmenschen dienen und damit zum ethisch Guten gehören: Zum primären ethisch Guten gehören Lehrer, Kindergärtner, Fahrer von Verkehrsmitteln, Bäcker, Gärtner, Landwirte, Architekten, Mitarbeiter in einer Telekommunkationsfabrik..... Zum sekundären ethisch Guten gehören: Militär, Polizei, Gericht, Gewerbeaufsichtsamt, Umweltaufsichtsamt zur Aufspürung von Umweltzerstörung..... Das beinhaltet aber keine ethische Abstufung der Berufe. Im Gegenteil sind die Berufe der sekundären ethischen Kategorie in gewisser Weise die ethisch Wichtigeren, weil sie die Grundlage für alles Weitere bilden und erst die Freiheit für allles weitere ethische Handeln ermöglichen.

Die einzelnen ethischen Werte werden nun in den folgenden Kapitel genauer behandelt.

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2.4.4. Handlungsgrundlage des Guten: Der freiheitliche, auf Gleichheit beruhende Staat, Toleranz, Demokratie (Sozial-Ethik (Öffentliche Ethik))

Hier wird die 2.Voraussetzung zum Glücklichsein behandelt (S.o. Kap. 1.6.1.).

Hier werden nicht nur Regeln und Pflichten für den Staat an sich behandelt, sondern es geht auch um die Pflichten des einzelnen gegenüber dem Staat. Es geht also auch um den einzelnen im öffentlichen Bereich im Gegensatz zum einzelnen als Privatperson (S.u. Kap. 2.4.5..) Deshalb kann man hier statt von einer Sozialethik auch von einer öffentlichen Ethik sprechen.

Die Reihenfolge der behandelten Punkte entspricht ihrer ethischen Gewichtung.

2.4.4.1. Anerkenntnis der Gleichheit

Aus der Dialektik von Ich und anderem, dass nämlich das Ich besteht und unabhängig vom anderen (vg. Kap. 1.1.2. (273)) ist und bleibt und dass andererseits das Ich und das andere sich notwendig bedingen (vgl. Kap. 1.1.4.1.) und sich beständig im Bewusstseinsprozesse der Übergehens befinden (vgl. Kap 1.5.1.), folgte der ethische Grundsatz der Rücksichtnahme, der beinhaltet, dass das Ich an sich selbst denken soll, aber andererseits auch an das andere. Auf der Basis der in 2.1. vorgenommenen Setzung der Differenziertheit der Wirklichkeit, wurde auch angenommen, dass die Existenz anderer Menschen außer dem Ich gegeben ist (274). Der andere Mensch ist also Teil des differenzierten anderen.

Der ethische Grundsatz der Rücksichtnahme wurde in Kap. 1.6.1. weiter entfaltet: Bezogenheit auf das andere, Achtung des anderen, was wiederum Freiheitsermöglichung und geringstmöglichem Zwang gegenüber dem anderen beinhaltet, auch Bescheidenheit (S.o.Kap. 2.1.4. und s.u. Kap. 2.4.5.3.1..) und Friedfertigkeit gegenüber ihm und ein positives, unterstützendes Zugehen auf das andere. Auf der anderen Seite schließt dieser Grundsatz Selbstherrlichkeit, Abschottung gegenüber dem anderen und Überheblichkeit aus. Diese Werte, zusammengefasst im Begriff der Rücksichtnahme als Ausdruck der dialektischen Grundwirklichkeit, beinhalten nun ganz grundlegend, den anderen Menschen in gleicher Weise (275) (nicht geringer, auch auch nicht höher) wie mich zu behandeln, und dass heißt ihn als gleich, gleichwertig, gleichberechtigt anzusehen.

Weil die Gleichheit nun ein so fundamentaler Ausdruck der absoluten, dialektischen Wirklichkeit für eine nachhaltige, absolute Ethik (S.o. Kap. 1.6.1..) ist, deshalb wird dieser Wert nun in deontologischer Rigorosität vertreten – ausgenommen einer politischen Verletzung der 4 politischen Kernpunkte (S.u. Kap. 2.4.4.1.3.3..), die notwendige (analytische) Eigenschaften von Gleichheit-Demokratie selbst sind. Selbst wenn ich oder andere durch Gleichheit-Demokratie eigene Nachteile erleidet oder meint, es wäre nicht die fähgiste Regierung an der Macht, gilt dieser deontologische Grundatz.

Analog dazu kommen wir auf diese Systemtik und innere Ableitung verschiedener Werte mit dem Ergebnis der Gleichheit auch, wenn wir bei den skeptizistischen Einsichten im Blick auf das andere, das materiell Endliche ansetzen (S.o. Kap.2.1.4..):
Wenn ich skeptizistisch um die mangelnde Sicherheit/Gewissheit(S.o. Kap. 2.1.1.1. bis 2.1.1.3..) weiß,
und zweitens um die mangelnde Beständigkeit (S.o. Kap. 2.1.2.) meiner Erkenntnisse im Blick auf die endlichen Bewusstseinsinhalte/Dinge,
andererseits zwar monotheistisch um die Wahrheit des Absoluten (Gottes), aber als eine mich umfassende (S.o. Kap. 1.5.1. und 1.5.2..) außerhalb von mir (S.o. Kap. 2.1.4..),
dann habe ich wiederum einen Grund zur Bescheidenheit, also dazu, mich durch mein „Wissen“ von endlichen Dingen nicht über den anderen zu stellen, sondern ihn als gleich, gleichwertig, gleichberechtigt anzusehen. Der Skeptizismus im Blick auf die endlichen Dinge schließt natürlich auch einen Skeptizismus im Blick auf die empirischen Fachwissenschaften (S.o. Kap. 2.1.1.2..) ein und entzieht so jeder Überheblichkeit oder gar einem aristokratisch-diktatorischen Regierungsanspruch der sogenannten Fachleute die Grundlage. (Expertokratie) Insofern sind der Skeptizismus im Blick auf die endlichen Dinge und sein Zwillingsbruder, der monotheistische Glaube an einen absoluten Gott, eine wichtige Wurzel und ein wichtiger Unterstützer von Gleichheit und Demokratie. In dieser vollständigen Sicht ist der Monotheismus also gerade nicht die Grundlage für Gewalt und Unterdrückung oder für eine antidemokratische, monarchistische, diktatorische Staatsform (was nichts anderes ist als purer Atheismus in manchmal frommem, monotheistischen Tarnkleid (S.u. Kap. 2.4.4.1.3..)), sondern gleichheitsorientiert und demokratisch ihr Gegenpol (S.u. Kap. 2.4.4.1.3..). Ich widerspreche hiermit entschieden der Position von Sloterdijk, der behauptet, es hätten "die klassischen Monotheismen .. polemogenes Potential"(276), also ein kriegserzeugendes, unterdrückendes Potential.

Dass Menschen unterschiedliche Stärken haben, z.B. unterschiedliche Leistungsfähigkeit, unterschiedliche Intelligenz usw., spricht nicht gegen ihre Gleichwertigkeit im Kontakt untereinander. Zum einen gibt es keinen logischen Grund, warum eine bestimmte Stärke eine Höherwertigkeit begründen soll. Zum anderen kann auch der intelligenteste Mensch nie die volle Einsicht in eine politische Entwicklung haben, weil menschliches Wissen (auch in seiner Höchstform) immer begrenzt ist und nie alle Faktoren berücksichtigen kann, so dass z.B. ein Mensch mit geringerer Intelligenz durch seine Intuition eventuell eine politische Entwicklung besser vorhersieht.

Warum gilt dies nur für andere Menschen, nicht aber für Tiere, auch nicht im gleichen Maße für Babys und Kinder, warum wird altersdementen Menschen und geistig Behinderten nicht diese gleiche Mitsprache (Geschäftsfähigkeit, Wahlrecht) zugesprochen?
Rücksichtnahme im Sinne von gleichberechtigter Mitsprache kann nur jemand zugstanden werden, der einen Ich-Willen formulieren kann (und das ist wiederum ganz nach dem dialektischen Prinzip davon abhängig, wieweit das Ich sein Bewusstsein entwickelt hat und das andere als anderes wahrnimmt und dadurch sein Ich mit seinem Willen in deutlichen Konturen erscheint). Ein Tier, auch ein Baby oder ein schwer dementer Mensch kann seinen Ich-Willen so nicht äußern. Ich kann und brauche ihm deshalb auch nicht die gleichberechtigte Mitsprache zuzugestehen. Leicht demente alte Menschen und ältere Kinder und Jugendliche können aber durchaus einen solchen klaren Willen haben. Deshalb wird diesen Menschen – gegenüber früheren autoritär-bevormundenden Zeiten – auch erheblich mehr Mitsprache zugestanden: Wahlrecht und Entscheidung über die Wohnung haben auch leicht demente Menschen. Ähnlich gibt es: Wahlrecht für Kinder und Jugendliche für Jugendparlamente, Kirchenvorstand und ähnliches.

Wir sind nun schon beim Wert der Gleichheit angelangt – ohne jede Axiome und unbegründete Setzungen. Es ist eine rein rationale Ableitung – unabhängig auch von Kultur, Zeit, Nation oder anderen Bedingungen oder Unterscheidungen. Auch wenn sich diese Gedanken historisch im europäischen Kontext entwickelt haben, ist dies kein Grund, diesen Gedanken als abhängig von einer Kultur zu kritisieren, weil sie eben aus keinerlei axiomatisch gesetzten kulturellen Voraussetzungen her argumentieren. Insofern widerspreche ich klar Papst Benedikt XVI., wenn er behauptet: „Die Werte, auf denen die Demokratie ... beruht, werden durch einen moralischen Glauben erkannt: Sie sind nicht rational zu begründen" (278).

Die erste Menschenrechtserklärung auf deutschem Boden, die 12 Artikel der oberschwäbischen Bauern, die in Memmingen 1525 im Rahmen der frühen Reformationszeit verfasst wurden, betonen im 3.Artikel genau diese Gleichheit, wenn dieser Artikel die Leibeigenschaft als scharfe Form der Ungleichheit kritisiert: „Ist der brauch byßher gewesen das man uns für ir aigen leut gehalten“(280) (War es bisher der Brauch, dass man uns für Ihre Leibeigene gehalten hat) - Gleich darauf betont er die Gleichheit : „Den Hyrtten gleych alls Den höchsten, kain außgenommen“(281) .(Den Hirten gleich als den Höchsten, keiner ausgenommen)

Über den in diesem Kapitel behandelten Wert der Gleichheit besteht großer Konsens unter den Staaten dieser Welt aus allen Kulturkreisen: Denn ohne Gegenstimme (282) beschloss die Vollversammlung der Vereinten Nationen am 10.12.1948 die "Allgemmeine Erklärung der Menschenrechte" (283):
- Durch die Worte „Alle Menschen" oder „Jeder Mensch" werden weltweite, kulturkreisübergreifende Werte formuliert.
- "Alle Menschen sind ... gleich an Würde und Rechten geboren." (Artikel 1)
- „Jeder Mensch hat Anspruch auf die in dieser Erklärung verkündeten Rechte ..., ohne irgendeine Unterscheidung, wie etwa nach Rasse, Farbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer und sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, nach Eigentum, Geburt oder sonstigen Umständen." (Art 2, Abs 1.)
- „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ (Art 7)

"Man kann die 'Allgemeine Erklärung der Menschenrechte' deshalb das Resultat eines geglückten Prozesses der 'Wertegeneralisierung' nennen, d.h. einer Verständigung zwischen einer Vielfalt von beteiligten Denk- und Kulturtraditionen."(284) - "Zur Vorgeschichte der 'Allgemeinen Erklärung' gehört nämlich, dass ohne die Bemühungen nicht-westlicher Akteure ... kein solch wirkungsvolles Dokument hervorgegangen wäre. .. Zu denken ist hier an ... asiatische Staaten sowie antikoloniale Bewegungen."(285) - "Antikolonialisten konnten die europäischen Regierungen beim Wort nehmen und ihre menschenrechtlichen Proklamationen gegen sie wenden."(286)

"Darüber hinaus ist die Menschenwürde eine Größe, die Werteverwirklichung nicht an eine bestimmte Religion, an eine bestimmte Weltanschauung, an ein bestimmtes kulturelles Vorverständnis bindet. Sie ist per definitionem übernational, überreligiös, überkulturell und daher universell."(287)

Ein weiteres Argument ist, dass auch die Verfassung Indiens aus einem ganz anderen Kulturkreis und mit der jahrtausendealten Kastentradition als 1.Grundrecht die Gleichheit nennt: „The State shall not deny to any person equality before the law ... Prohibition of discrimination on grounds of religion, race, caste, sex or place of birth.“(288)

Dass in manchen Kulturkreisen diese Werte auffallend wenig verwirklicht werden, ist kein Argument gegen das Gesagte, denn auch die massenhafte Missachtung eines Wertes in der Praxis ist nie ein Argument gegen seine Gültigkeit.

Dies bekräftigen auch die beiden großen christlichen Kirchen:
- "Die Menschenrechte sind ... universal". (289)
- "Für jeden Menschen, der irgendwo auf der Erde ..., wegen Hautfarbe, Geschlecht oder Religion diskriminiert oder an politischer Selbstbestimmung gehindert wird, ist über alle Kulturgrenzen hinweg evident, dass es ... zum Schutz der Würde jedes Menschen der Gewährleistung elementarer Rechte bedarf." (290)

Schließlich entspricht dieser Gleichheitsgrundsatz auch Kants kategorischem Imperativ, denn bei der gleichberechtigten Behandlung des anderen Menschen, gestehe ich ihm genau das zu, was ich mir für mich selbst wünsche: „§7 Grundgesetz der reinen paktischen Vernunft Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten können.“(291)

Wenn sich jemand nicht auf diese rationalen Überlegungen einlässt und auch nicht durch die intuitive Methode zur Akzeptanz der Gleichheit kommt, dann kann es zum einen bedeuten, dass er sich anderen unterordnen will, oder zum anderen (als Gegensatz zur 1. Einstellung), dass er sich über die anderen stellen will und über sie bestimmen will.

Ersteres dürfte unproblematisch sein, weil er Menschen finden wird, die sich ihm überordnen wollen. Dann ist in diesem Unterordnungsverhältnis zumindest insofern wieder auf einer höheren Ebene Gleichheit (und Freiheit, s.u.) gewährleistet, als beide dieses Verhältnis (unbeschadet seiner Ungleichheit im Inneren) als Gleichberechtigte eingehen (und dabei frei handeln).

Trifft aber letzteres zu (dass also jemand sich gegen den Willen der anderen über sie stellen will), dann muss klar geredet werden, dann müssen die Karten klar auf den Tisch gelegt werden. Verbrämungen wie „Das passt nicht zu unserer Kultur“ oder – noch bedenklicher – in scheinbarer Toleranz von außen gesagt: „Gleichheit kennen diese Leute seit Jahrhunderten nicht.“ verschleiern die eigentliche Einstellung. Letzlich geht es um diktatorische Herrschaft, die als Basis ein System der Ungleichheit braucht. Wäre diese andere Kultur nämlich so einheitlich (oder zumindest mehrheitlich) anders, könnten sich ja die Vorstellungen des Diktators und Unterdrückers einer demokratischen Wahl stellen und bekämen eine Mehrheit.(292) Fakt ist aber, dass in diesen Staaten viele Menschen unter der Ungleichheit leiden und dass die Herrschenden bei politischer Gleichberechtigung um ihre Macht fürchten müssten. Wenn jemand von außen aus einem demokratischen Staat heraus aber gegen die Entwicklung eines Gleichheitssystems mit dem Argument spricht, man müsse diese fremde Kultur achten, dann ist dies besondes verwerflich, weil er damit keineswegs neutral oder kultursensibel ist, sondern von außen die Unterdrückung von Menschen durch Ungleichheit unterstützt. Ein ganz anderer Punkt ist die Tatsache, dass es in manchen Staaten vielleicht viele Jahrzehnte braucht, bis sich ein Gleichheitssystem oder eine Demokratie (Indien mit seinem unmittelbaren Übergang vom Feudalismus zur Demokratie 1948 ist hier aber ein Gegenbeispiel (293).) entwickelt. Auf jeden Fall muss klar festgestellt und ethisch negativ gewertet werden, dass jemand, der sich über andere gegen deren Willen stellen will, die heilige Wirklichkeit der Dialektik, der Rücksichtnahme, des Übergehens und Eingehens auf andere schwer verletzt.

2.4.4.1.1. Warum überhaupt Staat?

Natürlich gibt es in entlegenen Teilen der Welt (unwegsame Wälder, Hitze- oder Eiswüsten) für einige wenige die Möglichkeit, als Einsiedler und - praktisch – (fast) ohne Staat zu leben. Er müsste nach Überspringen vieler der folgenden ethischen Punkte nur in 2.4.4.1.4.4. und in 2.4.4.2.1. den Umweltschutz beachten, (in 2.4.4.2.3. gegebenenfalls die Steuerzahlungspflicht) und auch in der Individualethik nur 2.4.5.1., 2.4.5.2. und 2.4.5.3.6..

Die meisten der Milliarden Menschen geraten mit (oft vielen) anderen in Interaktion. Deshalb stellt sich die Frage, wie diese Interaktion durchzuführen ist. Eine Möglichkeit ist die unmittelbare Selbstdurchsetzung, also das Faustrecht. Dies wurde gerade als Versuch, sich über andere zu stellen, ihnen den eignenen Willen aufzuzwingen als ethisch schlecht beurteilt.

Wenn aber erstens die Gleichheit aller Menschen erkannt wurde (2.4.4.1.) und wenn zweitens Menschen regelmäßig miteinander interagieren, dann ist diese Gleichheit nur durch verbindliche Vereinbarungen, durch Regeln durchführbar(294).

Der Staat ist grundlegend nichts anderes als ein
Regelsystem der Gleichheit der Menschen

(und natürlich dann auch der aus der Gleichheit folgenden Rechte und Werte (Freiheit usw., s.u. Kap.2.4.4.2.)). Diese funktionale Staatsdefinition finden wir auch in der französischen Menschenrechtserklärung von 1789: „Der Zweck allen gesellschaftlichen Zusammenschlusses ist, die natürlichen und unveräußerlichen Rechte des Menschen zu schützen und zu bewahren.“
(295)

Exkurs: Traditionen
Der Staat hat grundsätzlich nicht die Aufgabe, Tradionen zu erhalten oder einzurichten, und auch nicht, seine Bürger zu bestimmten inhaltlichen (z.B. Interesse an Literatur) Verhaltensweisen zu erziehen. Staatliche Traditionen sind grundsätzlich kritisch zu betrachten.
Staatlich-gesellschaftliche Traditionen (z.B. ein bestimmter Baustil an einem Ort; die Verpflichtung, eine bestimmte Tracht zu tragen) beinhalten phänomenologisch eine unterdrückende Macht der Vergangenheit (der Geschichte) gegenüber dem einzelnen und engen oft durch ihre Vorgegebenheit die demokratische Entscheidungsmöglichkeit und vor allem die Freiheit ein. (S.u. Kap. 2.4.4.2.1..).

In jedem Fall haben Traditionen für sich genommen keinerlei Wert. Traditionen können private (Traditions-)Vereine beliebig pflegen, staatliche Traditionen machen aber nur Sinn, wenn sie an die hier gezeigten allgemein gültigen Werte (Demokratie, Freiheit u.ä.) stabilisieren und ehren. Ein von vielen Traditionen geprägter Staat ist also geringer einzuschätzen als ein von Pionierhaftigkeit geprägter Staat, also ein Staat, in dem die ständige dialektische Bewegung statt Traditions-Starre vorherrrscht. Das ist eine deutliche Gegenposition zum Konzept des Kommunitarismus (z.B. Michael J. Sandel).

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2.4.4.1.2. Gesellschaftsvertrag auf der Gleichheit der Mitglieder beruhend; Sicherung des Überlebens an sich; Demokratie mit dem Recht auf Ausreise

Eine Zusammenfassung von Vereinbarungen, die verbindllich ist, nennt man Vertrag, der sinnvollerweise zur Gewährleistung der Dauer und Erinnerung, schriftlich abgefasst wird. Ein solcher Gesellschaftsvertrag kann dann zum Beispiel auch Verfassung oder Grundgesetz genannt werden.

2.4.4.1.2.1. Demokratie

Wenn also Menschen einen Gesellschaftsvertrag erarbeiten oder mit einem Gesellschaftsvertrag zusammenleben, dann stellt sich die Frage, nach welcher Methode die einzelnen Punkte des Gesellschaftsvertrages und auch sonst des täglichen Lebens, die die Allgemeinheit betreffen, entwickelt werden. Dies ist die Basisfrage, weil sie vor allen inhaltlichen Punkten steht und Grundlage für alle folgenden Entscheidungen ist.

Wie im Kapitel 2.4.4.1. entfaltet wurde, ist der Wert der Gleichheit grundlegend und so dann auch die Basis für eine Verfassung.

Aus der Gleichheit der Menschen, die zu einem Gesellschaftsvertrag, einer Verfassung gehören, folgt unmittelbar die Methode (Gesellschaftsform) der Demokratie mit allgemeinem und gleichem Stimmrecht, wie es in Artikell 21, 3. der UN-Menschenrechtserklärung klar ausgesagt ist.: „Der Wille des Volkes ... muß durch periodische und unverfälschte Wahlen mit allgemeinem und gleichem Wahlrecht ... zum Ausdruck kommen.“(296)

Die Methode der Demokratie ist das grundlegendste, weil sie als Entscheidungsmethode immer jeden einzelnen Lebensvollzug der Gesellschaft begleitet. Sie steht analog zum „Ich“/“Ich denke“, das alle Bewußtseinsvollzüge als formale Grundlage begleitet.(297) Deshalb ist hier – wie bei der Gleichheit (S.o. Kap.2.4.4.1..) – deontologische Rigorosität erforderlich. Wenn in einer Gesellschaft nicht alle Lebensvollzüge ihrer Bürger von Demokratie (natürlich auch als indirekt-parlamentarische mit Repräsentanten) begleitet werden, dann haben wir zumindest teilweise eine Diktatur.

Ich würde es im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland bevorzugen, die Artikel 3 und 1 auszutauschen, also den Artikel der Gleichheit als Grundlage für die Demokratie an die wichtigste Stelle „1“ zu setzen.

Schon Aristoteles befürwortet die Demokratie beim Vergleich der verschiedenen möglichen Staatsformen: „Am wenigsten schlecht ist die Demokratie“ (“ἥκιστα δὲ μοχθηρόν ἐστιν ἡ δημοκρατία“(298)

So steht in der Verfassung der Vereinigten Staaten (von 1787, bis heute mit kleinen Änderungen gültig) genau diese auf der Gleichheit beruhende Demokratie am Anfang: „Das Repräsentantenhaus besteht aus Abgeordneten, die ... vom Volke gewählt werden“(299) Artikel 1 (Abschnitt 2)) . In der Verläuferin, der „Declaration of Rights“ des Staates Virginia vom Juni 1776 , lesen wir in Artikel 1: „That all men are by nature equally free and independent“(300) und in Artikel 2: „Alle Macht geht vom Volke aus und wird folglich von ihm hergeleitet.“(301) In der darauf folgenden amerikanischen Unabhängigkeitserklärung vom Juli 1776 steht dieser Gleichheitsgrundsatz gleich im 2.Absatz mit einer religiösen Begründung: „We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights“(302)

In Frankreichs Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 wird der Wert der Gleichheit auch im 1.Artikel - aber noch deutlicher - betont: „Frei und gleich an Rechten werden die Menschen geboren und bleiben es.“(303) und kurz darauf in Art 3 die Demokratie: „Alle Staatsgewalt ruht letzlich beim Volk.“(304)

Und auch in der UN-Menschenrechtserklärung findet sich die Gleichheit sofort in Artikel 1: "Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren."(305) (All human beings are born free und equal in dignity and rights.)

Warum steht der Wert der Gleichheit und die mit ihr verbundene Demokratie substantiell an 1.Stelle für die Entwicklung einer Staatsverfassung? Könnte es nicht auch der Freiheitswert ( S.u. Kap.2.4.4.2.1.) sein, der sich ja auch aus der dialektischen Wirklichkeit der Rücksichtnahme ableiten ließe? Die Gleichheit aber mit der ihr verbundenen Demokratie ist (auch gegenüber dem ziemlich formal-allgemeinen Freiheitswert) der allgemeinste, formalste und damit umfassendste Wert.

Etwas praktischer ausgesagt: Wenn man einen Gesellschaftsvertrag verfasst, stellt sich die Frage, welche Vollmachten die Teilnehmer im Verhältns zueinander jetzt und in Zukunft, wenn neue Fragen zu klären sind, haben. Es geht also um die Frage, wie Entscheidungsprozesse ablaufen, bevor ich mich mit einem speziellen Entscheidungsprozess, mit einer bestimmten zu entscheidenden Frage befasse. Auf der Suche nach der besten, grundlegenden Methode für Entscheidungsprozesse sind Geichheit/Demokratie unübertroffen. Das wichtige Freiheitsrecht ist an dieser Stelle kein gutes Angebot. Freiheit ist zwar relativ formal. Aber sie hat doch einen gewissen inhaltlichen (und damit auch einschränkenden) Aspekt, wenn es um die Fragen geht, welche Freiheiten welche Gruppen haben sollen, für welche Verhaltensweisen sie gelten sollen. Bevor diese Freiheitsfragen entschieden werden können, muss also über die Form des Entscheidungsprozesses entschieden werden. Dass die Antwort für die Frage nach der konkreten Form des Entscheidungsprozesses nun Gleichheit-Demokratie ist, das ist darin begründet, dass sie sich aus der dialektischen Wirklichkeit als Übergehen und Bezogensein auf das andere und dem dialektischen Grundwesen der Ethik der Rücksichtnahme als die allein mögliche ableitet.

Wichtig ist, dass auf dieser Stufe der Wert, das Prinzip der Demokratie rein formal bestimmt ist. Nur ein formales Prinzip garantiert Unterdrückungsfreiheit. Würde jemand irgendeinen inhaltlichen Punkt anführen, der für ihn unantastbare Voraussetzung ist, über den nicht abgestimmt werden darf, dann würde er in diesem Punkt diktatorisch handeln und die anderen unterdrücken. So hat John Rawls darauf hingewiesen, dass eine darüber hinausgehende, einengende Staatsdoktrin zu einem demokratisch-pluralen Staat nicht passt: "The ... democratic society ... given the reasonable pluralism characteristic of it. In such a society, a reasonable comprehensive doctrine cannot ... provide the content of public reason on fundamental political questions."(306) Gerade auf einer demokratisch-formalen Basis kann jemand sich als ein gleichberechtigtes Mitglied mit allen Punkten in diesem formalen demokratischen Prozess einbringen. Deshalb kann er eigentlich nur dann etwas gegen einen rein formalen Demokratieansatz haben, wenn er anderen bestimmte, eigene Dinge aufzwingen will (307) (auch wenn die eigenen diktatorischen Absichten oft mit schönen Worten wie "Wille Gottes, der über menschlicher Demokratie steht", „unaufgebbarer Bestandteil der Sittlichkeit“ verbrämt (308) werden).

Hier sind auch Positionen kritisch zu erwähnen, die - vor allem in der Politik - die Befolgung von Expertenwissen als Bedingung, Vorgabe und Einengung für demokratische Entscheidungen fordern, wodurch die Demokratie zur einer diktaturartigen "Expertokratie" würde: Es "zieht der Verweis auf Expertenwissen im demokratischen Diskurs indes prinzipiell demokratietheoretische wie auch demokratieprinzipielle Friktionen nach sich. ... Insoweit droht eine Herrschaft der Experten." (Münkler, Laura: Expertokratie. Zwischen Herrschaft kraft Wissen und politischem Dezisionismus, Tübingen 2020, S. 646f) "Die Neigung, Entscheidungen als sachlich oder rechtlich zwingend zu deklarieren, ... stellt eines der Hauptprobleme im Umgang mit Expertenwissen dar. ... Die Rede von mangelnden Alternativen ist in einer Demokratie somit kein gangbarer Weg." (a.a.O., S. 472f) "Daher kann politisch ... selbst über einen Expertenkonsens hinweggegangen werden.(a.a.O., S. 655) "In einer Demokratie muss ... letztlich die öffentliche Meinungsbildung darüber entscheiden, ob eine weitere Debatte stattfindet oder wissenschaftliche Aussagen als Fakten anerkannt werden."(a.a.O., S. 468) "Prinzipiell wird im Recht mittels der Letztentscheidung des demokratisch legitimierten Hoheitsträgers über Wissen sichergestellt, dass trotz der Einbeziehung von Expertenrat ... den Maßgaben des Demokratieprinzips genügt wird."(a.a.O., S. 652)

Das Primat der Demokratie, des Mehrheitswillens der Bevölkerung bedeutet, dass es bei der Gewaltenteilung eine Hierarchie gibt, an deren Spitze das Parlament (klassisch "Legislative" genannt) und Volksabstimmungen stehen. In diesem Sinne war im Jahr 2024 der Schlusspunkt der Amtszeit des linken mexikanischen Präsidenten Obrador "eine gigantische Justizreform. ... Sie sieht vor, dass von 2025 an so gut wie alle Richter im Land direkt vom Volk gewählt werden." (Christoph Gurk: Ein Populist tritt ab, Artikel in: Süddeutsche Zeitung vom 1.10.2024, S. 6)
Die Gerichte stehen am Ende und haben lediglich die Aufgabe,
für eine stimmige Anwendung der vom Parlament beschlossenen Gesetze und die Verhinderung von Vetternwirtschaft zu sorgen (zu verhindern, dass zB die Familien von Parlaments-Abgeordneten oder Regierung sich über die Gesetze hinwegsetzen).
Über die Rechtmäßigkeit von Gesetzen sollten Gerichte nicht entscheiden dürfen. Was den Menschenrechten entspricht, entscheidet letztgültig das Parlament und nicht das höchste Gericht. - "Der Rechtsstaat ist weder unantastbar noch heilig." (Oliver Meiler: Bruno Retailleau. Frankreichs neuer Innenminister, SZ, 2/3.10.2024, S.4)

Auch jetzt bei der Staatsform der Demokratie wurde rein rational ohne Axiome, Dogmen oder kulturelle Voraussetzungen vorgegangen – anders als Papst Benedikt XVI oben behauptet hat (309).

Diese Feststellung wird dadurch unterstützt, dass sich die bei weitem größte Demokratie gar nicht im europäischen Kulturkreis befindet, sondern Indien (310) ist, wo die Demokratie abrupt eingeführt wurde und seit 1947 bis heute – als Demokratie – gut funktioniert. Der indische Ökonom Amartya Sen unterstreicht diese Universalität der demokratischen Gleichheitswerte, indem er die europäische Kultur als notwendige Voraussetzung bestreitet: "Das sich jeder 'realistischen' politologischen Analyse eigentlich entziehende, ja in ihrem kategorialen Erkenntnisapparat widersprechende 'Wunder' des Fuktionierens der Demokratie auf diesem großen Subkontinent verdanke sich nicht etwa dem politischen Erbe des ehemaligen 'Mutterlandes' der parlamentarischen Demokratie (wie es zwar in Nordamerika, aber nirgends sonst in Englands Ex-Kolonien Wurzeln geschlagen hat), sondern jener spirituell begründeten 'Kultur des Argumentierens' und einer 'Gemeinschaftskunst'"(311) in Indien.

Ein weiterer Beleg dafür ist, dass der arabisch-marokkanische Philosoph und Geisteswissenschaftler Abed Al-Jabri, der vor seinem Studium zunächst eine Koranschule besuchte und eine Schneiderlehre absolvierte, Wurzeln der Demokratie in der eigenen arabischen Geschichte weit vor der europäischen Neuzeit entdeckt: "Wie kann sich das heutige arabische Denken die rationalistischen und 'liberalen' Ergebnisse seiner eigenen Tradition erneut in einer ähnlichen Perspektive aneignen wie .., als sie zum ersten Mal angeeignet wurden - .. Kampf gegen den Feudalismus, und der Wille, ein Reich der Vernunft und der Gerechtigkeit zu errichten, um ein freies, demokratisches und sozialistisches Gemeinwesen aufzubauen?"(312) - "Die Moderne, das ist vor allem Rationalität und Demokratie. Eine rationale und kritische Auseinandersetzung mit allen Aspekten unserer Existenz, von denen die Tradition eines der Elemente darstellt, die am stärksten in uns gegenwärtig und verwurzelt sind, ist der einzig wahre modernistische Weg."(313)

Gehen wir geographisch weiter in einen anderen kulturellen Raum, nämlich nach Bangla Desh, auch stark muslimisch geprägt, aber im Mittleren Osten in der Nachbarschaft zu Indien. Taslima Nasrin setzt sich hier unter Lebensgefahr als asiatische Muslima für Gleichheit und Demokratie ein – ohne eine kulturfixierte Perspektive: "Die Briten schafften z.B. mit Hilfe progressiver Inder die Tradition des Sati ab, wonach eine Witwe sich auf dem Scheiterhaufen ihres verstorbenen Mannes verbrennen lassen mußte. Das war ein Schritt vorwärts im Geschick der Frauen und ein moralischer Fortschritt der Menschheit."(314) Diese globale, kulturüberschreitende, auf die Menschheit bezogene Perspektive setzt sie fort, wenn sie auf antidemokratische Tendenzen in Europa hinweist und damit wiederum die Abhängigkeit der demokratischen Idee von der europäischen Kultur bestreitet: "Steigende Tendenzen bei Faschismus und Rassismus im Westen sind ein Beweis dafür, daß nicht jeder im Westen ein Demokrat ist."(315) Dementsprechend sieht sie den Hauptkonflikt nicht zwischen verschiedenen Kulturen oder Nationen, sondern zwischen freiheitlichen Demokraten und ihren Gegnern – jeweils als weltweite, internationale politische Gruppen: "So wird die letzte Schlacht nicht zwischen dem Islam und dem Westen geschlagen werden, sondern zwischen denen, die die Freiheit lieben, und jenen, denen sie nichts bedeutet."(316)

Im Gegensatz dazu wird manchmal von Menschen aus Afrika und dem muslimischen Nahen Osten die Abhängigkeit pluraler, demokratischer und anderer freiheitlicher Überzeugungen von der europäischen Kultur behauptet (S.o. Kap. 2.4.4.1..), während ihre eigene Kultur statt Pluralität mehr Gemeinschaft und Einheit betonen würde. Zum einen vereinahmt eine solche Sicht geschlossener Kulturkreise die gesamte eigene Bevölkerung in autoritär-diktatorischer Weise unter die eigene Meinung. Dass dies auch nicht der Realität entspricht, zeigt die Stellungsnahme oben von Herrn Al-Jabri und Frau Nasrin und die erwähnte Tatsache, dass es in Europa auch Anti-Demokraten, z.B. Faschisten, gibt.

Bei dieser gemeinschafts- und einheitsorientierten Argumentation ist zunächst zu fragen, wer definiert, was die gemeinschaftlichen Werte sind, nach denen sich alle richten mussen. Wenn sie von einzelnen Personen definiert werden (vom Kritiker selbst zum Beispiel) oder auch von der Tradition, dann unterdrücken sie andere, dann stellen sich einzelne Menschen über andere: diejenigen, die diese Grundsätze neu selbst festlegen oder die gegebene Systeme (z.B. Traditionen) befürworten und damit in beiden Fällen ihre Meinung anderen aufzwingen. Die Behauptung, nur Traditionen zu verteidigen, sogar noch „Traditionen (Gebote) Gottes“, ist nichts anderes als eine Tarn- und Vernebelungsstrategie dafür, dass sie ihre Meinung durchsetzen wollen und ihre Meinung für höher und wichtiger achten als die der anderen Menschen. Genau dies finden wir zum Beispiel in der Verfassung des Iran, im Artikel 4 mit der Überschrift "Islamic Principle": „All civil, penal financial, economic, administrative, cultural, military, political, and other laws and regulations must be based on Islamic criteria.  This principle applies absolutely and generally to all articles of the Constitution as well as to all other laws and regulations, and the wise persons of the Guardian Council are judges in this matter."(317) Eine solche Überordnung inhaltlicher Prinzipien erfordert einen Ausleger dieser Prinzipien. Der iranische Wächterrrat mit dem Vorsitzenden Ayatollah Chameini ist der oberste Souverän im Iran, und er bestimmt als Ausleger, welche Gesetze des Parlaments islamisch und damit erlaubt sind: "the wise persons of the Guardian Council are judges in this matter". Ansonsten hebt er autoritär Entscheidungen des Parlaments auf, dem damit seine demokratischen Rechte genommen werden. Der Wächterrat kritisiert westliche Demokratie als nicht- oder wider-göttlich mit einem getarnten diktatorischen Interesse. Denn er lässt im Iran nicht das Volk demokratisch entscheiden, was islamisch ist, sondern diese kleine politbüro-ähnliche Gremium hat diese Kompetenz an sich gezogen und ist damit eine diktatorische Macht.

Dass mit Demokratie der ethische Wert der Gemeinschaft verbunden werden kann, wird in dieser Abhandlung klar (S.u. Kap. 2.4.4.1.4., 2.4.4.2.2. und 2.4.5.3..), so dass dann die "anti-westliche" Kritik ins Leere läuft. Möchte man aber vorausgesetzte, festgeschriebene Gemeinschaftswerte, die nicht demokratisch hinterfragt werden dürfen, dann werden diese Werte dadurch ethisch verwerflich, dass sie der Bevölkerung diktatorisch aufgezwungen werden. Dies ist in der Tat in manchen Staaten Afrikas und des Nahen Ostens (besonders Iran), aber auch in Nordkorea der Fall.



Vgl. einen ausführlichen Aufsatz zur philosophischen logisch-rationalen Begründung der Demokratie als bester Verfassungsform im Staat und der Kirche: Demokratie als ethisch beste Entscheidungsmethode in Staat und Kirche, hier unten
und das Buch: Scheel, Wolfgang: Demokratie als christliche und kirchliche Entscheidungsmethode, Saarbrücken 2016 (ISBN 978-3-8416-0662-4)

2.4.4.1.2.2. Gleichheit und Gerechtigkeit bei Minderjährigen

Während Erwachsene ihre Gleichheitsrechte ausüben und in Anspruch nehmen können, gibt es eine Gruppe von Menschen, die das eine gewisse Zeit (bis zum Erwachsenwerden in Stufen) nicht können. Hier ist auf jeden Fall der Staat gefordert einzugreifen.

Das bedeutet zum einen, dass der Staat Kinder in Schritten auf ihre demokratischen Gleichheitsrechte hinführt – durch Schulunterricht und praktische Maßnahmen wie Kinderparlamente.

Das beinhaltet zweitens Abwehrmaßnahmen gegen die Verletzung dieser Gleichheitsrechte bei Kindern: zum einen die staatliche Kontrolle, die Kinder vor Gewalt, Ausnutzung und Missbrauch zu schützen und im Verdachtsfall ihr Lebensumfeld zu kontrollieren. Es ist beinhaltet auch die Vermögensrechte von Kindern zu schützen.

Außerdem muss der Staat eine Grundversorgung von Kindern gewährleisten: durch Geldzahlungen, die nicht durch Steuerfreibeträge Wohlhabende bevorzugen dürfen, oder durch Sachleistungen in Form von Freizeit- und Bildungspässen u.ä..

Damit die Minderjährigen, die jeweils volljährig werden, dann im vollen Sinne an der Gleichheit (im Blick auf die Entscheidungen der früheren Generationen) teilhaben, steht der Gesellschaftsvertrag sozusagen täglich zur Debatte, die Verfassung und die auf ihrer Basis gefällten weiteren Entscheidungen.

2.4.4.1.2.3. Sicherung des Überlebens an sich; Schutz vor Mord und Tötung

Neben der gleichberechtigten, demokratischen Achtung, die Grundlage für allle meine weiteren Lebensvollzüge im Staat ist und sie begleitet, muss die Gesellschaftsmitglieder - so banal es auch klingen mag - bei allen Aktivitäten im Staat ihr Leben/Überleben begleiten. Sonst können sie nicht als Bürger agieren. Hier handelt es sich um die 2. fundamentalle Grundlage eines Gesellschaftsvertrages.

Die Bedrohung, getötet zu werden, kommt von Mitbürgern oder den Bürgern anderer Staaten, wenn sie einen Angriffskrieg führen. Ich gestehe dem anderen Bürger und jedem Bürger eines anderen Staates sein Lebensrecht zu und möchte – in Gleichheit – auch leben. „Jeder Mensch hat das Recht auf Leben.“(318)

2.4.4.1.2.4. Das Recht auf Ausbürgerung/Ausreise

Dass Menschen die Chance haben, an der Erstfassung eines Gesellschaftsvertrages, ihrer Verfassung mitzuwirken, ist eher selten der Fall“(319). Jedoch würde der demokratische Gleichheitsgrundsatz verletzt, wenn die Mitglieder eines Staates nicht jederzeit das Recht hätten, über den Gesellschaftsvertrag zu befinden.

Das geschieht einmal durch Volksabstimmungen und/oder das gewählte Parlament: Mit einer bestimmten – großen, meist weit über 50% liegenden - Mehrheit kann die Verfassung geändert werden. Wird die Verfassung nicht geändert, ist eben keine ausreichende Mehrheit für eine Änderung vorhanden, d.h. genügend Menschen sind mit der gegenwärtigen Verfassung zufrieden. Insofern kann man sagen, dass ein Gesellschaftsvertrag jeden Tag neu geschlossen wird.

Wenn jemand die Wartezeit zur nächsten Wahl zu lang ist oder er mit dem durch Mehrheit beschlossenen Gesellschaftsvertrag nicht einverstanden hat, gehört zum Gleichheitsrecht, dass er jederzeit diese Gesellschaft verlassen darf, also mit gleichem Recht sie ablehnen darf, wie die Mehrheit sie bejaht und in ihr bleiben will. Deshalb ist das Recht der Auswanderung und das Recht, die Staatsbürgerschaft zu wechseln, ein primärer Wert, der in einer Verfassung in den ersten Artikel als Absatz oder in den 2.Artikel als eigenes Thema gehört. In der UN-Menschenrechtserklärung steht in Art 13, Abs 2.: „Jeder Mensch hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen sowie in sein Land zurückzukehren."(320) und in Art 15 Abs 2. steht: „Niemandem darf ... das Recht versagt werden, seine Staatsangehörigkeit zu wechseln."(321) Leider wird dieses Grundrecht im Grundgesetzt nicht ausdrücklich erwähnt, sondern ist in ihm nur implizit enthalten. Zu überlegen ist, ob ein Bürger, der einen Staat verlassen will, in dem er aufgewachsen ist, gegebenenfalls Ausbildungsgelder, die in ihn investiert wurden, zurückzahlen muss. Dies würde auch dem Gleichheitsgrundsatz entsprechen, denn es sind Gelder, die von anderen Bürgern gekommen sind, die sich von gut gebildeten Mitbürgern einen späteren Vorteil für ihren Staat erwartet haben.

In diesen Gedenken stelle ich dar, was im Blick auf die Staatsethik ethisch richtig ist und welche ethische Rangordnung die einzelnen Bereiche haben. Wenn Staaten diese Punkte nur teilweise verwirklichen, ist es immer noch die Frage an den einzelnen, ob und wann er – während der Gründungsphase eines Staates – aus dem Verfahren zur Bildung eines Gesellschaftsvertrages aussteigt, oder - wenn er in einen lange existierenden Staat hineingeboren wurde - wann er auswandert. Nur durch das Recht auf Auswanderung behält der Bürger sein gleichwertiges Recht am Gesellschaftsvertrag.

Das Recht, den Staat jederzeit zu verlassen, ist sozusagen der Lackmus-Test, ob in diesem Staat die Bürger wirklich in jedem Augenblick das Grundrecht der Gleichheit genießen.

Unwichtig für diese Überlegungen ist die Frage, ob man das Recht zur Einwanderung hat, in wie viele Staaten man einwandern darf, wie angenehm das Leben in den Einwandererstaaten ist. Bei Freiheiten und Rechten ist grundsätzlich wichtig, dass man von außen nicht an Handlungen gehindert wird (Freiheit von äußerem Zwang"(322)). Es kann aber nie bedeuten, Rechte zu etwas Bestimmtem zu haben (Freiheit zu etwas). Das heißt, die Frage, wieweit man seine Wünsche und Freiheiten verwirklichen kann, hängt immer von den Gegegenheiten des anderen ab.




Es handelt sich also um 4 Grundrechte, die alle abgeleitet sind aus dem Gleichheitsgrundsatz und alle unlösbar miteinander verzahnt, fast identisch sind:

- Demokratie,
- das Recht auf Ausreise,
      - Schutz des Lebens
            - vor Mord durch Mitbürger,
            - vor einem Angriffs-Krieg.

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2.4.4.1.3. Aktive Ablehnung der Demokratie, des Ausbürgerungsrechts und des Rechtes auf Leben
und deren Verteidigung auch mit Gewalt

Nun ist es möglich (und kommt gar nicht so selten vor), dass Menschen den Gleichheitswert und diese 4 aus ihm abgeleiteten Grundsätze ablehnen und dementsprechend auch handeln, also z.B.: anderen im Staat undemokratisch ihren Willen aufzuzwingen versuchen, z.B. Menschen im eigenen Land nicht ausreisen zu lassen (Politik im ehemaligen Ostblock), (noch brutaler:) andere zu ermorden (323), kriegerisch anzugreifen, usw.

Es klingt nun zwar gut, wenn Papst Benedikt XVI. schreibt:, dass „die Wahrheit nicht Produkt der Politik (der Mehrheit) ist, sondern ihr vorangeht und sie erleuchtet"(324). Die Argumentationsabsicht wird dann einige Seiten später deutlicher, wenn er schreibt: „Der Staat muß demgemäß das für ihn unerlässliche Maß an Erkenntnis und Wahrheit über das Gute von außerhalb seiner selbst nehmen."(325) Dieses außerhalb wird sodann von der Kirche angeboten, womit er genauer seine, die römisch-katholische Kirche meint. Die Worte klingen gut. Aber immer dann, wenn im Unterschied und Gegensatz zur Mehrheitsentscheidung eine neue Größe durchaus gut klingend wie "Wahrheit" angeführt und vor allem der Demokratie vorgeschaltet wird, heißt dies nichts anderes, als dass die Mehrheit nicht entscheiden soll. Da aber irgendjemand entscheiden muss, muss es sich dann zwangsläufig um 1 oder mehrere Menschen handeln, die in der Minderheit sind (sonst könnten sie es ja zur Abstimmung stellen). De facto handelt es sich dann immer um gut verbrämte diktatorische Maßnahmen und natürlich fühlt sich der Vorschlagende selbst zu dieser Minderheit gehörig, die sich berechtigt fühlt, der Mehrheit ihren Willen aufzuzwingen.

Zwar sagt der Papst in seinem Buch, dass er die Demokratie befürwortet. Aber mit der Argumentationsstruktur des Papstes, die bestimmte nicht diskutierbare Inhalte als Anfangs-Axiome festschreiben will, bevor der demokratische Prozess beginnt, kann sich jeder Diktator rechtfertigen. Hat man einmal so ein undemokratisches, nicht diskutierbares Axiom zugelassen, hat man die Büchse der Pandora geöffnet: Denn in diesem Axioms-Prinzip ist überhaupt nicht festgelegt, wieweit es sich ausdehnen kann. Der denkbare Umfang dieses undemokratischen Bereichs ist fließend. Der Papst will vielleicht nur über die Homo-Ehe nicht abstimmen lassen, ihr Verbot zum Axiom erklären und ansonsten demokratische Freiheiten zulassen.
Ein anderer Diktator aber erklärt viel mehr zum unaufgebbaren Axiom: das Verbot von Privatbesitz verbunden mit einem sogenannnten gesellschaftlichen Klassenbewusstsein, das Verbot der Mischung von Menschen unterschiedlicher Hautfarbe, die Übereinstimmung mit einem sogenannten Volkstum oder (z.B. aus islamistischer Perspektive) das Verbot von Kosmetik, Kino, Fotos, Mädschenschulen usw. als widergöttlich.
Glaubensvertreter, die die monotheistischen Religionen wie Christentum, Judentum und Islam richtig verstanden haben, hüten sich wegen des Glaubens an die eine absolute Wahrheit, die über und außerhalb von ihnen ist, gerade vor jeder noch so schwachen Form von Diktatur und Axiomsetzung und sind glühende Unterstützer der auf der Gleichheit (in der Kleinheit vor Gott) beruhenden Demokratie (S.u. Kap. 2.4.4.1..). Religiöse (fundamentalistische) Demokratiekritiker und Diktatoren sind ihrem Wesen nach Atheisten und Feinde des Glaubens und Gottes (S.u. Kap. 2.4.4.1..), weil sie die Differenz zu Gott aufgeben und sich – wie manche Atheisten – im Besitz der absoluten Wahrheit wähnen. Das fromme und strenge religiöse Vokabular und ihre persönlich-subjektive Überzeugung ändert nichts am atheistischen Wesen ihrer Position.
So hat z.B. die Organisation der Islamischen Konferenz im Jahr 1990 die "Cairo Declaration on Human Rights in Islam" verfasst und darin die Menschenrechte unter Bezug auf den Islam und die Scharia eingeschränkt. Man findet dort "in Art.10 eine Vorrangstellung des Islam und schränkt die Religionsfreiheit für Nichtmuslime ein."(326) - Z.B. auch Einschränkung der Redefreiheit: "Everyone shall have the right to express his opinion freely in such manner as would not be contrary to the principles of the Shari'ah."(327) In den letzten beiden Artikeln wird zusammenfassend gesagt, dass alle Menschenrechte sich der Scharia unterordnen müssen, ihr unterstehen ("are subject to"): "Article 24: All the rights and freedoms stipulated in this Declaration are subject to the Islamic Shari'ah. Article 25: The Islamic Shari'ah is the only source of reference for the explanation or clarification of any of the articles of this Declaration."(328) Die "in den islamischen Ländern überwiegend praktizierte Exegese des islamischen Rechts führt dazu, dass der Scharia-Vorbehalt einzelnen Menschenrechten tatsächlich entgegensteht."(329) "Diese Haltung ist mit dem Verständnis der Menschenrechte ..., wie es in den Abkommen der Vereinten Nationen zum Ausdruck gebracht wird, nicht vereinbar."(330)
Da irgend ein Mensch feststellen muss, ob und in welchem Umfang die Scharia den Menschenrechten Grenzen setzt, ist auch hier repressiv-diktartorischer Willkür Tor und Tür geöffnet. In diese demokratiefeindliche Linie passen z.B. die religionsdiktatorischen Systeme im Iran und in Afghanistan unter den Taliban und natürlich die von der Kirchenführung geprägte repressive, inquisitorische Gesellschaftsform des europäischen Spätmittelalters.

Wegen der fließenden Übergänge bei der Definition dieser "unaufgebbaren" Axiome kann dann praktisch das ganze Leben der Gesellschaft totalitär geregelt sein. Und der Diktator gibt sich dann demokratisch, weil er neben all den Axiomen zur Abstimmung freigibt, ob die Straßenlaternen in der Hauptstadt gelb oder weiß sein sollen. Strukturell hat aber dieser Diktator nichts anderes als der Papst gemacht: Undemokratische Axiome gesetzt und daneben Demokratie zugelassen.

Gegen ein solches Ungleichheitsverhalten, das die Rücksichtnahme verletzt, soll man sich wehren, grundsätzlich gewaltfrei, z.B. mit Worten oder gewaltfreien Handlungen.

Wenn die oben genannten Verletzungen der ethischen Basiswerte mit Gewalt durchgeführt werden, dann ist man selber berechtigt, dagegen mit Gewalt vorzugehen, die nach Möglichkeit nicht eskalieren soll, um das gesamte Gewalt- und damit Leidenspotential möglichst niedrig zu halten.

Warum ist dies erlaubt? (Radikalpazifismus – Absolute) Gewaltlosigkeit ist doch auch ein Wert, weil sie ein hohes Maß an Eingehen auf den anderen bedeutet, hohe Rücksichtnahme, die dem anderen jedes Leid ersparen will. Ja, das stimmt. Weil aber Gewaltlosigkeit ein geringerer Wert ist als die Gleichheit-Demokratie (und als die Freiheit, s.u. Kap. 2.4.4.2.), deshalb darf bei einer Güterabwägung zur Abwehr eines gewaltsamen Angriffs auf die Gleichheit-Demokratie (und die Freiheit) Gewalt angewandt werden.

Warum ist die Gewaltlosigkeit gegenüber einem unterdrückenden Aggressor ein geringerer Wert als Gleichheit-Demokratie?
- Zum einen deshalb, weil sich die Hauptrichtung der Gewalt gegen den Täter, den Auslöser der Wertverletzung richtet (wenngleich es natürlich auch Neben-/Kollateralschäden geben kann), beim Verzicht auf Gewalt aber die Gewalt des Täters Leid bei Unschuldigen auslöst. Das heißt, die Gewaltlosigkeit gegenüber einem Aggressor widerlegt sich selbst, weil sie die Gewalt am Schluss erhöht und sich damit von ihrem Grundsatz entfernt. Dementsprechend vertrete ich hier Rücksichtnahme auch nicht deontologisch rigoros (z.B. im Sinne einer totalen Ablehnung kollateral getöteter Zivilisten im Verteidigungskampf), sondern ich lasse mich hier von einer teleologischen Ethik bei der Beurteilung der bewaffneten Verteidigung von Gleichheit-Demokratie leiten.
-(Bei überlegtem, klugen Einsatz von Gewalt (z.B. nach Prüfung, ob die eigenen Kräfte für einen erfolgreichen Abschluss der Gewaltaktion reichen – ein Kriterium des klassischen gerechten Krieges) ist die negative Wirkung der Gewalt begrenzt.) Sie führt zweitens darüberhinaus auch noch zu dem guten Ziel der wiederhergestellten Gleichheit, während ein gewaltfreies Gewährenlassen des Aggressors dazu führt, dass die von ihm bewirkte Unterdrückung lange anhält und er sie weiter ausdehnt (weil ihr ja keiner entgegentritt).
Im Fazit ist festzuhalten, dass Gewaltlosigkeit gegenüber einem gewalttätigen Aggressor sowieso nicht zu erreichen ist, dass mit maßvoller Gegengewalt aber Gleichheit-Demokratie und damit das ethische Grundprinzip der Rücksichtnahme (und der heiligen Dialektik) gesichert wird.

Eine Gefahr für die heilige Dialektik des Eingehens auf anderes und damit für Gleichheit-Demokratie sind klarerweise Diktatoren, die in einem vormodernen Bevormundungsdenken zurückgeblieben sind.

Aber Gefahr droht unerwarteterweise auch von denjenigen Vertretern der Postmoderne (Vgl. hierzu „Einseitigkeiten einer falsch verstandenen Postmoderne": https://minority.farbenfroh3.de .), die ihre propagierte „Pluralität"(331), Offenheit (der Gleichheit-Demokratie) mit absoluter Grundsatzlosigkeit selbst im Blick auf das formale, ganz offene Demokratieprinzip verwechseln. (Vgl. unten Kap. 2.4.4.3., Punkt 2.) Sie lassen dann aus Angst vor falscher Verabsolutierung (332) auch die Gegner der Demokratie gewähren und können so am Schluss – gegen ihren Willen – bei einem vormodernen Unterdrückungs-Diktatur landen. Deshalb darf auf keinen Fall die Demokratie mit dem Argument der gleichen Gültigkeit der Wahrheitsansprüche begründet werden (Rawls macht diesen Fehler und vollzieht deshalb – in guter Absicht – eine schwache, nicht wirklich schlüssige Argumentation gegen repressiv-diktatorische (imposing) Positionen: "they impose their beliefs because, they say, their beliefs are true ... But this is a claim that all equally could make"(333), weil dann auch der radikal-diktorische Schläger (als eine der Wahrheitspositionen) sein Recht bekommt. Es muss mit der absoluten Wahrheit der Gleichheit als politisch-ethisches Grundprinzip argumentiert werden und daraus folgernd mit der formalen, absoluten Offenheit des Staat vor jeder und für jede demokratische Entscheidung.

Die Demokratie lässt die Gegner der Demokratie gewähren, solange sie sich friedlich äußern. Wenn sie aber Gewalt anwenden, verletzten sie diese formalen Grundregeln, und hier muss die Pluralität enden. Denn da sie in der Demokratie jede Meinung äußern können, kann ihre Gewalt nicht damit begründet sein, dass sie eine bestimmte Meinung nicht einbringen können, sondern es kann nur darin begründet sein, dass sie andere unterdrücken wollen (334). Dagegen muss man sich aufgrund des eben Geschriebenen auch mit Gewalt wehren.

Postmoderne Pluralität sollte bei gewalttätigen Demokratiegegnern enden

2.4.4.1.3.1. Verteidigung durch Polizei / Inlandsgeheimdienst und das Militär

Die Gleichheit-Demokratie und vor allem auch das eigene Überleben vor Ermordung schützen nun im Inneren Polizei und Inlandsgeheimdienst (Verfassungsschutz), nach außen die Armee (in Deutschland die Bundeswehr; siehe auch den Artikel „Dienst bei der Bundeswehr in einer Welt voll Bösem ein optimales Friedenszeichen“: https://bundeswehr.machal7.com ).

Nach dem bisher Gesagten ist aber eine klare Grenzen gezogen, bis zu der eine Armee und der Dienst als Soldat noch ethisch zu rechtfertigen ist, nämlich: „dass ... der Militärdienst nur auf demokratischer Grundlage (Parlamentsarmee) in einem demokratischen Staat ethisch zu rechtfertigen ist und nur dann, wenn er der Verteidigung von Demokratie und Menschenrechten und der Abwehr ihrer Gegner dient"(335), keineswegs aber dann, wenn er nur nationalen Inhalten und Absichten dient, wie z.B. „der Ehre des Volkes“ oder „dem Erhalt eines ständigen UN-Sicherheitsratsitz für das eigene Land“ oder „der Besetzung von Ölquellen aufgrund des nationaler Interesses billiger Energieversorgung“ oder gar „der Schaffung von Arbeitsplätzen in der Waffen-Industrie“. Angriffskriege würden den Gleichheitsgrundsatz gegenüber den Bürgern der anderen Staaten verletzten und sind deshalb in jedem Fall absolut verboten (336).

Und eine zweite Grenze besteht darin, dass (militärische) Gewalt immer wieder neu demokratisch kritisch überprüft werden und abgebrochen werden muss, wenn der ethische Schaden größer als der Nutzen ist. Dabei darf aber nicht unterschätzt werden, welch langen, nachhaltigen Schaden ein Diktator anrichten kann (Hitler, Stalin, Mao).

2.4.4.1.3.2. Asyl-Gewährung und Einwanderung, abhängig von der demokratischen Grundeinstellung

Eine Gefahr für die heilige Dialektik des Eingehens auf anderes und damit für Gleichheit-Demokratie sind auch einzelne Menschen mit einer undemokratischen Haltung. Um die Zahl dieser Menschen in einem Staat nicht von außen zu erhöhen, muss der Staat Asyl-Bewerber*innen und Menschen, die einwandern wollen, einer strengen, langwierigen Demokratie-Kontrolle unterwerfen. Dafür ist die Demokratie zu heilig, als dass eine mildere Form der Prüfung denkbar ist.

Fällt die Demokratie-Prüfung der Einstellung dieser Menschen negativ aus, müssen diese Menschen das Land verlassen, ganz egal wohin - ohne jede Art des sog. "subsidiären Schutz", durch den diese Menschen sich als Demokratiefeinde frei im Staat bewegen könnten. Wer kein Aufnahmeland findet, muss in einem Ausreise-Lager leben, das die Person jederzeit in Richtung eines anderen Staates verlassen kann, wie es in Australien vor vielen Jahren eingeführt wurde. Auch hier gilt, dass die rein formale Wahrheit der Gleichheit und Demokratie mit einem "intoleranten" Wahrheitsanspruch auftreten muss, da sie sonst Diktatur und Repression als Option zuließe und damit gerade die Zerstörung von Gleichheit und Demokratie. Außerdem steht der Wert von Gleichheit-Demokratie über dem Wert der Freiheit. (s.o.)

Ein Staat garantiert das Recht auf persönliche (Bewegungs-)Freiheit nur für seine Bürger, aber nicht für die ganze Weltbevölkerung, was sonst bedeuten würde, dass sich jede*r der ca 10.000.000.000 Weltbevölkerung prinzipiell das Recht hat, sich in einem einzelnen Staat frei zu bewegen.

Fällt die Demokratie-Püfung positiv aus, beginnt die Willkommenskultur, ab dann und keine Sekunde früher. Nach erfolgreicher Überprüfung wird ihnen gesagt: "Unterzeichnet (ganz real) nun noch den auf Gleichheit-Demokratie beruhenden Gesellschaftsvertrag. Dann werdet ihr neue Staatsbürger." Auf diesem Fundament dürfen die neuen Bürger*innen viele neue Farbtupfer und Diversität in den Staat mitbringen.

2.4.4.1.3.3. Der allgemeine Sinn von abwehrender Gewalt und Strafe in einem demokratischen Gleichheitsstaat

Strafe reagiert auf das ethisch schlechte Verhalten eines Menschen, der die Wirklichkeit und die ethische Grundmaxime des Bezogenseins auf das andere, der Rücksichtnahme und im Kern den Gleichheitsgrundsatz verletzt und dabei gleichzeitig einen anderen Menschen schädigt.(337)

Dass der Mensch keine eigentliche Willensfreiheit hat (S.o.Kap.1.6.2.1..), spricht nicht gegen Strafe. Strafe hat nicht in erster Linie den ethischen Sinn, den Täter ethisch (negativ) zu würdigen, sondern den ethischen Sinn, (reale oder potentielle) Opfer zu schützen, also das Leid in der Welt zu verringern.

In Deutschland tragen ca 10% der Menschen (vor allem männlichen Geschlechts) das Alexithymie-Symptom in sich, d.h.sie empfinden kein Mitleid mit Menschen, die leiden, und ihnen fehlt deshalb eine wichtige gefühlsmäßige (intuitive) Sperre, wenn sie anderen schaden, indem sie ihnen Leid zufügen: „aggressive Jungen. Bei ihnen wird der Impuls für Mitgefühl unterdrückt. Sie empfinden das Leid anderer wie eine Belohnung. ... Decety ... hat .. seinen Versuch erweitert .. mit der funktionellen Kernspintomografie"(338).

Bei der Strafe geht es also darum, jemand negative (unangenehme) Wahrnehmungsphänomene zuzufügen und ihn damit so zu konditonieren, dass er ein unterdrückendes, repressives, diktatorisches Verhalten unterlässt, das gegen den Gleichheitsgrundsatz verstösst. Das heißt, bei ihm muss das leiderzeugende Verhalten in der Bilanz zu Unlust führen: Die Lust am Leid anderer oder der Vorteil daraus muss geringer sein als die verhängte Strafe. Durch ein solches Strafverhalten gibt es weniger Leid auf der Welt, und die Welt wird besser.

Dasselbe gilt natürlich auch für Staaten. Auch dort können mitleidlose, egoistische Aggressoren in der Regierung sitzen, die nur den Vorteil des eigenen Staates im Blick haben, z.B. durch Eroberung fremder Rohstoffe. Auch Regierungen und Staaten werden durch Verteidigungsbereitschaft mit starken Kräften so konditioniert, dass sie wissen, dass sie durch einen Angriffskrieg am Schluss eine negative Bilanz und Nachteile erzielen werden.

Der Sinn der Strafe muss immer wieder neu genau daran geprüft werden, ob ihr Ziel den erkannten ethischen Grundsätzen entspricht, das Leid verringert und damit die Welt besser macht.

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2.4.4.1.3.4. Gewaltsamer Widerstand in einem unterdrückendem Staat

Die bisherigen Überlegungen beschäftigten sich damit, wie ein Unterdrücker, ein Diktator durch einen demokratischen Staat abgewehrt werden kann und darf.

Wenn ein Staat nun schon in die Klauen eines Diktators gefallen ist, dann kann dies ethisch erlaubte Grundprinzip der Gewaltanwendung gegen undemokratische Unterdrücker und Diktatoren natürlich auch angewandt werden.

Wenn einer (oder mehrere) dieser 4 Punkte (entspricht genau den Grundwerten am Ende von 2.4.4.1.2.3..) erfüllt ist, ist man ethisch berechtigt, die Gesetze dieses Staates nicht zu halten und revolutionär gegen einen solchen Staat – auch mit Gewalt - zu arbeiten:
- Der Staat ist nicht demokratisch.
- Der Staat mordet Bevölkerungsgruppen, nimmt ihnen ihr Lebensrecht. (Nazis-Juden; Türken-Armenier usw.)
- Der Staat beginnt einen Angriffskrieg. (ermordet also die Menschen anderer Staaten.)
- Der Staat erlaubt nicht die Ausreise, Ausbürgerung.

Natürlich wäre man auch in einer Demokratie berechtigt, Widerstand und Umsturz in einer Demokratie zu praktizieren, wenn mindestens einer der letzten 3 Punkte verletzt wird. Das hängt damit zusammen, dass diese 4 Punkte eine ethische Einheit der Kern-Gleichheit bilden und Demokratie nicht mehr gegeben wäre, wenn einer der letzten 3 Punkte verletzt wird. Praktisch ist es sehr unwahrscheinlich und auch noch nie beobachtet worden, dass in einer Demokratie einer dieser Punkte verletzt wurde. Dagegen ist es eine empirische Erkenntnis, dass Demokratien noch nie gegeneinander Krieg geführt habe: "in general wars involving all or nearly all of the great powers, democratic states have never fought on opposite sides. This absence of war between democracies comes as close as anything we have to an empirical law in international relations."(339)

Grund für die Erlaubnis zum Bruch der Gesetze ist, dass – fast – alles in einem solchen Staat Unrecht ist: Weil die Basis Unrecht ist, sind auch alle konkreten Ausflüsse dieser Basis, alle konkreten Einzelhandlungen dieses Staates Unrecht. Es dürfen allerdings dann keine Gesetze gebrochen werden, wenn dadurch das Prinzip der Rücksicht auf andere verletzt wird.

Das Grundgesetz enthält in Art 20 (1) und (4) dieses Widerstandsrecht: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer ... Bundesstaat."(340) "Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“(341)

Dieses Widerstandsrecht gilt natürlich auch für alle klassischen Monarchien in früher Neuzeit, Mittelalter und Antike. Deshalb sind z.B. der Sklavenaufstand des Spartakus oder der (leider gescheiterte) Aufstand der Bauern (342) in Deutschland im 16.Jahrhundert ethisch positiv zu bewerten. Dies Widerstandsrecht bedeutet auch, dass in das Strafgesetz unbedingt das Recht zum Tyrannenmord aufgenommen werden muss, bzw. dieser nicht als Mord gilt, also nicht strafbar ist.

Wenn der Staat aber diese Punkte nicht übertritt, gleichzeitig aber unfreiheitliche Gesetze (Kopftuchzwang, Strafbarkeit von Homosexualität, Verbot von Rockmusik usw.) demokratisch gefällt werden, dann darf man nur demokratisch für eine Änderung arbeiten oder muss auswandern.

 

Hinzu kommt: Wenn jemand so einen Staat über das erzwungene Maß hinaus unterstützt, muss er nachträglich mit Strafe rechnen, obwohl er zum Tatzeitpunkt gegen kein geschriebenes Gesetz verstoßen hat oder dieses sogar strikt beachtet hat. Um der Rechtssicherheit willen darf er allerdings nur bestraft werden, wenn er schweres Unrecht im geschriebenen Gesetz (z.B. Rassismus) befolgt hat.

Gemäß dem sinnvollen Radbruchschen juristischen Prinzip ist Rechtssicherheit zwar wichtig, aber nicht der alleinige Wert. ("Aber Rechtssicherheit ist nicht der einzige und nicht der entscheidende Wert, den das Recht zu verwirklichen hat."(343)) Die Gerechtigkeit im Recht ist der entscheidende Maßstab: "Der Konflikt zwischen der Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit dürfte dahin zu lösen sein, daß... wenn ... der Widerspruch des positiven Gesetzes zur Gerechtigkeit ein so unerträgliches Maß erreicht, das Gesetz als 'unrichtiges Recht' der Gerechtigkeit zu weichen hat."(344) - Eine "andere Grenzziehung aber kann mit aller Schärfe vorgenommen werden: wo Gerechtigkeit nicht einmal erstrebt wird, wo die Gleichheit, die den Kern der Gerechtigkeit ausmacht, bei der Setzung positiven Rechts bewußt verleugnet wurde, da ist das Gesetz nicht etwa nur 'unrichtiges Recht', vielmehr entbehrt es überhaupt der Rechtsnatur. ... An diesem Maßstab gemessen sind ganze Partien nationalsozialistischen Rechts niemals zur Würde geltenden Rechts gelangt."(345) (Radbruch betont hier auch die Gleichheit (S.o. Kap. 2.4.4.1..) als den Zentralwert der Gerechtigkeit, also als den zentralen ethischen Wert.) Menschen dürfen sich nicht damit beruhigen, dass sie in keinem Fall bestraft werden, wenn sie das geschriebene Gesetz befolgen. Ansonsten ist das ein Freibrief, Diktaturen, Unrechtsstaaten – oft zum eigenen Vorteil – zu unterstützen. Von daher ist es auch falsch, Menschen, die sich an den vorherrschenden, unterdrückenden Zeitgeist angepasst haben, damit zu entschuldigen, dass man Menschen aus ihrer Zeit heraus beurteilen müsse.(S.u.Kap. 2.4.4.3., Ziffer 1.) Das klare Gegenargument dazu ist, dass es Menschen zu allen Zeiten möglich war, sich aus ihrer Zeit – gerade auch um des Guten willen – zu lösen, z.B. die Männer des 20.Juli 1944, die freiheitlichen Revolutionionäre im feudalen Frankreich 1789, Martin Luther, Franz von Assisi ....

Genau auf dieser Basis wurde bei den Nürnberger Kriegsverbrecherproszessen der vorher nicht schriftllich fixierte Straftatbestand des Verbrechens gegen die Menschlichkeit angewandt.

2.4.4.1.3.5. Militärische humanitäre Interventionen von außen

Aufgrund der oben getroffenen Feststellungen, dass die auf Rücksichtnahme und Gleichheit-Demokratie beruhenden Grundwerte kulturunabhängig sind und für alle Menschen gelten (Kap. 2.4.4.1.) und dass es deshalb „eine ethisch schlechte und verwerfliche Einstellung ist, wenn jemand sagt, er fühle sich den Menschen des eigenen Volkes, der eigenen Nation mehr verbunden als den Menschen anderer Völker“ (Kap.2.4.4.1.4.1.), haben Menschen auch Verantwortung für das Leiden anderer Menschen in anderen Länder.

Dies scheint dem ethischen Grundsatz der Gleichheit und Gleichberechtigung der Staaten beim Umgang miteinander (auch Souveränitäsprinzip genannt) zu widersprechen (Kap. 2.4.4.1.4.1.). Dieser Grundsatz gilt aber nicht für den abstrakten Staat, sondern für die Menschen, die in diesen anderen Staaten leben, also eigentlich nur für demokratische Staaten, wo allein der Staat mit den Menschen (Bürgern) identisch ist.

Ist der Staat aber diktatorisch-unterdrückend, steht er im Gegensatz zu seinen Bürgern. Die in den vorangegangenen Kapiteln schon mehrmals begründete Bekämpfung von Diktatoren ist auch hier zulässig, vor allem wenn durch die diktatorische Regierung Bevölkerungsteile ermordet werden oder ein Angriffskrieg vorbereitet wird (Hier ist nach Art 51 der UN-Charta auf jeden Fall die militärische Selbstverteidigung des angegriffenen Staates erlaubt.). Deshalb sollten zunächst demokratische Widerstandsgruppen in diesen Staaten unterstützt werden. Es gilt auch: „schwere Menschenrechtsverletzungen müssen auch über Staatengrenzen hinweg .. verfolgt und geahndet werden können."(346) Die UN-Charta erlaubt miliärische Gewaltanwendung – unter bestimmten Umständen - dann, wenn „ein Bruch des Friedens ... vorliegt"(347).(Kap VII, Art 39) Der hier genannte Friedensbegriff wird völkerrechtlich nun auch so verstanden, dass damit auch der innere Frieden in einem Staat gemeint ist. Wenn also Massaker oder Massenmord von den staatlichen Autoritäten ausgehen, gilt dies als Krieg gegen die eigene Bevölkerung, also als „Bruch des Friedens“ im Sinne von Art 39. „Bei Menschheitsverbrechen wie einsetzendem Genozid, Massenmord an Minderheiten, Massakern an ethnischen Gruppen ... kann militärisches Eingreifen gerechtfertigt sein"(348).

Trotzdem müssen solche Interventionen sehr zurückhaltend vorgenommen werden. Denn zum einen würde die Rechtsunsicherheit, die sonst zwischen den Staaten herrschen würde, den Frieden und damit den Lebensschutz wiederum selber behindern. Zum anderen können die Gewaltfolgen so einer Intervention, vor allem, wenn sie sich lange hinzieht (Irak, Afghanistan), womöglich für das Leben der Menschen und damit für ihre Gleichheitsrechte schädlicher sein als Passivität. Das muss vorher genau abgewogen werden.

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2.4.4.1.4. Nachhaltiger Schutz vor grundlegenden Bedrohungen von Freiheit, Demokratie:
Friedenspolitik, Umweltschutz, Schutz vor sozialen Unruhen, Verbrechensschutz, Generationenschutz (Schutz vor Überbevölkerung und Schuldenfalle)

Hier geht es um weitere Bedrohungen der Verwirklichung von Gleichheit-Demokratie. Sie sind insofern nachhaltig, als einzelne Handlungen und Fehler nicht sofort große Schäden anrichten, aber in der Summe langfristig ganz erhebliche Auswirkungen haben können. Die Verletzung der in 2.4.4.1.2.3. genannten Grundwerte führt aber sofort und unmittelbar zu einer Zerstörung von Gleichheit-Demokratie. Deshalb haben jene Politikbereiche grundlegendere und unmittelbarere Bedeutung für unser Thema und wurden zuerst behandelt. Trotzdem sind die in diesem Kapitel genannten neuen Punkte auch sehr wichtig und stehen in der Abhandlung ja immer noch weit oben.

Innerhalb der Punkte der Überschrift gibt es noch einmal eine Unterscheidung im Blick auf ihre Unmittelbarkeit zur Gleichheit-Demokratie.

2.4.4.1.4.1. Umgang der Staaten untereinander auch nach dem Prinzip der Gleichheit - Friedenspolitik

Ganz oben steht die Friedenspolitik, die gegen die Bedrohung von Gleichheit-Demokratie durch Angriffskriege vorbeugend wirkt, auch wenn ihre Handlungen längerfristig wirken. Da sie die Bedrohung durch Angriffskriege reduziert, reduziert sie auch die Häufigkeit militärischer Verteidigungskriege nach 2.4.4.1.3.1. und manchmal auch von humanitären Interventionen nach 2.4.4.1.3.4 (die immer auf unmittelbare Bedrohungen reagieren müssen).

Der Wert der Gleichheit ist ein allgemein menschlicher Grundsatz, wie wir in 2.4.4.1. gesehen haben. Der Gleichheitsgrundsatz besteht zunächst innerhalb von Gesellschaften und Staaten, aber gilt natürlich auch für die Menschen anderer Staaten. Das heißt also, dass die Außenpolitik zu anderen Ländern auf der Grundlage der gegenseitigen Achtung und Gleichberechtigung der Staaten zu erfolgen hat – ohne Bevormundung des einen durch den anderen und mit einer gehörigen Portion Kompromissbereitschaft, bei der auch einmal eigene nationale Vorteile zurückgestellt werden sollten. Dazu zählt vor allem auch eine faire Wirtschaftspolitik, die alles unterlässt, was – auch unterhalb der Schwelle eines Krieges – nach wirtschaftlicher Ausbeutung aussieht. So steht es in Artikel 1 Abs 2 der Charta der Vereinten Nationen: „freundschaftliche, auf der Achtung vor dem Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker beruhende Beziehungen zwischen den Nationen zu entwickeln und andere geeignete Maßnahmen zur Festigung des Weltfriedens zu treffen."(349)

Es ist also eine ethisch schlechte und verwerfliche Einstellung, wenn jemand sagt, er fühle sich den Menschen des eigenen Volkes, der eigenen Nation mehr verbunden als den Menschen anderer Völker.

Die ethische Maxime einer Friedenspolitik auf der Grundlage der Gleichberechtigung leitet sich nun zum einen direkt aus dem Gleichheitsgrundsatz ab. Sie leitet sich aber zweitens auch indirekt aus ihm ab. Denn eine Friedenspolitik verhindert Krieg und dient damit dem Schutz des Lebens, der im vorigen Kapitel aus dem Gleichheitsgrundsatz abgeleitet wurde.

Nationalgefühl, gar Nationalstolz und nationale Traditionen haben also hier- wie in der gesamten Sozial-, Staats- und auch Individualethik keinen Platz. Es sind zudem irrationale, nicht vernünftig begründbare Einstellungen. Sie gehören zum Bereich der Subjektivität und damit in den individuellen Bereich, der dem einzelnen durch Freiheit und Toleranz erlaubt ist (2.4.4.2.1.). Nationalgefühl hat also im Staat keinen Platz, sondern ist ein privates Hobby, und man kann sich mit Gleichgesinnten in einem Nationalgefühl-Hobbyverein organisieren.

Im staatlichen Bereich ist Nationalgefühl nicht nur nicht vernünftig und nicht hilfreich, sondern kann im schlimmsten Fall auch schaden, wenn es die Distanz zwischen den Staaten erhöht und damit Friedenspolitik behindert.

Staaten auf derselben oder einer ähnlichen Stufe in der ethischen Hierarchie könnten sich zu einem weltumfassenden Einheitsstaat zusammenschließen. Unterschiede in Sprache (353) und kulturellen Gewohnheiten sprechen nicht gegen einen Zusammenschluss, wenn die ethische Basis stimmt. Die Klammer der Nation ist nicht Sprache oder Volkszugehörigkeit, sondern die gemeinsame staatsethische und sozialethische Überzeugung. Dies ist im eigentlichen Sinne Heimat, Vaterland und Nation. Zu einer solchen ethisch hochstehenden Gesellschaftsform als Vaterland kann man dann sogar Nationalgefühl und Vaterlandsliebe entwickeln. Aber hier sind Nationalgefühl und Vaterlandsliebe in einem ganz anderen Sinne zu verstehen, nämlich nicht als Zugehörigkeit zu einer Gruppe (Volk), die mich von anderen abgrenzt, sondern als Zugehörigkeit zu Werten, die – verbindend – für die ganze Menschheit gelten (oder in Zukunft gelten sollen). In diesem Sinne verlieh der neue französische Staat nach der französischen Revolution am 26.8.1792 an 18 Menschen anderer Staaten („die Deutschen Klopstock, Campe, Schiller und Cloots, die Amerikaner Washington, Hamilton, Madison und Paine, die Engländer Bentham, Priestley und Wilberforce, der Schweizer Pestalozzi, der Pole Kosciousko"(354), außerdem Thomas Clarkson, Jacques Mackintosh, David Williams, N. Gorani und Corneille Pauw) die französische Staatsbürgerschaft (citoyen francais) und forderte sie sogar auf, „sich um Kandidatur im Nationalkonvent, dessen Wahl bevorsteht, zu bewerben"(355). Denn hier spielte die Herkunft aus einem anderen Staat keine Rolle, weil man sich mit diesen Menschen als eine weltweite Wertenation verbunden fühlte in deren Staatsbürgerschaftsurkunde so formuliert, dass sie „amis de l'humanité et de la société"(356) seien. Die fremde Sprache, der fremde kulturelle Hintergrund, die anderen historischen Traditionen des Landes, aus dem sie kamen, waren da gegenüber den gemeinsamen staatsetheischen Werten kein Hinderungsgrund.

Letzlich ist also ein Welteinheitsstaat anzustreben, in dem alle Werte der ethischen Hierarchie (s.o.) vollständig und damit gleich weit verwirklicht sind, der dann natürlich gerade die Achtung der unterschiedlichen kulturellen Gewohnheiten wie aller anderen Unterschiede in Toleranz einschließt und dann besonders gut schützen kann.

Auch wenn Friedenspolitik oft nicht unmittelbar wirkt, so wehrt sie doch eine Gefahr sehr großen Umfanges, großer Intensität ab, nämlich Kriege, die das pure Leben vieler Menschen als Grundlage von Gleichheit-Demokratie auslöschen würden – im schlimmsten Fall durch einen Atomkrieg das gesamte Leben auf der Erde. Friedenspolitik wehrt also eine Fundamentalvernichtung der Menschen und damit Fundamentalbedrohung von Freiheit/Demokratie ab.

2.4.4.1.4.2. Umweltschutz

Ebenso würde eine Totalzerstörung der Umwelt das gesamte Leben, jedenfalls menschliches Leben auf der Erde vernichten. Auch hier geht es also um die grundlegende Abwehr einer Fundamentalbedrohung von Freiheit/Demokratie, auch wenn sie schleichender und nicht so abrupt auftritt wie die Gefahr eines Atomkrieges.

So ist der Schutz der Umwelt und Natur eine staatliche Aufgabe, sofern die Lebensgrundlagen des Menschen und vor allem der folgenden Generationen in der Natur geschützt werden.

Art 20.a GG „Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen“: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen ..."(367)

2.4.4.1.4.3. Schutz vor Überbevölkerung

Dieses Politikfeld kann auch mit dem Zusatzwort „Generationenschutz“ versehen werden. Es handelt sich hier nicht um unmittelbare Gefahren. Einzelne Fehler (1 Familie mit 15 Kindern) sind nicht sehr gravierend, aber viele angehäufte Fehler können in der Zukunft erhebliche - dann lang anhaltende - Schäden verursachen. So bedrohen die Schäden vor allem die kommenden Generationen. Es muss verhindert werden, dass die gegenwärtige Generation auf Kosten der nachfolgenden lebt. Das würde auch den Gleichheitsgrundsatz verletzen, denn uns gegenüber sind nicht nur die Menschen anderer Erdteile zur selben Zeit gleich, sondern auch die nachfolgenden Generationen, denen wir gleiche Lebenschancen überlassen und ein gleiches Lebensrecht zugestehen müssen.

Die Unmittelbarkeit der Bedrohung ist jedenfalls geringer als bei den beiden vorherigen Punkten.

Ist durch Welt-Überbevölkerung und die Bevölkerungsexplosion die Zahl der Menschen auf der Erde zu groß geworden, zerstören sie die Lebensgrundlage (z.B. durch Auslaugung der Äcker für Jahrzehnte; durch die Zerstörung der auch für unser Überleben wichtigen Tierwelt; aber auch durch das (Atom-)Kriegsrisiko (Indien/Pakistan); dadurch, dass die Menschen darum kämpfen, wer auf der Welt die zu knappen lebensnotwendigen Resourcen bekommt und überlebt oder wer verhungert). Damit ist die Lebensbasis für ein Leben in Gleichheit untereinander für die gegenwärtige und folgende Generationen zerstört. Auch hier handelt es sich um eine Fundamentalbedrohung von Gleichheit/Demokratie. Deshalb sind Maßnahmen zur Geburtenkontrolle so grundlegend, vor allem die kostenlose Verteilung von Kondomen und der Pille.

2.4.4.1.4.4. Soziale Mindeststandards, die eine Revolte gegen die Demokratie verhindern

Bei extremer Ungleichheit an Vermögen und einem gewissen Prozentsatz von Menschen, die für ein hohes Einkommen wenig oder gar nicht arbeiten (z.B. durch Mieteinnahmen, Dividenden), drohen soziale Unruhen, Revolten und Revolutionen, die Gleichheit/Demokratie zerstören können. Hier muss der Staat ein Mindestmaß an sozialer Gerechtigkeit garantieren.

Es handelt sich hier um eine fundamentale Bedrohung für Gleichheit/Demokratie, allerdings nicht um eine so umfassende Vernichtungsgefahr wie bei den vorherigen Punkten.

2.4.4.1.4.5. Verbrechensschutz (außer Mord, s.o. 2.4.4.1.2.3.)

Die hier - mit Ausnahme von Mord (wurde als erstrangiger Punkt schon in 2.4.4.1.2.3. bedacht) - behandelten Verbrechen bedrohen die Gleichheit der Bürger insofern, als der Verbrecher sich über den Mitbürger stellt, ihn in seinem eigenen Sinne unterdrücken, sozusagen diktatorisch behandeln will, z.B: Er will eine bestimmte Meinung unterdrücken und droht im Falle der Äußerung Schläge an (Nötigung). Oder: Er will einen Gegenstand haben und nimmt ihn sich diktatorisch (Diebstahl). Wenn mir ein Besitzteil durch Diebstahl genommen wird, ist die Einschränkung der Gleichheit geringer, als wenn ich getötet werden (deshalb ist Mord auch schon ganz weit oben behandelt worden).

Menschen sind bei der Verbrechensgefahr in ihrer Gleichheit sogar etwas unmittelbarer bedroht als im Falle eines Angriffskrieges. Die Intensität und der Umfang der Bedrohung sind allerdings geringer. Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Verbrechens zu werden, auch nicht allzu hoch. Es handelt sich hier auch nicht um eine fundamentale, sondern um eine partielle Bedrohung von Gleichheit/Demokratie.

2.4.4.1.4.6. wirtschaftlicher Generationenschutz (vor einer Schuldenfalle)

Zwar gehört zu einer funktionierenden Volkswirtschaft ein gewisser Prozentsatz staatlicher Schulden hinzu. Gehen die Schulden aber über dieses Maß hinaus, dann lebt eine Gesellschaft über ihre Verhältnisse auf Kosten der kommenden Generationen, die diese Schulden begleichen müssen. Ist der Staat überschuldet, dann ist die demokratische Entscheidung eingeschränkt, weil Beschlüsse, die Geld kosten, dann nicht oder nur eingeschränkt verwirklicht werden können (die sogenannte Schuldenfalle). Auch hier handelt es sich nicht um eine fundamentale, sondern eine partielle Bedrohung von Gleichheit/Demokratie, nämlich nur in gewissen Bereichen und nur zu einem gewissen Grad.

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2.4.4.2. Freiwillige Beschränkung der demokratischen Rechte aufgrund der Rücksichtnahme (Eingehen):
Freiheit, Toleranz, Minderheitenschutz, Menschenwürde, Soziale Rechte

Bei der Entscheidung für Gleichheit/Demokratie bewegten wir uns auf der allerformalsten Ebene. Es ging nämlich um die Frage der Struktur der Entscheidungsfindung, die allen anderen Entscheidungen vorausgeht (368) und alle Entscheidungen begleitet (wie das Ich alle Bewusstseinsprozesse begleitet (369)). Kein anderer Punkt der Sozialethik ist so umfassend und so allgemein. Deshalb wurde als erstes diese Frage (in 2.4.4.1.) behandelt. Sie fand ihre Antwort in Gleichheit/Demokratie als der besten Verwirklichung (S.o. 2.4.4.1.2.1.) des ethischen Basisprinzips der Rücksichtnahme.

Nachdem sich auf der Grundlage des ethischen Basisprinzip der Rücksichtnahme als formales Grundverhalten "Gleichheit/Demokratie"unmittelbar erwiesen hat, stellt sich jetzt die Frage, wie der ethische Maßstab der Rücksichtnahme nun das demokratische Entscheidungsverhalten, die inhaltlichen Entscheidungen selbst beeinflusst.

Nach dem Kriterium der Rücksichtnahme beschränkt der Mensch auf der allerformalsten Ebene seine Wünsche nach diktatorischer Allmacht (danach, über alle und alles bestimmen zu können) und gesteht demokratisch dem anderen genau dieselbe 1 Stimme zu wie sich selbst. Hier beschränkt er sein demokratisches Recht, egoistisch-inhaltliche Interessen durch Mehrheitsentscheidungen durchzusetzen und bindet auch hier sein Handeln an das Kriterium der Rücksichtnahme (berücksichtigt also sein Interesse und das der anderen). Nachdem Bürger*in zunächst darauf verzichtet hatte, mehr Stimmrecht als irgendein Mitbürger zu haben, so verzichtet er hier darauf, mehr Lebensbestimmung in Anspruch zu nehmen als irgendein*e Mitbürger*in. Die gleiche Stimme aller Bürger wird hier durch die gleiche Freiheit aller Bürger erweitert. Hierdurch vervollkommnet sich das Prinzip der Rücksichtnahme, das bei der Demokratie begonnen hat.

2.4.4.2.1. Freiheit, Toleranz, Minderheitenschutz („Die offene Gesellschaft“)

Hier wollen wir den nächsten Schritt tun und die nächste, zweitformalste, zweitallgemeinste Ebene behandeln. (Hier kann es natürlich noch nicht um konkret-inhaltliche Fragen (wie in Kap. 2.4.4.2.2.) gehen, z.B. um die Frage, wie hoch die Steuersätze sein sollen). Hier geht es nun um den formalen Rahmen aller folgenden inhaltlichen Entscheidungen. Auch dieser Rahmen muss natürlich vom grundlegenden ethischen Kriterium der Rücksichtnahme (S.o. 1.6.1..) bestimmt sein. Es geht hier also um die erste freiwillige Beschränkung der demokratischen Rechte aufgrund der Rücksichtnahme. Hier gibt also die Mehrheit Rechte, die sie hat, ab. Ich hatte dem anderen auf der ersten Stufe gemäß dem Grundsatz der Rücksichtnahme genau dieselbe Stimme wie mir zuerkannt. Das bedeutet aber, dass bei allen Dingen, die für die Gemeinschaft beschlossen werden müssen, wir zwar gleich sind beim formalen Akt der Abstimmung, aber nicht mehr bei der Entscheidung selbst, weil der Wille des einen mit der Mehrheit erfüllt wird und der Wille des anderen mit der Minderheit nicht. Nur diese Mehrheitsentscheidungen vervollkommnen die auf der Rücksichtnahme beruhende Gleichheit/Demokratie, die den zu entscheidenden Punkt nach Möglichkeit in die freie Entscheidung des einzelnen stellen - d.h. die inhaltlichen Entscheidungen des Staates und damit seinen Zwang gegenüber der Minderheit(S.o. Kap. 1.6.2.3. (Tolerierungs-Freiheit (Freiheit vom anderen))) auf das geringstnotwendige Maß beschränken (nämlich auf die in 2.4.4.1.4. behandelten inhaltlichen, direkt mit Gleichheit-Demokratie verbundenen Bereiche zu beschränken und auf die unten in 2.4.4.2.2. erwähnten Bereiche, z.B. Ehe- und Partnerschaftsgesetze, Steuern für Polizei und Gerichte, Straßenbau). Hier gibt also die Mehrheit Rechte, die sie hat, an die Individuen ab, gewährt ihnen Freiheit. Das Grundprinzip der gleichen Stimme aller Bürger wird hier also ausgedehnt auf das Prinzip der gleichen Freiheit aller Bürger.

Ein Staat, der (aufgrund des Prinzips der Rücksichtnahme) Freiheit gewährt, verwirklicht auch auf dieser Ebene das Unendliche, Absolute, das durch nichts begrenzt ist und gegenüber dem sich keine bestimmte Position ausgrenzen und ihm entgegenstellen kann. Jede Position, die sich dagegenstellen will, wird durch das Prinzip der Freiheit eingeschlossen (370). Ausgeschlossen ist niemand wegen einer Position/Haltung, sondern nur bei einer einzigen Meta-Haltung, nämlich derjenigen, die die eigene Position/Haltung auf andere Bürger zwangsweise auszudehnen (entweder, indem man bei der Verwirklichung der eigenen Freiheit die Freiheitsrechte eines anderen verletzt oder indem man sogar die eigene Einstellung zur allgemeinen Regel zu erklärt und als Zwangsregel im Staat einführen will). Wenn der Staat z.B. Religionsfreiheit gewährt, kann ein Islamist mit Gleichgesinnten seine extremen Regeln leben, und so hat auch er seinen Platz im freiheitlichen Staat, in der Freiheit. Keine noch so strenge Religionsregel, keine noch so extreme inhaltliche Einstellung ist im freiheitlichen Staat verboten oder ausgeschlossen, sondern nur die formale Meta-Einstellung, durch die jemand die Bürger seines Staates zu seinen (z.B. Religions-) Regeln zwingen will. Toleranz zu einer solchen antifreiheitlichen Metahaltung zu verlangen und mit Achtung fremder Kulturen zu begründen, stellt die Dinge auf den Kopf (371). So eine Haltung wäre gerade nicht tolerant, sondern die Unterstützung von Intoleranz. So ist der demokratisch-liberale Staat vollkommen offen, absolut und das ethisch beste. Es ist diese inhaltliche Offenheit gegenüber dem Verhalten der Bürger notwendige Voraussetzung für die ethische Qualität (372) eines Staates.

Zu diesem Thema hat John Rawls wichtige Sätze formuliert: "citizens as free and equal have an equal share in the corporate political and coercive power of society ... There is no reason, then, why any citizen, or association of citizens, should have the right to use the state's police power to decide constitutional essentials or basic questions of justice as that person's, or that association's, comprehensive doctrine directs ... What would be proposed instead is a form of toleration and freedom of thought"(375). (Dabei macht man regelmäßig die empirische Erfahrung der "practical impossibility of reaching ... political agreement in judgement on the truth of comprehensive doctrine"(376). "Our individual and associaeive points of view, intellectual affinities, and effective attachments, are too diverse, especially in a free society, to enable those doctrines to serve as the basis of lasting and reasoned political agreement."(377)) "A constitutional regime does not require an agreement on a comprehensive doctrine"(378).

Auf dieser zweitobersten Ebene muss Freiheit als inhaltslose, formale verteidigt werden, weil jeder Inhalt Freiheit einschränkt – wie bei der Demokratie. Das Individuum kann sich nur da entfalten, wo ihm keine inhaltlichen Vorgaben gemacht werden. Insofern sollte aus dem Freiheitsartikel 2 GG des Grundgesetzes der inhaltliche, die Freiheit einschränkende Teilsatz „soweit er nicht ... gegen ... daas Sittengesetz verstößt.“ gestrichen werden. Ich stelle mich auch ausdrücklich in den Gegensatz zu Papst Benedikt XVI: „Das Ziel des Staates kann nicht in einer bloßen inhaltlosen Freiheit liegen ... Andernfalls wird er ...auf die Stufe einer gut funktionierenden Räuberbande herabsinken, weil er wie diese nur vom Funktionalen her bestimmt wäre."(379) Aber die Räuberbande missachtet gerade die Freiheit der anderen. Würde sie wirklich die formale Freiheit (der anderen) achten, würde sie nicht rauben. Denn sie hat einen sehr bestimmten (wenn auch ethisch verwerflichen) Inhalt, nämlich den Raub, durch den sie konkret die Freiheit der anderen einschränkt.

Dass Inhalte Freiheit einschränken, ist eine Erkenntnis der Postmoderne: „Die Postmoderne ist von der Erkenntnis durchdrungen, daß ...durch die Verabsolutierung eines Partikularen ... unweigerlich ... Unterdrückung anderer Partikularitäten verbunden ist."(380) „Pluralität ist der Schlüsselbegriff der Postmoderne."(381) So steht am Anfang die inhaltlose, formale Meta-Ebene der Freiheit, die sich lediglich gegen die Meta-Ebene der Verabsolutierung eines Partikularen wendet.

So gehört in einer Verfassung hinter Gleichheit/Demokratie das Grundrecht auf Freiheit in den 2.Artikel. Grundlegend sind hier Art 2 (1) GG („Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt“.) und Artikel 4 der französische Menschenrechtserklärung von 1789 („Freiheit befähigt alles zu tun, was nicht anderen schadet."(382)).

Auch in der ersten Menschenrechtserklärung auf deutschem Boden, den 12 Artikel der oberschwäbischen Bauern, die in Memmingen 1525 verfasst wurde, findet sich der Satz: „das wir frey seyen und wollen sein"(383)

Die allerformalste Ebene ist natürlich die ethisch Entscheidendste, die zweitformalste die zweitwichtigste. D.h.: Ein Demokrat, der z.B. eine interessen-egoistische Partei unterstützt, steht ethisch höher als ein rücksichtsvoller Diktator. Warum?
1. Argument: Das liegt daran, dass in einer Diktatur jede politische Entscheidung böse ist, weil sie Gleichheit-Demokratie-(Rücksichtnahme) verletzt und so mit dem Bösen des Diktatorischen verbunden ist. Dagegen verletzt der interessen-egoistische Demokrat das Gebot der Rücksichtnahme nur in 1 Teilbereich (hier z.B. im Teilbereich der sozialen Frage), achtet aber bei jedem Bereich das ethisch-gute Prinzip der Rücksichtnahme-Demokratie. Zudem praktiziert der rücksichtsvolle Diktator nur in einem Teilbereich Rücksichtnahme.

2.Argument: Zudem ist es so, dass der Diktator auf der formalsten Ebene der Diktatur mindestens den Willen von 50+x % (oft natürlich von sehr viel mehr als 50%) der Bevölkerung unterdrückt und nicht berücksichtigt, sonst bräuchte er keine Diktatur. Der interessen-egoistische Demokrat unterdrückt und missachtet höchstens den Willen von 50-x %, da das für ihn vorteilhafte, interessen-egoistische Gesetz ja durch die Mehrheit beschlossen wurde. Nach diesem Argument verletzt die rücksichtsvolle Diktatur den Grundsatz der Rücksichtnahme bei mehr Menschen als der interessen-egoistische Demokrat.

Vergleicht man nun die ethische Qualität der Staatsformen auf dieser formalen Ebene, so ergibt sich folgende Rangordnung:

1. Der demokratische Staat mit Freiheit (und weiterer, zusätzlicher Rücksichtnahme)
2. Der demokratische Staat, in Teilbereichen ohne Freiheit (und ohne weitere Rücksichtnahme) (z.B. die Bundesrepublik Deutschland der 1950er-Jahre im Bereich der strafrechtlichen Verfolgung von Homosexuellen: https://bwqueer.farbenfroh3.de)
3. Der diktatorische Staat mit Rücksichtnahme und Freiheit - in Teilbereichen (autoritärer Staat)
4. Der diktatorische Staat ohne Rücksichtnahme und Freiheit (totalitärer Staat: Vergleiche die klassische Unterscheidung von autoritären und totalitären Diktaturen (384))

Eine ethisch sehr verwerfliche totalitäre Staatsform (Stufe 4) finden wir in der untergegangenen DDR.

Eine ethisch defizitäre Staatsform der Qualitätsstufe 2 finden wir in der frühen Bundesrepublik Deutschland der 50er und frühen 60er Jahre:
"Während unter demokratischen Bedingungen die Freiheit des Bürgers dann unproblematisch ist, wenn er dem Mehrheitsverhalten entspricht, bleibt seine Selbstentfaltung prekär, sofern er zu einer Minderheit gehört. Zwar leidet er nicht unter der Diktatur eines einzelnen oder einer Minderheit, aber doch manchmal unter der Gängelung seines Privatlebens durch die Mehrheit. Eine solche Demokratie, die Minderheiten diskriminiert und (z.B. strafrechtlich durch Gefängnisstrafe) bekämpft und ihnen keinen Minderheitenschutz oder gar Minderheitenrechte zugesteht, bleibt hinter ihren Grundlagen zurück, die doch gerade beinhalten, dass ein Bürger dem anderen in gleicher Weise wie sich selbst Freiheit bei der Entfaltung von dessen Persönlichkeit zugesteht. ...

Dass in den Anfangsjahren der Bundesrepublik Deutschland und der Bundeswehr Homosexuelle diskriminiert und strafrechtlich verfolgt wurden, macht deutlich, dass ein Prozess der Entfaltung der freiheitlich-demokratischen Grundlagen und der ethischen Qualität der Bundesrepublik Deutschland erforderlich war. Dieser Widerspruch zwischen den Grundsätzen und der konkreten Politik in der Bundessrepublik Deutschland wurde an keiner anderen Minderheitengruppe deutlicher als an den Homosexuellen. Keine andere Minderheitengruppe und Opfergruppe des Nationalsozialismus wurde durch die Gesetze der Bundesrepublik oder der Bundeswehr verfolgt oder ausgegrenzt."(385)

Damit fiel die frühe Bundesrepublik hinter die ethischen Standards der französischen Revolution und des napoleonischen Code Penal zurück, die unter anderem Homosexualität entkriminalisiert hatten und Sexualverhalten nur dann für unmoralisch hielten und bestraften, wenn Gewalt (viol, Violence) angewendet wurde: "Section IV. Attentats aux Moeurs. ... 331. Quiconque aura commis le crime de viol, ou sera coupable de tout autre attentat à la pudeur, consommé ou tenté avec violence contre des individus de l'un ou de l'autre sexe, sera puni de la reclusion."(386)

Noch im Oktober 1962 legte die Bundesregierung aus CDU/CSU und FDP den "Regierungsentwurf eines Strafgesetzbuches"(387) vor, der das bisherige Strafgesetzbuch "reformieren" sollte, aber die Strafbarkeit männlicher Homosexualität beibehielt und ein "unverblümt restaurative(r) Ansatz"(388) war. In diesem Regierungs-Entwurf zeigt sich, dass in "den Ausführungen zur Homosexualität .. die Kommission ... in Wortwahl und Vorstellungen stark an die Homophobie nationalsozialistischer Prägung anknüpfte."(389)

Die Reduzierung des Widerspruchs in der Politik der frühen Bundesrepublik Deutschland und die Entfaltung der freiheitlichen Grundsätze im Blick auf die Minderheitengruppe der Homoseuxellen kam durch die Änderung des – bis dahin in der Nazi-Fassung bestehenden - §175 StGB im Jahr 1969 voran, wodurch männliche Homosexualität ab dem 21. Lebensjahr nicht mehr strafbar war. Die endgültige Streichung des §175 geschah im Jahr 1994.

Wenn also – wie in 2.4.4.2. beschrieben - die Mehrheit demokratische Rechte, die sie hat, an die Individuen abgibt und ihnen Freiheit gewährt, dann schließt das in ganz besonderer Weise den Minderheitenschutz ein. Gerade hier entscheidet sich ein demokratischer Bürger dafür, so, wie er sich seinen Lebensstil nicht vorschreiben lassen möchte, so auch anderen ihn nicht vorzuschreiben, obwohl er vielleicht die Mehrheit dafür hätte.

Dieses Thema vertiefen die folgenden Websites zum Thema „Minderheitenschutz“:

Der Umgang mit Minderheiten, speziell mit Queers, als Indikator für die ethische Qualität einer Gesellschaft, besonders Kapitel 6.1.: https://minority.farbenfroh3.de/#g

Hier findet man in der Bibel, besonders den weihnachtlichen Texten, eine Würdigung von Queers und verachteten Minderheiten: https://weih.farbenfroh3.de

Wissenschaftliche Argumente gegen den Zwang von Gender-Stereotypen: https://gendermen.farbenfroh3.de

Die ethische Weiterentwicklung der freiheitlichen Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland am Beispiel des Umgangs mit Homosexuellen in der Bundeswehr: https://bwqueer.farbenfroh3.de

Artikel über Homosexuelle in Israel als dreifacher Minderheit (queer, jüdisch und Israel als jüdischer Staat im Nahen Osten): https://queerisrael.farbenfroh3.de

Rezension der Autobiographie einer Transsexuellen in China: https://shanghai.farbenfroh3.de

Zum Minderheitenschutz gehört besonders der Schutz von Minderheiten gegen Diskriminierung:

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948, „Artikel 2 (Verbot der Diskriminierung) 1. Jeder Mensch hat Anspruch auf die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten, ohne irgendeine Unterscheidung, wie etwa nach Rasse, Farbe, Geschlecht, Religion, politischer und sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, nach Eigentum, Geburt oder sonstigen Umständen."(390) Der letzte Diskriminierungsgrund ist in seiner Offenheit sehr wichtig: „oder sonstigen Umständen“, auf Englisch „or other status"(391). Hier können sich wichtige weitere diskriminierte Gruppen wiederfinden, z.B. Queers, also sexuelle Minderheiten wie Homosexuelle.

In Deutschland findet dies seinen Ausdruck in Art 3 GG Abs 3 („Niemand darf wegen .... benachteiligt werden.“) und im § 1 des Allgmeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom 14.8.2006: „Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen."(392)

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2.4.4.2.2. Menschenwürde, Soziale Rechte, Minderheitenrechte

Bei sozialen und Minderheiten-Rechten haben wir es das 1.Mal mit inhaltlichen Positionen zu tun. Hier wird auch ein Teil der 3.(Zusatz)-Voraussetzung zum Glücklichsein (S.o. Kap. 1.6.1..) behandelt.

Während in 2.4.4.2.1. die Mehrheit einzelne Rechte, im Blick auf die Gesellschaft zu bestimmen, an die Individuen abgibt, wird hier in 2.4.4.2.2. für einzelne Individuen (meist die Mehrheit der Gesellschaft) festgelegt, anderen etwas (zumeist Materielles, Geld) aus dem eigenen Bereich zu geben. Das heißt formal gesprochen, in 2.4.4.2.1. legt die Mehrheit - gemäß dem Basisprinzip der Rücksichtnahme - den einzelnen Individuen passive, selbstbeschränkende Regeln im Blick auf andere Individuen auf, während sie in 2.4.4.2.2. aktives Handeln bestimmter Individuen für andere verlangt, was sich meistens in bestimmten staatlichen Rechten, Steuern und sozialer Umverteilung äußert.

Politische Ethik und politisches Handeln entwickelt sich also grundlegend über 3 Ebenen:
1. Demokratie als grundlegendste From der Entscheidungsfindung aufgrund der Rücksichtnahme eines Bürgers gegenüber dem anderen.
2. Freiheit innerhalb der Demokatie (Die Rücksichtnahme der Mehrheit gewährt dem einzelnen möglichst viel Freiheit.)
3. Einige Punkte schreibt die demokratische Mehrheit dem einzelnen Bürger vor. Dies muss aber immer genau begründet sein, entweder (am wichtigsten) weil es für das Überleben der Demokratie wichtig ist (S.o. Kap. 2.4.4.1.4..) oder aus anderen Gründen, die aber immer vom ethischen Grundprinzip der Rücksichtnahme abgeleitet sein müsssen.

Zu diesen notwendigen Vorschriften des Staates gehören Minderheitenrechte:

- Auf dieser Ebene findet Artikel 1 GG seinen Platz: "Die Würde des Menschen ist unantastbar."

- Bei der Ehe für alle, auch für queere Menschen, werden Rechte aufgrund der aus der Rücksichtnahme abgeleiteten Freiheit der Bürger gewährt, ihr Leben frei zu gestalten und frei ihre Partnerschaft zu gestalten.
Die Verteidigung dieser auf Freiheit beruhenden Rechte findet man in der folgenden Website, die sich mit der Kritik des Vatikanpapiers zur Homosexualität auseinandersetzt, das vor allem gegen den Erlass von Lebenspartnerschaftsgesetzen und der Ehe für alle gerichtet ist: https://homophob.farbenfroh3.de .

- Alle Partnerschaften (einschließlich der heterosexuellen Ehe, der schwulen oder lesbischen Partnerschaft und weiterer Partnerschaften), die nach außen als solche auftreten, sollten die gleichen Rechte bekommen.
Steuerliche Vorteile sollte es nur dann geben, wenn Kinder zu versorgen sind, bzw. wenn ein Partner den anderen unterstützt und damit die Bürger von der Zahlung von Sozialhilfe befreit.

- Aufgrund des Prinzips der Rücksichtnahme müssen wohlhabende Bürger mehr Steuern für den Staatshaushalt zahlen als ärmere Bürger. Es muss auch im staatlichen Beamten-Bereich ständig überprüft werden, ob die Gehaltsunterschiede den Leistungsunterschieden entsprechen. Trotzdem beinhaltet das Prinzip der Rücksichtnahme gegenüber dem Bürger, gerade auch dem Wohlhabenden, dass er in weiten Teilen frei entscheiden soll, an wen er das Geld durch Spenden (S.u. Kap. 2.4.5.3.2..) gemäß dem Prinzip der Rücksichtnahme gibt.

2.4.4.2.3. Weiterer Zwang im Staat (Gesetze) muss erstrangig an die Gesamt-Freiheitsmaximierung gebunden sein

Nachdem nun in Kapitel 2.4.4.2.2. z.B. im Bereich der Minderheitenrechte und sozialen Rechte durch die Mehrheit ein Zwang zum aktiven Handeln festgelegt wurde, werden jetzt noch einmal die weiteren Bereiche des demokratischen Zwangs angesprochen. Zwang der einen Seite gegenüber den anderen in der Gesellschaft ist immer problematisch, weil er den Gleichheitsgrundsatz verletzt. Demokratischer Zwang ist nur aufgrund einer Güterabwägung unter Bezug auf den Grundsatz der Rücksichtnahme und damit auch der Gesamt-Freiheitsmaximierung vertretbar. Er sollte in seinem Wirkungsumfang sehr begrenzt bleiben.

Art.2 GG sagt sehr grundsätzlich, dass die Freiheit des einen Menschen bei der Freiheit des anderen seine Grenzen findet. Dieser Zwang gegen einen Bürger, der die Freiheit des anderen verletzt, dient der Gesamt-Freiheitsmaximierung: Kann sich einer oder wenige in einem anarchischen Zustand unterdrückend ausbreiten, dann ist ihre Freiheit zwar sehr groß. Beschränken sich die Freiheitsräume der Bürger gegenseitig, dann ist der einzelne Freiheitswert nicht so hoch wie bei einem Diktator, aber der etwas geringere Freiheitswert wird mit der großen Zahl aller Bürger eines Staates multipliziert, weshalb das Freiheitsprodukt höher ist als bei wenigen diktatorischen Unterdrückern.

Es wurden schon etliche Bereiche angesprochen, in denen zum Schutz von Gleichheit, Demokratie, Freiheit (gesetzlicher) Zwang ausgeübt werden muss: Schutz der Rechte der Minderjährigen (Kap. 2.4.4.1.2.2.), Verhinderung von Mord (Kap. 2.4.4.1.2.3.), Abwehr von Demokratiefeinden (Kap. 2.4.4.1.3.), Umweltschutz (Kap. 2.4.4.1.4.2.), Schutz vor Überbevölkerung (Kap. 2.4.4.1.4.3.), Schutz vor weiteren freiheitseinschränkenden Verbrechen (z.B. Körperverletzung, Raub und Diebstahl) (Kap. 2.4.4.1.4.5.), Schutz der nachfolgenden Generation (Schuldenfalle) (Kap. 2.4.4.1.4.6.).

Um dies alles durchzusetzen, muss z.B. für Polizei nach innen und Militär nach außen (Kap. 2.4.4.1.3.1.) – um der Freiheit willen – der Zwang der Steuerzahlung und ggf. auch der Zwang des Wehrdienstes auferlegt werden. Dasselbe gilt für die Gerichte, die auch dem Freiheitsschutz dienen.






2.4.4.3. Undialektische (undemokratische, intolerante, anarchistische), ethisch verwerfliche Konzepte der Staatstheorie und der politischen Geschichte

Nun gibt es 3 Hauptrichtungen undialektischer und damit die Gleichheit, Demokratie und Freiheit verletzender Staaten.

1. Da ist zunächst einmal der monokulturelle Staat der unmittelbaren Einheit. Unmittelbare Einheit ist ein extremer Widerspruch zur Wirklichkeit allgemein (S.o. Kap. 1.5.1..) und damit auch das ethisch zutiefst Böse (S.o. Kap. 1.6.1..). Da wir diese Staatsform in Europa besonders ausgeprägt im (Spät-)Mittelalter (unter Missbrauch des christlichen Glaubens und der Einbeziehung der Kirchenleitung) mit der Inquisition als Spitze des undialektischen Zwangs hatten, nenne ich ihn den mittelalterlichen, monokulturellen Zwangsstaat. Hier wird mit Gewalt eine einheitliche inhaltliche Lebensweise im Staat erzwungen.

Sämtliche Diktaturen und Monarchien vertreten – in unterschiedlicher Intensität – diese Staatsform, die autoritäre etwas weniger als die totalitäre (auch faschistische)(393). Zwar darf man Regierungen nicht aus ihrer Zeit heraus beurteilen, weil in jeder Epoche Menschen für Freiheit und Demokratie aufstanden und also nicht angepasst lebten. (S.o. Kap. 2.4.4.1.3.3..)Trotzdem darf zur Beurteilung einer Regierung nicht nur ihre reale Politik beurteilt werden, sondern auch die Tendenz ihrer Politik und dafür braucht man den Hintergrund ihrer Zeit und die Vergangenheit als Vergleichsfolie. Eine Regierung, die also mehr Freiheit, Toleranz und Demokratie verwirklichte, als in ihrer Zeit übich war, ist jedenfalls relativ positiv zu beurteilen, weil zumindest die Richtung des Weges stimmt. Das gilt zum Beispiel für die frühe Religionstoleranz in Preußen seit Kurfürst Johann Sigismund (1615), bei der der Herrscher seine Untertanen nicht mehr zu seiner eigenen Religion zwang, und die relativ tolerante Politik von Friedrich dem Großen, die zeigen, dass Preußen schon damals immerhin von einer totalitären zu einer autoritären Diktatur überging.

Zu Beginn des 21.Jahrhunderts bedrohen 3 Unter-Strömungen des monokulturellen Staatskonzeptes die heilige Dialektik und damit letzlich das Glück der Menschen:
- die kommunistische-totalitäre,
- die national-faschistische (früher NSDAP)
- und (als eine Art des Religions-Faschismus) die islamo-faschistische (Islamismus als Islam, der die Scharia als Lebensform in möglichst vielen Ländern der Welt undemokratisch installieren will). Im europäischen (Spät-)Mittelalter können wir von einem Christo-Faschismus sprechen.

Die staatstheoretische Grundlage für einen solchen monokulturellen Zwangsstaat finden wir im Denken von Papst Benedikt XVI., wenn er sagt: „Der Staat muß demgemäß das für ihn unerlässliche Maß an Erkenntnis und Wahrheit über das Gute von außerhalb seiner selbst nehmen"(394) - also außerhalb und unabhängig vom demokratischen Entscheidungsweg. Natürlich denkt er an die Kirche als Quelle der „Wahrheit über das Gute“ und will so kirchliche Positionen unabhängig von demokratischer Entscheidung und freiheitlicher persönlicher Entfaltung als staatliche Monokultur installieren. Das lässt sich gut am Beispiel queeren, homosexuellen Lebens zeigen, in dem sich Bürger frei einfalten, ohne dabei irgendwie Unbeteiligte zu tangieren oder zu belästigen. In einer Schrift der vatikanischen Glaubenskongregation aus dem Jahr 2003 sprach der damalige Kardinal Ratzinger im Blick auf Homosexualität die Forderung an den Staat aus, „das Phänomen in Grenzen zu halten"(395). Katholische Parlamentarier werden nun in dieser kurzen Schrift, die reich an dramatischen Worten im Befehlston ist, dazu verpflichtet, in diesem Sinne für Lebenseinschränkung und Zwang gegen diese queer-homosexuellen Bürger und ihre Entfaltung zu arbeiten: Das Papier wolle "katholische(n) Politikern in ihrer Tätigkeit ... die Verhaltensweisen darlegen"(396). Es "verpflichtet ... die katholischen Politiker in besonderer Weise"(397). Es gibt "ethische Anweisungen"(398). Es "hat der katholische Parlamentarier die sittliche Pflicht,"(399) ... . Es (eine Zustimmung zu einem Lebenspartnerschaftsgesetz) "ist eine schwerwiegende unsittliche Handlung."(400) Es "muss der katholische Parlamentarier ... Einspruch erheben."(401) Es muss "sein persönlicher absoluter Widerstand gegen solche Gesetze klargestellt"(402) sein.

Ist hier einmal die Tür geöffnet, lässt sich diese Methode bis zum Totalitären auszudehnen, wobei dem jetzigen Papst wohl eher eine autoritär eingeschränkte Demokratie und Freiheit – entsprechend den Anweisungen an katholische Parlamentarier für ein restriktives Abstimmungsverhalten in Fragen der persönlichen Lebensführung - und damit eine Monokultur nur in staatlichen Teilbereichen vorschwebt. Aber das ist schon schlimm genug und ändert nichts an der Gefährlichkeit des Konzeptes. Insofern müssen gegen die Abfassung des Vatikanpapiers und gegen das dahinterstehende Konzept eines monokulturellen Zwangsstaates genau die scharfen Worte verwendet werden, die dies Papier gegen die Minderheitensexualität gebraucht: Bei den Forderungen des Papiers handelt es sich um eine „schwerwiegend unsittliche Handlung"(403).

Repressiven, monokulturellen Staatskonzepten geht es letzlich auch gar nicht um bestimmte Meinungen, Haltungen und Positionen, es geht ihnen nicht um die Sache selbst. (Alle Lebensformen an sich, die andere nicht belästigen, sind im demokratisch-freiheitlichen Staat freiheitlich mit Gleichgesinnten lebbar.(404)) Ihre Behauptung, es ginge ihnen um Moral (Vatikan zur Einschränkung homosexuellen Lebens) oder Ehre (sog. „Ehren-Morde“ im arabisch-muslimischen Umfeld) sind nur Verschleierungen. Ihre Ansicht von Moral und Ehre könnten sie im freiheitlichen Staat leben. Was sie aber wollen, ist, ihre Vorstellung von Moral, Ehre ... anderen aufzuzwingen, also Unterdrückung. Ob Faschisten, Kommunisten oder Islamisten - sie alle zeichnen sich nicht durch Inhalte aus, obwohl sie es vorgeben, sondern durch die Haltung, über andere bestimmen zu wollen – sich mehr herauszunehmen, als sie anderen zugestehen.

Vgl. zum undialektischen Zwangskonzept nach Punkt 1 insgesamt das Kapitel 3 („Die vormoderne Einheitssicht“) in: https://minority.farbenfroh3.de.

2. Hier wird eine Gegenposition zur einzig erlaubten Position in einem monokulturellen Staat bezogen, und insofern wird die unmittelbare Einheitlichkeit aufgebrochen, das „mono-“ ist beseitigt. Aber gleichzeitig werden die Inhalte der Gegenposition ("Widerstand") als einzig mögliche vertreten. Damit ist die – manchmal revolutionäre – Gegenposition in sich doch wieder monostrukturiert und insofern dem Kritisierten ähnlich. Das führt also nur zu einer dualen Situation und nicht wirklich zu einer offenen Gesellschaft, die für ein Drittes, Viertes usw. offen ist. Es handelt sich hier also um eine moderne, aber erstarrte Alternative. Beispiele sind z.B. wenn behauptet wird, als Alternative zu einer Klassengesellschaft dürfe nur die klassenlose Gesellschaft mit Staats- statt Privateigentum vertreten werden oder als Alternative zu bürgerlichen Sitten dürften diese, z.B. das Tragen bürgerlicher Kleidung, überhaupt nicht mehr praktiziert werden.
Vgl. zum undialektischen Antikonzept nach Punkt 2 insgesamt das Kapitel 4 („Die Gefahr einer erstarrten, modernen Alternative“) in: https://minority.farbenfroh3.de.

3. Bei aller berechtigter (postmoderner) Skepsis gegenüber Einheitlichkeit und Mono-Strukturen muss es doch zumindest eine Einheit, ein Konzept und eine einheitliche Struktur geben, nämlich die der Demokratie (405). Es handelt sich hier aber um eine ganz andere Einheit als beim undemokratischen Zwangsstaat. Jener vertritt eine undemokratische Monokultur. Diese demokratische Einheit hier aber bewegt sich auf einer Meta-Ebene und schließt alle inhaltlichen Konzepte ein. Als rein formale Meta-Struktur ist sie die verwirklichte Demokratie und Vielfalt. Diese Affirmation der Demokratie führt zu einer einzigen (rein formalen) Ausgrenzung, nämlich der Ausgrenzung der undemokratischen Unterdrückung, d.h. sie wehrt denjenigen ab, der seine eigene inhaltliche Position zwangsweise auf andere ausdehnen will. Das beinhaltet, dass die Demokratie intolerant gegenüber den Demokratiefeinden sein muss.
Vgl. zum undialektischen Konzept einer konzept- und systemlosen Anarchie nach Punkt 3 insgesamt das Kapitel 5 ("Das sich selbst konstituierende, beziehungs- und systemlose Endliche - Einseitigkeiten einer falsch verstandenen Postmoderne"), besonders Anm.29, in: https://minority.farbenfroh3.de.

Als klassischer Vertreter des monokulturellen Zwangsstaates und Gegner von Pluralismus und Demokratie ist Carl Schmitt zu nennen, der auch ein ideologischer Unterstützer des Nationalsozialismus wurde. Er sieht den Menschen als gefährliches Wesen an, der außerhalb des Einheitsstaates sich zu Chaos und Anarchie hineintwickelt. Der freiheitlich-liberale Staat ist für ihn zwischen dem Einheitsstaat und der Anarchie nicht lebensfähig.(406) Fragt man nach der Wurzel der Gefährlichkeit des Menschen, dann ist für Schmitt Vielfalt und Verschiedenheit das Böse. Das passt zu seiner konservativen Katholizität – aber es ist ein ideologisches und unreflektiertes Anfangs-Axiom.

In einer rationalen Wirklichkeitsanalyse ist es genau umgekehrt: Die (unmittelbare) Einheitlichkeit ist das Böse (407). Vielfalt ist das Gute – sie entspricht der heiligen Dialektik (408) – oder noch genauer gesagt: eine über die Vielfalt vermitteltete Einheit oder die Einheit der Vielfältigkeit, eine Einheit, für die Vielfalt konstitutiv ist. Demgegenüber fehlt in den Konzepten 1 und 2 die Vielfalt (zumindest teilweise),im Konzept 3 die Einheit derjenigen, die dialektisch verbunden und vermittelt werden können.

Das aus der Wirklichkeit entnommene dialektische Programm der Rücksichtnahme ermöglicht den Individuen Gleichheit, Vielfalt und Freiheit – es erinnert die Individuen aber in ihrem Freiheitszustand an die Rücksichtnahme als Haltung, die sie bei der Gestaltung ihrer inhaltlichen Freiheit und ihren individuellen ethischen Grundsätzen begleiten soll.







2.4.5. Privat-Ethik (auf der Basis eines freiheitlich-demokratischen Staates) der ...

Nur wenn das andere, die Gruppe der anderen, der Staat das Ich nicht unterdrückt und einschränkt, kann es sich überhaupt entfalten. Deshalb wurde in Kap. 2.4.4. zunächst die Gesellschafts- und Staatsethik entfaltet. Das ethische Grundprinzip der Rücksichtnahme führte dazu, den anderen Menschen als gleich, gleichberechtigt (S.o. Kap. 2..4.4.1.. ) anzusehen und – auf einer darauf folgenden Ebene – dessen freie Entfaltung (S.o. Kap. 2.4.4.2.1. und Kap. 1.6.2.3. (Tolerierungs-Freiheit (Freiheit vom anderen)) .) zuzulassen. Nur unter dieser Voraussetzung kann das private Individuum als (freies) Individuum agieren. So bietet der freiheitlich-demokratische Staat Lebensraum und Basis für die Privatethik.

Umgekehrt besteht eine gesellschaftliche Gruppe und ein Staat aus Individuen, Privatpersonen. Nur dann, wenn die aus Privatpersonen gebildete Mehrheit, die auch gleichzeitig Macht hat, den Staat, den Gesellschaftsvertrag gemäß den Prinzipien der Rücksichtnahme, von Gleichheit und Freiheit gestaltet, also den Privatbereich schützt, gibt es die im vorherigen Absatz beschriebene Möglichkeit der Individuen, ethisch zu handeln.

Insofern stehen Gesellschafts- und Privatethik in einem wechselseitigen Verhältnis.

Im Kapitel 2.4.5. wird unter den Setzungen des Kapitels 2 die 1.Voraussetzung für das Glücklichsein des Ich (S.o. Kap. 1.6.1..) entfaltet, die in einer individuellen, privaten Lebenshaltung des Ich besteht, die gegenüber dem anderen das Bezogensein, die Rücksichtnahme lebt.


2.4.5.1. ... Relativierung (aber nicht asketischen Ablehnung) des Endlichen

Hier geht es um nicht-dialektische Bereiche, die begrenzt ethisch neutral sind, insofern das Bestimmte, Endliche ("das Materielle") als Gegenpol und Moment für einen dialektischen Prozess notwendig ist (S.o. Kap. 1.6.1., Anm.89 (b61) und 90.). Viele Hobbies bewegen sich in der Dimension des Kapitel 2.4.5.1. und 2.4.5.2..


2.4.5.1.1. ... Relativierung des materiellen Endlichen

Materielles Endliches sind z.B. Autos, Motorräder, Kleidung, gutes Aussehen des eigenen Körpers, insgesamt Geld .....

Die materiell-endlichen Phänomene des anderen ("das Materielle"), das andere in seiner Differenziertheit, das Phänomen des Endlichen, Materiellen, Körperlichen ist unsicher, weil es mit mit geringer Realität versehen und weil es mehr oder weniger unbeständig ist (S.o. (Kap. 1.2.., ) Kap. 2.1. ).

Diese Unsicherheit trifft nicht nur auf die materiellen Phänomene zu, sondern auch auf die geistige Bearbeitung, das Wissen von ihnen. Die geistige Bearbeitung ist eine Kombinationsarbeit im Bereich des unsicheren Endlichen. Damit wird eine gewisse Allgemeinheit hergestellt, allerdings nur durch eine Summe von Endlichem, was dann wiederum endlich bleibt und keinesfalls in Berührung mit dem unendlichen Gott kommt. Beispiele hierfür sind z.B. die (ziemlich unbegrenzt ausdehnbare) Beschäftigung mit Statistiken der Fußball-Ligen (z.B. die Reihenfolge der Spiele mit den meisten Toren der letzten 50 Jahre; sämtliche Tore per Kopfball der Spiele ...., usw. oder: die Entwicklung und Systematik der Kleidertrachten verschiedener Regionen ....). Diese geistige Bearbeitung von Endlichem geht in gewisser Weise zu Kapitel 2.4.5.2. über.

Die richtige Folgerung aus dieser ganzen Unsicherheit ist ein Umgang des Ichs mit dem Materiellen, der den Wert des Materiellen nicht ganz ablehnt, aber relativiert und deshalb sein Leben nicht einseitig auf das Materielle ausrichtet. (S.o. Kap. 2.1.4..) Auch aufgrund der phänomenologischen Eingrenzung des Materiellen darf dieses nie höchster Maßstab und letztes Ziel des Handelns sein. (S.o. Kap. 2.1.1.4.1.. (417))

Eine Askese gegenüber dem Materiellen umgekehrt ist nicht angemessen, weil die Askese dem bestimmten Endlichen gar keinen Raum gibt. Dieses hat aber eine Realität, wenn auch eine geringe. Es ist eine unsichere und unbeständige Äußerung des anderen, aber eben eine Äußerung des anderen. Wer also ganz asketisch, anti-materialistisch eingesellt ist, der lehnt damit oft auch das andere als Realität des Ich ab und gerät so schnell in eine undialektische Haltung. Wie Kapitel 2.2. zeigt, hat die Setzung der konkreten endlichen Phänomene durchaus eine nützliche, dialektische Auswirkung.

Daraus folgt als ethischer Maßstab ein relativierender, aber auch positiver und nicht asketischer Umgang mit dem Materiellen, dem Körper - in diesem Sinne:
Das Materielle, das Körperliche genießen, aber gleichzeitig um seine Begrenztheit und die des Genusses wissen und aus dieser Weisheit heraus immer auch dem Absoluten, ewig Bleibenden (Gott) Beachtung zu schenken und darauf seine Aktivitäten richten. Dieser Maßstab, das Endliche als das zu nehmen, was es ist, nämlich gut, aber endlich, vergänglich, bewegt sich zwischen den unweisen, undialektischen Polen
- des dem Vergänglichen verfallenen Materialisten und Hedonikers, der zu seinem eigenen Schaden das Materielle zu seinem Haupt-Lebensinhalt macht,
- und des Asketen, der das andere, Endliche nur wegen seiner Vergänglichkeit ablehnt und überhaupt nicht berücksichtigt.

Diese Gedanken sind ausführlicher dargestellt im Aufsatz Körper und Geist unter spezieller Berücksichtigung schwuler Körperorienierung


2.4.5.1.2. ... Relativierung endlicher Gedankenbereiche

Das Materielle ist ein Aspekt der endlichen Bestimmtheit des anderen. Es gibt aber auch ideelle endliche Bereiche (endliche Gedankenbereiche) und Übergangsbereiche (s.o. Systematik der Fußballspiele, der Kleider-Trachten).

Hierzu zählt z.B. die Erforschung und Pflege von Sprach-Taditionen (Dialekt-Traditionen). Hierzu zählt auch die Beschäftigung mit oder das Verfassen von fiktiver Literatur (Poesie, Belletristik, Science-Fiktion-Romane, Kriminalromane, Comics), die zum Bereich der Phantasie (S.o. Kap. 2.1.3.3..) gehören. Hier haben wir es auch mit reinen Ich-Bewusstseinsinhalten (S.o.Kap. 1.1.1.) zu tun, die trotzdem endlich sein können.

Für den richtigen, relativierenden Umgang mit endlichen Gedankenbereichen gelten dieselben Gedanken wie in Kap. 2.4.5.1.1..

Der Relativierung der (Selbst-)Beschäftigung des Ich mit unbelebtem Endlichen, Materiellen oder endlichen Gedankenbereichen) öffnet und sichert den Lebensbereich der Rücksichtnahme auf Natur (Kap. 2.4.5.2.) und Mensch (Kap. 2.4.5.3.).





2.4.5.2. ... Relativierung der belebten, nicht-menschlichen Natur und gleichzeitige Rücksichtnahme auf sie

Lebewesen zeichnen sich durch Stoffwechsel und Fortpflanzung aus, Tiere zusätzlich noch durch selbstgesteuerte Bewegung. Dies sind alles Eigenschaften, die gut zur Wirklichkeit der Dialektik passen - als Wirklichkeit der Bezogenheit und des Eingehens und Übergehens auf anderes. Ist also die pflanzliche oder tierische Natur das Objekt der Aktivität und Rücksichtnahme eines Menschhen, dann entspricht dies der Dialektik mehr als die materielle, unbelebte Natur. Dabei entsprechen die Tiere der Dialektik mehr als die Pflanzen, weil die Tiere durch ihre selbstgesteuerte Bewegung noch ein zusätzliches dialektisches Moment in sich haben.

Interesse für und Beschäftigung mit den Pflanzen und Tieren, auch so konkrete Dinge wie das Gießen von Blumen das Füttern von hungrigen Tieren (z.B. im Winter), ist also einerseits ein Verhalten, das der Dialektik entspricht, andererseits gibt es auch in der Natur eine große Differenz zur heiligen Dialektik, insofern sie nur begrenzt Rücksichtnahme verwirklicht (z.B. haben Tiere keine Krankenhäuser, keine Telefone, sind teilweise Kannibalen, ...), und auch die Natur ist endlich und vergänglich. So wichtig die Beschäftigung mit der Natur und ihr Schutz, die Rücksichtnahme und Fürsorge für Lebewesen ist, so wenig sollte die Natur vergöttert oder Schwerpunkt der Aktivität werden, sondern ihre Bedeutung für das Ich sollte relativiert werden – analog der Relativierung des Materiellen, wie in Kap. 2.4.5.1.1. dargelegt. Das private Interesse an der Natur zählt nämlich auch zu den ethisch neutralen (S.o. Kap. 1.6.1.(418).) Verhaltensweisen.

In Kapitel 2.4.4.1.4.2. wird der Naturschutz als erstrangiges und nicht neutrales Feld der öffentlichen Ethik beschrieben, insofern es hier um die körperlich-materiellen Lebensgrundlagen für das Ich geht.

Der Mensch entspricht der heiligen Dialektik nun noch stärker als die nichtmenschliche Natur, weil seine lebendigen Fähigkeiten, auf anderes einzugehen, anderes als anderes wahrzunehmen und zu verstehen, höher als bei den Tieren und viel höher als bei den Pflanzen sind. Deshalb soll sich ein ethisch gutes Verhalten gemäß der Rücksichtnahme am allermeisten auf den Menschen beziehen, wie in den folgenden Kapiteln entfaltet wird.





2.4.5.3. ... Hilfsbereitschaft, Liebe

Der Mensch ist nun das dialektischste Endliche (S.o. Kap.2.2.4..), weil das Eingehen auf anderes in ihm am meisten verwirklicht ist. Er nimmt das andere so stark war, das er über das andere nachdenken kann, und durch die deutliche Wahrnehmung des anderen tritt auch sein Ich und damit Ich-/Selbstbewusstsein hervor (S.o. Kap.2.1.1.4. (Zeit-Kindheit)).

Insofern entspricht sich der dialektische Mensch selbst, wenn seine Rücksichtnahme unter den endlichen Wesen dem dialektischsten, also dem Menschen, am stärksten gilt. Dabei ist ein guter zusammenfassender Grundsatz, das Glück des anderen und das eigene bestmöglich zu vermehren und das Leid des anderen und das eigene bestmöglich zu verringern.

Wichtig ist, dass der Mensch normalerweise nicht zum Guten gezwungen werden darf, sondern man soll alles tun, um ihn davon zu überzeugen, was natürlich durch Vorleben oft besonders gut gelingt. Es darf hierbei die zweitformalste Ebene, nämlich die der Freiheit (S.o. Kap. 2.4.4.2.1..) nicht verletzt werden. Sie muss immer vorgeschaltet sein, so wie hier auch in der Abfolge der Kapitel, und ohne die freie Entscheidung verliert auch die Ethik der Rücksichtnahme ihren Wert, schon deshalb weil der Zwang zum Guten ganz undialektisch ist, und es dann kein (selbständiger) Akt der Rücksichtnahme mehr ist.


2.4.5.3.1. ... der Ablehnung des rücksichtslosen Egoismus

Der Egoismus als Lebensprinzip, d.h. nur den eigenen Vorteil zu sehen und mit dem andere(n) nur im Blick auf das Ich zu agieren, ist vollkommener Selbstwiderspruch – so wie das Endliche als abgeschlossenes, begrenztes Endliches ein Selbstwiderspruch und eine Täuschung ist (S.o. Kap. 1.5.4.3..), und seine Wahrheit dieses Übergehen, also die Liebe, ist.

Ein wichtiger Grundsatz ist, nicht das eigene Glück auf dem Unglück anderer aufzubauen. Manchmal muss ein Kompromiss geschlossen werden zwischen dem eigenen Unglück oder dem der anderen, z.B. bei der Frage: „Wer überlebt?“ Da ist es schwer zu entscheiden. Hier ist das Zurücktreten für den Vorteil des anderen besser, aber das Gegenteil ist in so einer Überlebensfrage ethisch auch akzeptabel. Hat der andere aber die Notlage verursacht, dann ist Handeln zum eigenen Vorteil das ethisch Näherliegende.

Wieweit dürfen unschuldige Opfer für einen guten Zweck in Kauf genommen werden? Im Krieg dürfen zivile Opfer, die in einem - angemessenen - "Verhältnis zum erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen"(419), in Kauf genommen werden. Auch hier vertrete ich eine teleologische Verantwortungethik. Ganz unmoralisch und der Ethik der Rücksichtnahme vollkommen widersprechend ist es aber, z.B. zur Befreiung eines Familienangehörigen oder eines eigenen Soldaten, unschuldige, zivile Opfer in Kauf zu nehmen, die keinem Verhältnis (z.B. 1:4) zum eigenen Ziel stehen.

Beim Egoismus ist noch zu unterscheiden:
- Wo jemand in dem Sinne egoistisch lebt, dass er nicht beabsichtigt, anderen zu helfen, handelt es sich um seine Freiheit zum Selbstwiderspruch. Er lässt aber wenigstens den anderen als anderen in Ruhe und Freiheit, immerhin das ethisch erst- und zweitwichtigste Gut (S.o. Kap. 2.4.4.1.2.1. und 2.4.4.2.1..) in der Sozialetthik.
- Wo er aber egoistisch seine Macht ungefragt auf andere ausdehnt und sie unterdrücken will, zerstört er das ethische Prinzip der Rücksichtnahme und Freiheit auch im anderen. Deshalb ist hier – polizeilicher – Widerstand gefragt (S.o. Kap. 2.4.4.2.3..).

Der vollkommen abzulehnende rücksichtslose Egoismus ist von der angemessenen Selbstliebe deutlich zu unterscheiden (S.u. Kap.2.4.5.3.6..).

Die Haltung der Bescheidenheit ist ein Ausdruck für die Ablehnung des rücksichtslosen Egoismus (S.o. Kap. 2.1.4..).

Schulderkenntnis Ist ein wichtiger Ausdruck für die Anerkenntnis der Rücksichtnahme als ethisches Prinzip, dafür, dass man den Egoismus als Fehler erkennt.

Wenn jemand zumindest den rücksichtslosen Egoismus ablehnt, steht er zumindest auf der schwächsten Stufe der Rücksichtnahme.


2.4.5.3.2. ... (begrenzten) Hilfsbereitschaft

Hilfsbereitschaft ist ein grundlegendes, aber auch eher schwaches Basis-Verhalten der Rücksichtnahme – etwas intensiver als der Verzicht auf rücksichtslosen Egoismus. Die schwächste, damit aber grundlegende und besonders wichtige Form der Hilfsbereitschaft ist die Achtung des Mimenschen in seiner Art und seinem Wesen. Hierzu zählt die Achtung von Minderheiten, z.B. von Queers, Homosexuellen. Vgl. hierzu ausführlicher den Aufsatz Der Umgang mit Minderheiten als ethischer Indikator", besonders Kapitel 6.2.

Zur Hilfsbereitschaft zählen weiterhin Mitmenschlichkeit, die Unterstützung eines Mitmenschen, der in Not geraten ist, Spenden für Notleidende... Dies geht noch eine Stufe über die Achtung des Mitmenschen hinaus. Wenn ich jemand Gutes tue, ihm helfe, dann ist das mehr Zuwendung und Rücksichtnahme als nur die Achtung. Um so niederträchtiger ist es, wenn jemand seinen Mitmenschen, z.B. Queers, noch nicht einmal Achtung entgegenbringt.


2.4.5.3.3. ... Liebe

Nachdem zwischen dem Verzicht auf rücksichtslosen Egoismus der Achtung des Mitmenschen und schließlich seiner Unterstützung schon eine ethische Steigerung lag, ist die Liebe zwischen 2 Menschen (als gegenseitige Menschenliebe und natürlich auch in einer Beziehung und natürlich auch in einer lesbischen oder schwulen) eine weitere Steigerung.

Besonders die Freundlichkeit ist ein wichtiger Ausdruck der Dialektik der Liebe, der heiligen Dialektik. Deshalb hat die Freundlichkeit durchaus auch eine heilige, spirituelle Dimension.

Wenn ein Mensch viel und oft die Menschen und/oder seine(n) Partner(in) liebt, also eine Freude daran hat, anderen Gutes zu tun, gerne hilft, dann verwirklicht er die heilige Dialektik der Liebe. Auch wenn so ein Mensch nicht logisch denken will und wenig Intellektualität besitzt, ist er dem Absoluten und der heiligen Dialektik sehr nahe (S.o. Kap. 1.6.1..) und lebt ziemlich weise. Gut ist es natürlich, nicht nur dem Heiligen, Absoluten gemäß zu leben, sondern es auch – intellektuell, logisch – zu verstehen und es auch als persönlichen Gott zu verstehen und mit ihm persönliche Gotteserfahrungen zu machen. Aber dem Absoluten näher ist natürlich der, der ihm gemäß - intuitiv (S.o. Kap. 2.4.1. (zu 2).)- lebt, auch wenn er es nicht versteht - als derjenige, der die heilige Dialektik versteht, aber es nicht praktiziert, nicht danach lebt.(420)


2.4.5.3.4. .... Freude und Unterstützung im Blick auf die Verwirklichung der heiligen Dialektik der Liebe in der Umgebung (auch in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften)

Gegenüber dem eigenen Praktizieren von Liebe, Menschen- und Nächstenliebe und Partnerschaft, ist die Freude über Liebe bei anderen eine weitere Steigerung, weil dadurch der Liebesumfang in der Welt vergrößert wird, dass nicht nur Menschen Liebe üben, sondern sich zusätzlich noch andere Menschen daran erfreuen und diese Liebe unterstützen.

Beispielhaft zähle ich hier auf: sich freuen,
- wenn man sieht, wie Liebespaare – straight oder queer – liebevoll miteinander umgehen;
- wenn 2 Kinder (oder Erwachsene) verschiedener Hautfarbe friedlich miteinander spielen und freundlich miteiander umgehen;
- wenn einer, der gerade stark ist, jemand unterstützt, der gerade Sorgen und Probleme hat;
- wenn jemand sich über die Zuverlässigkeit, Treue und Hilfe des anderen freut und dies zurückmeldet;
- wenn jemand sich (neben der Freude, die er jemand mit einem liebevoll ausgewählten Geschenk machen will) darüber freut, dass der Beschenkte sich über das Geschenk freut;
- wenn man sich freut, dass Kinder glücklich sind, weil gerade Kinder es schwerer haben, wenn sie die Kommunikation des Ich mit dem oft schwierigen anderen langsam erlernen.

Es ist besonders schockierend, wenn Menschen, statt die Liebe anderer zu unterstützen, sogar noch diese Liebe schlecht machen, z.B. queere, schwule, lesbische Liebe verachten und ablehnen und damit das dialektische Prinzip der Liebe schwer verletzen.

Die Freude über die Liebe anderer wird nämlich garade auch darin erfüllt, dass sich die Umgebung und die Gesellschaft insgesamt über schwul-lesbische Paare freuen und natürlich deren Liebe vorurteilsfrei anerkennen, z.B. durch eine standesamtliche homosexuelle Verpartnerung oder Trauung. Desgleichen sollte diese dauerhafte queere Liebe durch einen Trau- oder Segnungsgottesdienst in der Kirche anerkannt werden. Kirche ist nur dann liebevoll, wenn sie Queers nicht nur als Menschen, sondern als Homosexuelle akzeptiert.

Vgl. hierzu die Aufsätze:

- Christ und Homosexualität

- Hier finden Sie einen Aufsatz über queere Weihnachtsmärkte weltweit und eine queere Auslegung adventlich-weihnachtlicher Bibelstellen.

- Kirchliche Segnung homosexueller Lebensgemeinschaften (Rezension)


2.4.5.3.5. .... Feindesliebe/Hingabe

Die Feindesliebe (421) ist eine weitere Steigerung der Rücksichtnahme, der heiligen Dialektik der Liebe. Sie geht auf den anderen sogar ein, obwohl er sich als der ganz andere, feindliche zeigt. Insofern steigert sich die Liebe hier zur Hingabe.

Gerade hier gilt, dass diese Liebe in der extremsten Form der Feindesliebe gespiegelt werden und zusammengesehen werden muss mit dem Gebot der Selbstliebe. (S.u. nächstes Kapitel.)


2.4.5.3.6. ..... angemessenen Selbstliebe - "Dem Mitmenschen Gutes tun - wie sich selbst"

Die Selbstliebe ist zum einen aus logisch-grundsätzlichen Gründen wichtig, weil die Dynamik (Energie) von Dialektik, der heiligen Dialektik der Liebe sich nur entfalten kann, wenn es 2 Pole gibt.: Das Ich und das andere. So wichtig Hingabe und Feindesliebe als extremste Form der Dialektik, des Anderswerdens sind, so sehr würde die Dialektik zusammenbrechen, wenn das Ich sich vollkommen im anderen auflöst oder dies anstrebt (wie z.B. in der hinduistisch-buddhistischen Religion (422)). Damit würde gerade auch die Liebe als heilige, höchste Kraft (423) ersterben.

Zweitens ist die Selbstliebe aus praktischen Gründen wichtig (Ja, sie ist sogar ein Gebot, eine Vorschrift - genau wie das Gebot der Liebe gegenüber dem anderen.), weil nur derjenige Liebe gegenüber dem anderen üben kann, der auch sich selbst liebt und mag und dem es gut geht. Trotzdem steht z.B. im Doppelgebot der Liebe (424), in dem beide Liebesgebote die gleich fundamentale Bedeutung haben, das Gebot der Selbstliebe an 2.Stelle hinter der Nächstenliebe, weil doch die meisten Menschen eher zum Egoismus neigen als zur vollkommenen Selbsthingabe und Selbstverleugnung.

So ist es aus beiden Gründen wichtig, dass das Ich in begrenzter Weise (eben wieder als Moment) auch an sich selbst (ohne Eingehen auf anderes) denken sollte (4.Möglichkeit ethischer Neutralität (S.o. Kap.1.6.1. (425).) – das Nicht-Eingehen, Fürsichsein des Ich als notwendiges Moment für die Dialektik).

Der freiheitliche Staat ist eine notwendige Voraussetzung für diese unmittelbare Selbstentfaltung des Ichs (S.o. Kap.2.4.4.2..).

Aber auch dann, wenn verschiedene Ichs miteinander agieren, die gerade ganz an sich denken (z.B. Urlaub genießen und nicht den Nachbarn beim Einkaufen helfen), dann entsteht hier auch wieder die Notwendigkeit einer gewissen Rücksichtnahme (z.B. sich nicht vorzudrängeln am Hotelbuffet oder den knappen Liegeplatz am Strand zu teilen), zumindest auf der schwächsten Stufe auf rücksichtslosen Egoismus zu verzichten (S.o. Kap. 2.4.5.3.1..). Insofern unterscheidet sich die angemessene Selbstliebe deutlich vom rücksichslosen Egoismus.

Durch die Beachtung der Selbstliebe bekommt die Ethik einen weniger strengen, weniger rigoristischen und stattdessen lebensnäheren Charakter, der vom Ich nicht eine permanente dialektische Liebes-Anstregnung verlangt.


2.4.5.3.7. Paradiesische Verhältnisse

Paradiesische Verhältnisse herrschen – ganz formal gesprochen – dann, wenn Ich und das andere in vollkommener Harmonie, Identität und Einheit stehen – die ultimative, unüberbietbare Steigerung und das Ziel der sich steigenden Stufen der Rücksichtnahme hier in Kapitel 2.4.5.3..

(So läuft der Gedankengang auch in diesem Traktat auf das Schlusskapitel der Eschatologie zu. Siehe eschatologische Gedanken auch in Kapitel 1.5.2.5..)

Rücksichtnahme in den verschiedenen Stufen ist eine Form des Friedens, der Harmonie (Schalom) und Identität mit dem anderen, allerdings um den Preis, dass das Ich sich zurücknehmen, einschränken und verzichten muss. Der Preis ist natürlich diese (Kompromiss-)Einheit wert. Trotzdem ist das Ich nicht ganz Ich (nicht ganz es selbst) und das andere nicht ganz anderes (es selbst). Nun war die 3.(Zusatz)-Voraussetzung für das Glücklichsein (S.o. Kap. 1.6.1..), dass möglichst viele eigene Wünsche durch das andere erfüllt werden und dass das Ich ohne Abstriche am Selbst möglichst oft den Wünschen des anderen entgegenkommen kann. Um so besser, je weniger Kompromisse geschlossen werden müssen, weil die Interessen und Wünsche von Ich und anderem identisch sind. (Win-Win-Situation)

Unter den Bedingungen der Existenz anderer Menschen (S.o. Kap. 2.1.1.5..) ist es nun paradiesisch, wenn keine Kompromisse geschlossen werden müssen, wenn die eigenen Wünsche komplementär identisch sind mit denen der anderen Menschen – also nicht nur sehr viele ähnliche und sehr viele identische Wünsche, sondern volle Übereinstimmung, Identität in allen Wünschen. Das heißt auch umgekehrt, dass die Wünsche der anderen mit dem, was man selbst ist oder tut, vollkommen identisch sind.

Unter den Bedingungen, dass es keine weiteren Menschen außer mir gibt, ist es paradiesisch, wenn das andere, die Materie genau so zur Verfügung steht, wie die eigenen Wünsche sind: genau die Farben zur Wohnungseinrichtung, genau die Möbel.

Wenn man allerdings Allmachtsphantasien im Blick auf die Materie hat, also Zukunftswünsche der Art hat, unendlich viel besitzen zu wollen, ist dies natürlich nicht erfüllbar, weil Materie immer endlich ist. Das wird zu ewiger Unzufriedenheit führen, und es ist die die unweise Sünde des Materialisten und Hedonikers, das Endliche nicht als Endliches nehmen zu können (S.o. Kap. 2.1.4. und 2.4.5.1.1..), nicht zu sehen, "daß dies Endliche keine Wahrheit hat"(426) (S.o. Kap. 1.5.4.3..), es ist Sünde, der Fehler, "wie Gott sein" zu wollen (1.Mose 3,5), unendlich sein zu wollen, der ganz am Anfang steht und hier am eschatologischen Schluss der Abhandlung noch einmal erwähnt wird – als beständiges Hemmnis für das Paradies der Zukunft.

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Anmerkungen

  1. Husserl, Edmund: Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie, Tübingen 1980 (Nachdruck der 2.Auflage von 1922) (= Husserl,Phänomenologie), S.109
  2. Descartes,René: Meditationes de prima philosophia, Oeuvres Bd.7, Paris 1904, 25 (2.Meditation) (=Descartes,Meditationen)
    Descartes umschrieb seine Zweifel zuvor so: Suppono igitur omnia quae video falsa esse; credo nihil unquam extitisse eorum quae mendax memoria repraesentat; nullos plane habeo sensus; corpus, figura, extensio, motus, locusque sunt chimerae. Quid igitur erit verum?“ (Ich nehnme also an, alles, was ich sehe, sei falsch; ich glaube, daß nichts von alledem jemals existiert habe, was mit mein trügerisches Gedächtnis vorführt. Ich habe überhaupt keine Sinne; Körper, Gestalt, Ausdehnung, Bewegung und Ort sind Chimären. Was soll da noch wahr sein?) (a.a.O, 24)
  3. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie III, Werke Bd.20, Frankfurt/Main 1971 (=Hegel, Philosophie), 123
  4. a.a.O, 123
  5. Husserl, Edmund: Die Krisis er europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie. Eine Einleitung in den phänomenologische Philosophie, 2.Auflage Hamburg 1982 (=Husserl,Krisis), 84
  6. Husserl,Phänomenologie, S.109
  7. S.u. Kap. 1.5.3. und Kap. 2.1.1..
  8. S.u. Kap. 2.1.3.3..
  9. S.u. Kap. 2.. (Hier finden wir auch eine Analogie zur evangelisch-lutherischen Anthropologie, die auf der grundlegenden Stufe nicht die konkreten endlichen Taten des Menschen betrachtet, weil sie in keinem Fall dem Maßstab des Guten entsprechen, sondern nur das Tun des Menschen an sich betrachtet (das endliche Handeln an sich), das immer und prinzipiell hinter dem Guten zurückbleibt.)
  10. Husserl,Krisis,83
  11. S.u. Kap. 2.1.1.4..
  12. Husserl,Krisis,84
  13. a.a.O.
  14. Husserl,Krisis,88
  15. S.u.Kap.2.1.1.1..
  16. Kant, Immanuel: Kritik der reinen Vernunft, Leipzig 1979, 254 (A 158). Siehe auch unten Kapitel 2.1.1..
  17. S.u. Kap.1.2..
  18. Descartes, René: Principia Philosophiae, Oeuvres Bd.8, Paris 1905 (=Descartes, Prinicpia), 40 (2.Teil)
  19. Descartes,Principia, 16 (1.Teil)
  20. S.u. Kap. 1.1.4.2..
  21. Siehe unten Kapitel "2.1.1.4. Phänomenologisch-subjektives Reden von den Dingen in der Erscheinung".
  22. S.u. Anm.76 ("Die Gedanken sind frei.").
  23. Auf das grundsätzliche philosophische Problem, wie das Ich mit dem anderen als für ihn anderes in Verbindung treten kann, wie das andere im Ich und das Ich im anderen sein kann, weil ja nur Gleiches auf Gleiches wirken kann, soll hier nicht weiter eingegangen werden, und zwar deshalb nicht, weil es sich hier nur um die zweitrangige Frage handelt, wie das Bewusstsein wirkt, nachdem sich die Realität des Bewusstseins als solches als sicher erwiesen hat.
  24. S.u. Kap. 1.6. und 2.4..
  25. An konkretesten zeigt sich - auf der angenommenen Ebene der Differenzierung - die Abhängigkeit vom anderen im Sinneseindruck „Gehirn“: 2.1.1.4. „Phänomenologisch-subjektives Reden von den Dingen in der Erscheinung“.
  26. Hier findet sich auch eine Analogie zur Trinitätslehre: Einerseits gründet der Heilige Geist in seiner verbindenden Funktion zwischen dem unendlichen Gott "Vater/Mutter" und dem endlichen Sohn/Tochter. Andererseits beruht das unendlich-umfassende "Vater-/Muttersein" auf der durch den Heiligen Geist hergestellten Beziehung zum endlichen "Sohn/Tochter", ohne den die Unendlichkeit von "Vaters/Mutter" gar nicht erkennbar ist. (Vgl. Kap 1.5..).
  27. S.o.Kap. 1.1.1..
  28. S.u.Kap. 2.2.1..
  29. Pannenberg, Wolfhart: Person und Subjekt, in: Ders.: Grundfragen systematischer Theologie. Gesammelte Ausätze, Bd.1, 3.Aufl. Göttingen 1979, Göttingen 1979, 3.Aufl., 80-95 (= Pannenberg, Grundfragen), S.87; s.o. Kap. 1.1.2.. und s.u. Kap. 1.5.1..
  30. Vgl. Kap. 1.1.2., besonders Anm.16 (Kant-Zitat).
  31. Pannenberg, Grundfragen, S. 87
  32. Vgl. in Kap 1.5. hier eine Analogie zur Trinitätslehre: Die 3 trinitarischen Personen haben Differenz zueinander, sind voneinander unterschieden, aber finden Identität, indem sie beim anderen bei sich selbst sind, sich selbst erst erkennen im anderen durch Hingabe: Der "Sohn" erkennt sich als endlicher im "Vater" und gibt sich an hin, wie der Vater sich an den Sohn hingibt und mit ihm leidet und nur in ihm sich als "Vater" erkennt. Alle 3 sind auch identisch, indem sie von ihrem Wesen her Gott sind, aber Gott ist andererseits (als bewusster, sich erkennender und alle Differenzen umfassender) Gott nur in diesen 3 Personen Gott. Vgl. (Anm.45) und (Anm. 59)
  33. S.o Kap. 1.1.2., Anm. (Anm.17). Nach diesen Kriterien werden die Kapitel 2.1.1., 2.1.2. und 2.1.3. unterschieden.
  34. Kant, Immanuel: Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können, Leipzig 1979, 17 (A 25)
  35. S.u. zur genauen Abwägung der Veränderungsoptionen Kap. 2.1.2..
  36. These 6.54 des Tractatus logico-philosophicus: "Meine Sätze erläutern sich dadurch, daß sie der, welcher mich versteht, am Ende als unsinnig erkennt, wenn er durch sie - auf ihnen - über sie hinausgestiegen ist.." (zitiert nach Wittgenstein, Ludwig: Tractatus logico-philosophicus, in: Ders., Tractatus logico-philosophicus. Tagebücher 1914-1916. Philosophische Untersuchungen, Ludwig Wittgenstein Werkausgabe, Bd.1, Frankfurt/Main 1989, 7 - 86, 85)
  37. Wie es uns z.B. in "Camus, Der Fremde (L'Etranger)" entgegentritt: "ob ich in der Absicht, den Araber zu töten, allein zu der Quelle zurückgekehrt sei. .... Ich antwortete, es sei der reinste Zufall gewesen." (Camus, Albert: Der Fremde, Düsseldorf 1967, 88) - "Ich antwortete hastig, wobei ich ... mir lächerlich vorkam, die Schuld an allem hätte die Sonne." (Ebd.,102f) - "daß ich nie etwas richtig hätte bereuen können. Mich beschäftigte immer nur, was kam, heute oder morgen." (Ebd.,100.)
  38. Theologisch würde man das die "Schöpfung aus dem Nichts" nennen. Vgl. auch in 1.5.1. das Übergehen/Werden als die Wirklichkeit des Absoluten
  39. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik I. Erster Teil. Die objektive Logik. Erstes Buch, Werke,Bd.5, Frankfurt/Main 1981, S.83
  40. Vgl. (Anm.68).
  41. Vgl. Kap 1.1.4.. Schon Aristoteles gibt im 12.Buch seiner Metaphysik dem Höchsten, in sich selbst gründenden Absoluten diese Eigenschaft. Er nennt sie im Griechischen „ενεργεια“ (energeia): Met. 1071 b 20-21; 1072 a 26; 1072 b 8.
  42. Es hat damit auch eine Analogie zum liberalen Staat, der offenen Gesellschaft, deren Wesen damit interessanterweise in enger Beziehung zum Absoluten (Göttlichen) steht und die deshalb auch als die ethisch beste Gesellschaftsform beurteilt werden kann. (Vgl. Kap. 2.4.4.1.2.1.,Anm.309, Kap. 2.4.4.1.3.,Anm.334, Kap. 2.4.4.2.1.,Anm.370 und Kap. 2.4.4.3.,Anm.404.) Der liberale Staat öffnet sich zu jeder Position, die als scheinbare Gegenposition zum ihm auftritt (Der liberale Staat erlaubt z.B. auch extremistisches Leben im Privaten (radikale Religiösität; kommunistische Gütergemeinschaft mit Gleichgesinnten; eine Haltung, die die Freunde nach rassistisch-faschistischen Gesichtspunkten auswählt), sofern sie nicht ihre privat gewählte, abgegrenzte Lebensweise als abgrenzende, ausschließende auf den Staat ausdehnen will, d.h. solange sie nicht Intoleranz und Diktatur mit Gewalt im Staat errichten will.
    Durch einen Klick gelangen Sie hier zu einer ontologisch begründeten Argumentation für die liberale, offene Gesellschaft, die ihren tiefsten Ausdruck in der Akzeptanz von Minderheiten findet: https://minority.farbenfroh3.de
  43. S.u. Kap. 1.5.2.2. und 1.6.1..
    Für Hegel ist der Übergang enscheidend: "Es ist das Wichtigste im Auffassen und Begreifen der Geschichte, den Gedanken dieses Übergangs zu haben und zu kennen." (Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, Werke Bd.12, Frankfurt 1970, 104)
    Vgl. die Bedeutung von Werden und Übergehen für Hegel auch in Anm. 39 und und vgl. auch Anm.45.
  44. So wird hier schon deutlich, dass jede abgeschlossene Ideologie, auch in der Religion, zum menschlichen Wesen nicht passt (Vgl. Kap 2.4.4.).
  45. Keine Religion hat das Wesen des Absoluten (also Gottes) als Überschreiten, Übergehen so gut in seinem Gottesglauben aufgenommen wie die christliche mit ihrer Trinitätslehre, die unter anderem besagt, dass Gott sich von Anfang an, von Ewigkeit her überschreitet und übergeht, indem nämlich die 3 Personen der göttlichen Trinität von Ewigkeit her in Liebe in Beziehung stehen und aufeinander eingehen (Vgl. (Anm.32) und (Anm. 59)).
    Auf menschlicher Seite entspricht dieses Sich-Überschreiten genau dem Gebot der Liebe bis hin zur radiakalen Form der Feindesliebe, die ethischer Kern des christlichen Glaubens ist (Vgl. Kap 2.4.5.3.5..).
  46. Die ist aus mehrfachen, theoretischen Gründen unmöglich, schon vor dem ersten Gedanken eines Naturwissenschaftlers. Vgl. Anm.70.
  47. Das spricht gegen die Arroganz jedes geschlossenen ideologischen Systems. (Vgl. Anm.44.).
  48. Vgl. Kap 1.6.1.: Dieser ontologischen Wirklichkeit meines Ichs, die durch das Bewusstsein über sich hinausgeführt wird, entspricht nun auch die ethische Haltung der Bezogenheit auf das andere in Form der Rücksichtnahme und Bescheidenheit.
    Ebenso ist dieses Wissen um die Wahrheit außerhalb von uns genau das, was die neutestamentliche Verstandeskritik beinhaltet, wenn sie vom „Frieden Gottes, welcher höher ist alle Vernunft,“ (Philipperbrief 4,7) spricht oder davon, dass Gott „die Klugheit der Klugen .. verschwinden“ (1.Korintherbrief 1,19) lassen will. Damit ist gerade nicht ein anti-rationaler Glaube gemeint. Deshalb können auch die Gedanken in Kapitel 1.5.2. im Sinne einer Vernunfttheologie folgen.
  49. S.u. Kap. 2.1.1., besonders auch Husserls "Epoche" in Anm.172 und Anm.173.
  50. S.o. Anm.48.
  51. Diese bis jetzt entwickelten Eigenschaft von Gott sind natürlich viel weniger als das alles, was für andere Gläubige "Gott" bedeutet.
  52. Vgl. (Anm.32) und (Anm. 45). Genau das entspricht dem christlichen, trinitarischen Gottesglauben, dass der unendliche "Vater" als eine Person Gottes "endlich" wird, Mensch wird im "Sohn". Damit kennt nur der chrstliche Glaube das wahre Unendliche, das unendlich und endlich ist, und das ist sein Vorsprung gegenüber allen anderen Religionen, z.B. gegenüber dem Islam. Dieser sagt im Koran eindeutig, dass Gott nicht Mensch werden kann. Der Islam setzt also - ohne es zu wollen - Gott eine Grenze, nämlich die Grenze, dass er nicht Mensch, nicht endlich werden kann: Sure 5,17 und 5,72: "Ungläubig sind diejenigen, die sagen:'Gott ist Christus, der Sohn der Maria'." (zitiert nach: Der Koran. Übersetzung von Rudi Paret, 8.Aufl. Stuttgart/Berlin/Köln 2001)
  53. S.o.Kap. 1.1.2..
  54. Vgl. Kap. 1.5.1..
  55. So steht es in der Bibel im 1.Johannesbrief 4,8b: "Gott ist Liebe."
  56. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Die absolute Religion (hg. v. Lasson,G.), 2.Halbbd. in : Ders.: Vorlesungen über die Philosophie der Religion (hg. v. Lasson,G.), 2.Bd., Hamburg 1974, 81
  57. Ebd., 71.
  58. Pannenberg, Wolfhart: Die Subjektivität Gottes und die Trinitätslehre. Ein Beitrag zur Beziehung zwischen Karl Barth und der Philosophie Hegels, in: Ders.: Grundfragen systematischer Theologie. Gesammelte Aufsätze, Bd.2, Göttingen 1980, 96-111, 109
  59. Vgl. Kap.2.3..
  60. Vgl. Anm.16.
  61. Vgl. Anm.40.S.u. Kap. 2.1.1.2..
  62. Der Fehler (des Materialismus) liegt darin, das andere (Dinge, die wir wahrnehmen) als eine objektive, abgegrenzte Realität zu sehen. Das andere ist aber keine Realiät, sondern eine große Täuschung. Die Wirklichkeit des anderen (das ich mit meinem Bewusstsein wahrnehme) ist das Bewusstsein, dieser Bewusstseinsvorgang, der diese 3 Aspekte/Momente hat: das wahrnehmende Ich, das die Wahrnehmung vollziehende Bewusstsein und der wahrgenommene Bewusstseinsinhalt/das Bewusstseins-Phänomen. (S.u. Kap. 2.1.1.4..)
    Wer also das andere, das endliche Wahrgenommene für objektiv hält und nicht für einen Aspekt/Moment im Bewusstseinsvorgang, der macht den gleichen Erkenntnisfehler wie jemand, der nicht sieht, dass zum Fahren eines Autos 3 Aspekte nötig sind: Ich brauche einen Motor, ich brauche Treibstoff, und ich muss den Fahrvorgang durchführen. Er handelt wie jemand, der sagt: "Hier habe ich einen Liter Treibstoff im Kanister. Dadurch fahre ich jetzt." Oder: "Hier habe ich den Motor. Dadurch fahre ich jetzt." Er sieht nicht, dass Fahren eine Beziehung dieser 3 Dinge ist, dass der Treibstoff in den Motor gefüllt werden muss, dass das aber immer noch nicht reicht, sondern dass dann auch jemand mit dem betankten Motor den Fahrvorgang beginnen muss.
    Alle 3 Aspekte müssen in einer gegenseitigen Beziehung stehen. So wenig, wie das Benzin allein zum Fahren reicht, so wenig reicht das andere, der Gegenstand in der Erkenntnis zur Beschreibung der Wirklichkeit.

    Kants Reden vom "Ding an sich", das - wie schon gezeigt (Vgl. Kap 1.5.1..) - in sich ein Widerspruch ist, beinhaltet aber dennoch genau diesen Wahrheitsaspekt, dass hinter dem - scheinbar fälschlich objektiven anderen - seine Wahrheit in einer Wirklichkeit außerhalb von ihm liegt, nämlich im objektiven Bewusstseinsprozess.
    (Vgl. unten eine weitere Ausführung des Gedankens unter der Voraussetzung eines differenzierten anderen in Kap. 2.)
  63. Damit sind auch schon prinzipiell Ansichten widerlegt, die auf empirischen Forschungen - zumeist der Hirnforschung - Aussagen über das Bewusstsein machen wollen, z.B. dass der Mensch in seinem Verhalten durch die Umwelt behavioristisch determiniert sei, dass wir durch unsere Gene determiniert seien, dass das Bewusstsein und die Seele nur ein Epiphänomen der Materie "Gehirn" sei, dass die menschliche Willensentscheidung sich nur als Epiphänomen eines vorher gegebenen, unbewussten Gehirnvorgangs zeige.
    Aus demselben Grund sind auch die Fragen nach Evolution, Designtheorie und Schöpfung zweitrangig. Alle diese Fragen können nur auf der späteren, wenig sicheren, axiomatischen Ebene des Kapitels 2 behandelt werden.
    Wenn diese Theorien exakte Wirklichkeitserkenntnisse beanspruchen, stellen sie die Wirklichkeit auf den Kopf - in dem Sinne, dass das andere, Materielle (hier inhaltliche Erkenntnisse über das materielle Hirn) das Bewusstsein bestimmt (Marx: "Das Sein bestimmt das Bewusstsein.") (Vgl. Kap 2.), statt zu sehen, dass das andere (Hirn-Erkenntnisse) nur ein Aspekt des Bewusstsein ist und von ihm bestimmt wird.
    Dabei ist der Satz: "Das Bewusstsein bestimmt das Sein." keine reziproke Einseitigkeit zur einseitig-undifferenzierten, gegenteiligen Aussage von Marx, weil das Bewusstsein eben kein abgegrenztes Endliches ist wie das Sein/das andere. Wie oben schon gezeigt (Vgl. Kap.1.1.4.1..), ist das Bewusstsein eben ein dialektischer Prozess, zu dem das andere auch als konstitutives Element dazugehört, aber eben nur als ein Element. Vgl. auch Anm. 77.
  64. S.u.Kap.2.1.4..
  65. S.u.Kap.1.6.1..
  66. S.u.Kap. 2.4.5.3..
  67. Vgl. Kap. 1.6.1...
  68. Vgl. Kap.2.4.4.2.1..
  69. Dies ist natürlich ein aufklärerischer Gedanke. Deshalb findet sich dieser Gedanke in dem historisch bedeutenden Flugblattlied "Die Gedanken sind frei" aus der Zeit der Französischen Revolution ca. aus dem Jahr 1790: 1.Strophe: "Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten, sie fliehen vorbei wie nächtliche Schatten. Kein Mensch kann sie wissen, kein Kerker einschließen, es bleibet dabei: die Gedanken sind frei.", 3.Strophe: "Und sperrt man mich ein im finsteren Kerker, das alles sind rein vergebliche Werke; denn meine Gedanken zerreißen die Schranken und Mauern entzwei: Die Gedanken sind frei." (zitiert nach: Liederkiste - Liederbuch II des Student für Europa - Student für Berlin e.V., Frankfurt 1977, 2.Aufl., Lied Nr.42 ohne Seitenzahl)
  70. Vgl. auch Anm. 70. Mein Erkennen des anderen, Endlichen ist erstens deshalb sehr verzerrt, weil die Erkenntnisinhalte durch die Erkenntnisformen festgelegt sind (Kap 1.5.3.), und zweitens deshalb, weil das Wesen des Bewusstseins als Überschreitung (aller nur möglichen Gedankeninhalte) (wie hier in Kap 1.5.4.1.) immer gleich eine neue zusätzliche Wirklichkeit neben dem gedachten Inhalt schafft, der damit als Wahrheit defizitär wird, vor allem wenn er das Bewusstsein erklären will, das ihn ja gerade schon wieder überholt hat.
  71. So sagt Thomas von Aquin, der einer der ersten Wissenschaftler im europäischen Raum war, die diese Kontingenz-Überlegungen anstellten, dass dann "auch nun nichts sein würde" (etiam nunc nihil esset" (Summa Theologica, Quaestio 2.3.3, Respondeo, Seite 31, rechte Spalte, Zeile 33 (zitiert nach: Sancti Thomae Aquinatis Opera Omnia (Editio Leonina), Tom 4, Rom 1888))).
  72. Kant, Immanuel: Kritik der reinen Vernunft, Leipzig 1979, 664 (A 609)
  73. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Begriff der Religion (hg. v. Lasson,G.), 1.Halbbd. in : Ders.: Vorlesungen über die Philosophie der Religion (hg. v. Lasson,G.), 1.Bd., Hamburg 1974 (=Hegel,Religion), 208
  74. Genau wie ich es schon in Kap. 1.1.4. und Anm.30 im Blick auf die Bewusstseinsinhalte gezeigt habe, die nicht in sich ihre Wahrheit haben, sondern nur miteinander in der neuen Wirklichkeit des Bewusstseins.
  75. Hegel,Religion, 211.
  76. Ebd., 214.
  77. Ebd., 213.
  78. Ebd., 213.
  79. Ebd., 213.
  80. Vgl Kap. 1.5.1..
  81. In Kap. 2.2.4. wird unter der Annahme einer Vielfalt des Endlichen/anderen dieser Vorgang des permanenten Werdens der endlichen Dinge in der Natur im Prozess der Bezogenheit untereinander genauer beschrieben (wenn auch die unbelebte Materie nicht so aufeinander bezogen ist wie eine Person oder die absolute Person Gottes).
  82. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Philosophie. Erster Theil. Die Logik, Sämtliche Werke, Bd.8, hg.v. Hermann Glockner, Stuttgart 1929, 175
  83. Pannenberg, Wolfhart: Systematische Theologie, Bd.1, Göttingen 1988 (=Pannenberg,Theologie), 103
  84. Vgl. Kap 1.5.2.3..
  85. Pannenberg,Theologie, 106
  86. Schockenhoff,E.: Naturrecht und Menschenwürde. Universale Ethik in einer geschichtlichen Welt, Mainz 1996 (=Schockenhoff), 65
  87. Birnbacher, Dieter: Analytische Einführung in die Ethik, Berlin/New York 2.Aufl 2007 (=Birnbacher), 337
  88. Birnbacher, 361
  89. Schockenhoff, 67
  90. Vgl. Kap 1.1..
  91. Schockenhoff, 192f
  92. Vgl. vor allem Kap. 1.5.1.; auch 1.1.; 1.4. (bes. Anm 39.) und 1.5.4.3..
  93. Anm 48.
  94. S.u. Kap. 2.4.4.1. und 2.4.5.3.6..
  95. Es besteht „im Hinduismus .. die Allwesenheit Gottes ..., der ...den Menschen so durchdringt, daß die Differenzen von „Ich“ und „Du“ ... ganz verschwinden. ... Kein „Ich“ ist und kein „Du““. (Meinhold, Peter: Die Reloigionen der Gegenwart, Freiburg/Basel/Wien 1978, S.88). S.u. Kap. 2.4.5.3.6., Anm.422.
  96. Unter der Annahme der Existenz weiterer Menschen außer dem Ich/außer mir beinhaltet dies genau den christlich-jüdischen ethischen Grundsatz der Nächstenliebe: 3.Mose (Leviticus) 19,18; Matthäusevangelium 22,39-40; Galaterbrief 5,14.
  97. S.u. Kap. 2.4.3., Anm.272.
  98. S.u. Kap. 2.4.5.1.1.: Relativierung des materiellen Endlichen.
  99. S.u. Kap. 2.4.5.2. ... Relativierung der belebten, nicht-menschlichen Natur und gleichzeitige Rücksichtnahme auf sie
  100. S.u. Kap. 2.4.5.3.6.: Angemessene Selbstliebe, Anm.425.
  101. Vgl. auch Kap. 1.5.4.1. ("Die prinzipielle Endlichkeit des anderen), Anm.74.
  102. Walter,Henrik: Willensfreiheit, Verantwortlichkeit und Neurowissenschaft, in: Psychologische Rundschau, 55.Jahrgang, 4/2004, 169-177 (= Walter), 170
  103. Walter, 170
  104. Walter, 170
  105. "die Theorie ... vom heftig (meine Ergänzung) Hungernden und Dürstenden, der dies aber in gleichmäßiger Weise tut und sich darum in gleichmäßiger Weise des Essens und Trinkens enthält." Aristoteles, Vom Himmel. Von der Seele. Von der Dichtkunst (übers. von Gigon,Olof), 2.Aufl., München 1987 (Aristoteles, De caelo, II, 13p, 295b, 32f), gr.: "λογος ... του πεινουντες και διψωντος σφοδρα μεν, 'ομοιως δε, και των εδωδιμων και ποτων ισων απεχοντος" (Aristote: Du Ciel (bearb. u. übers. von Moraux,Paul), Paris 1965, 94)
  106. Goschke,Thomas: Vom freien Willen zur Selbstdetermination. Kognitive und volitionale Mechanismen der intentionalen Handlungssteuerung, in: Psychologische Rundschau, 55.Jahrgang, 4/2004 (=Goschke), 186-197, 195
  107. Goschke,187
  108. Walter,170
  109. Kießling, Klaus: "... nicht einmal Herr im eigenen Haus. (Naturalistisch-) Psychologische Menschenbilder im Widerstreit", in:Wege zum Menschen, 61/2009, Heft 3, 245-270 (=Kießling), 259
  110. Goschke,187
  111. Pauen,Michael: Freiheit: Eine ganz normale Fähigkeit, in: Psychologische Rundschau, 56.Jahrgang, 3/2005, 229-232 (=Pauen), 230
  112. Kießling,259
  113. Walter,172
  114. Pauen,230
  115. Goschke,187
  116. Markowitsch,Hans J.: Warum wir keinen freien Willen haben. Der sogenannte freie Wille aus Sicht der Hirnforschung, in: Psychologische Rundschau, 55.Jahrgang, 4/2004, 163-168 (=Markowitsch), 164
  117. Goschke,187
  118. Walter,175
  119. Walter,175
  120. Das ist genauso wie die Argumentation von Extremisten, die die Pressefreiheit angreifen mit dem Argument, die freie Presse würde die ganze Gesellschaft manipulieren. Wenn dieser Satz stimmt ist auch derjenige, der die Manipulation behauptet, manipuliert, also die Behauptung der Manipulation manipuliert und damit nicht wahr. Oder (und das setzt er natürlich in der Regel voraus), er fühlt sich (als einer der wenigen mit seinen antidemokratischen Extremisten) nicht manipuliert und dann ist die Presselandschaft eben doch nicht allgemein manipulierend, sonst hätte er die (dann begrenzte) Manipulation ja nicht erkennen können. Der Extremist merkt gar nicht , dass er mit der kritischen Behauptung der Manipulation gerade das absolute Prinzip der Freiheit und Vielfalt in Anspruch nimmt, das er abschaffen will (S.u. Kap. 2.4.4.2.1..)
  121. Tetens, Holm: Willensfreiheit als erlernte Selbstkommentierung. Sieben philosophische Thesen, in: Psychologische Rundschau, 55.Jahrgang, 4/2004,178-185 (=Tetens), 183
  122. Tetens,182
  123. Das gilt besonders für Aussagen der Naturwissenschaftlers, die das Ich vereinnahmen wollen (S.u. Kap. 2.4.0.1..).
  124. So wie Paulus auch im Römerbrief des Neuen Testamentes, Kapitel 7,19 schreibt: "Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich."
  125. Tetens,179
  126. Goschke,188
  127. Goschke,188
  128. Goschke,194
  129. Goschke,188
  130. Goschke,189
  131. Goschke,191
  132. Goschke,195
  133. Goschke,187
  134. Pauen, 230
  135. Walter,Henrik: Willensfreiheit, Verantwortlichkeit und Neurowissenschaft, in: Psychologische Rundschau, 55.Jahrgang, 4/2004, 169-177 (= Walter), 170
  136. Walter,169
  137. Goschke,187
  138. Pauen,230
  139. Markowitsch,Hans J.: Warum wir keinen freien Willen haben. Der sogenannte freie Wille aus Sicht der Hirnforschung, in: Psychologische Rundschau, 55.Jahrgang, 4/2004, 163-168, 167
  140. Pauen,230
  141. S.o. Kap. 1.1.4.1..
  142. Z.B., dass ein stark von Traurigkeit geprägtes Ich zu Selbstaggressionen und Selbstvernichtungswünschen neigt; dass aus kombinierten allgemeinen Angst- und Hassgefühlen gegenüber dem anderen Aggressionen gegenüber dem anderen entstehen können.
  143. S.o. Kap. 1.2..
  144. Siehe auch unten Kap. 2.1.2..
  145. S.o. Anm 69. : Es sind keine Gegenstände, die sicher existieren, sondern nur der Bewusstseinsvorgang/-strom, von dem sie Aspekte sind.
  146. Es stellt sich hier die interessante Frage, wieweit es den biblischen Schöpfungsberichten und dem religiösen Schöpfungsglauben widerspricht, wenn man diese konkreten, differenzierten endlichen Dinge für unsicher hält, wenn doch religiöse Menschen glauben, dass sie als solche sicher von Gott geschaffen sind. Aber die hier vorgenommene Abstufung von sicheren Realitäten in Kapitel 1 (nur des anderen überhaupt, aber einschließlich der (vernünftig-rational erklärten) Existenz eines persönlichen Gottes) entspricht genau der biblischen Abstufung des Grades der Realität, der Wirklichkeit des ewigen, unvergänglichen Gottes und des von ihm abgeleiteten, ihm untergeordneten, vergänglichen Schöpfung: „Vorzeiten hast du der Erde Grund gelegt, die Himmel sind das Werk deiner Hände. Sie werden vergehen, du aber bleibst; ...“ (Ps 102,26-28) - „Uns, die wir nicht auf das Sichtbare starren, sondern nach dem Unsichtbaren ausblicken; denn das Sichtbare ist vergänglich, das Unsichtbare ist ewig.“ (2.Kor 4,18) – ebenso Jes 51,6; Mt 5,18a; 24,35; 1.Kor 7,31b; 2.Petr 3,10; 1.Joh 2,17; Offb 21,1.
  147. S.o. Kap. 1.2..
  148. S.o. Kap. 1.2.
  149. S.o. Anm.16.
  150. Penzlin, Heinz: Die Welt als Täuschung, in: Gehirn und Geist (Spektrum der Wissenschaft) 3/2002, 68-73 (=Penzlin), 68
  151. S.o. Kap. 1.1.2..
  152. S.u.Kap.2.4.0.1..
  153. S.u. Kap. 2.4.0.1. und Kap.1.5.3., bes. Anm.69.
  154. Tent,Lothar: Hat er oder hat er nicht? Die Willensfreiheit des Menschen, kulturalistisch, Psychologische Rundschau (Psychol Rundsch), 56.Jahrgang, 3/2005, 222-227 (=Tent), 226
  155. Husserl,Krisis,85
  156. Husserl,Krisis,184
  157. Penzlin, 70
  158. Goschke,Thomas: Vom freien Willen zur Selbstdetermination. Kognitive und volitionale Mechanismen der intentionalen Handlungssteuerung, in: Psychologische Rundschau, 55.Jahrgang, 4/2004 (=Goschke), 186-197, 194
  159. Goschke, 194
  160. S.o. Kap. 1.5.2.3., 1.Absatz.
  161. Penzlin,68
  162. Hergovich,Andreas: Freiheit ist nur im Vollzug gegeben. Zur Kritik der naturalistisch-materialistischen Position zur Willensfreiheit, in: Psychologische Rundschau (Psychol Rundsch), 56.Jahrgang, 3/2005, 232-236 (=Hergovich), 235
  163. S.o.Kap.1.1.1. und 1.2..
  164. Auch die Theologie erkannte, dass die beobachtete Kontinuität der endlichen Dinge keineswegs selbstverständlich ist und sprach zu ihrer Begründung von der Erhaltung oder dem erhaltenden Wirken Gottes.
  165. Mack,Wolfgang: Freie Erkenntnis des unfreien Willens?, Psychologische Rundschau (Psychol Rundsch),56.Jahrgang, 3/2005, 220-221, 221
  166. Hume, David,: An enquiry concerning human understanding, Dover philosophical classics, New York 2004 (=Hume), 14
  167. Hume,21
  168. Hume,20
  169. Hume,22
  170. Hume,28
  171. Penzlin,73
  172. Hergovich,233
  173. Hergovich,233
  174. Hergovich,233
  175. Tent,Lothar: Hat er oder hat er nicht? Die Willensfreiheit des Menschen, kulturalistisch, Psychologische Rundschau (Psychol Rundsch), 56.Jahrgang, 3/2005, 222-227 (=Tent), 222
  176. Tent,222
  177. S. auch oben Kap. 1.3., Anm.35.
  178. Kaernbach, Christian: Wider die Abschaffung des freien Willens mangels Erklärung, Psychologische Rundschau (Psychol Rundsch), 56.Jahrgang, 3/2005, 227-229, 228
  179. Welsch,Wolfgang: Unsere postmoderne Moderne (=Welsch), 5.Aufl. Berlin 1997,77
  180. Hergovich, Andreas: Freiheit ist nur im Vollzug gegeben. Zur Kritik der naturalistisch-materialistischen Position zur Willensfreiheit, in: Psychologische Rundschau (Psychol Rundsch), 56.Jahrgang, 3/2005, 232-236, 235
  181. Ingold, Gert-Ludwig, Expeditionen ins Reich der Quanten, in: Wege zum Menschen 61 (3/2009), 216-226, 222
  182. Goswami, Amit: Das bewusste Universum. Wie Bewusstsein die materielle Welt erschafft, Stuttgart 2007,106 (=Goswami)
  183. Goswami,106
  184. Goswami,107
  185. Welsch,77
  186. Brockhaus ABC. Naturwissenschaft und Technik, Bd.2 (=Brockhaus), 862
  187. Brockhaus,862
  188. Penzlin, Heinz: Die Welt als Täuschung, in: Gehirn und Geist (Spektrum der Wissenschaft) 3/2002, 68-73 (=Penzlin), 70
  189. Markstrahler,Uwe: Mentale Phänomene naturalistisch erklärbar? Optische Täuschungen als Indikatoren stereotyper Funktionsprinzipien des neuronalenn Netzwerkes, in: Wege zum Menschen 61 (3/2009), 227-244, 235 (= Markstrahler)
  190. Penzlin,70
  191. Markstrahler,236
  192. Markstrahler,239
  193. Markstrahler,240
  194. Penzlin,72
  195. Kap. 1.5.3., letzter Absatz
  196. S.o. Kap. 1.6.1. und das ganze Kapitel 2.4..
  197. S.u.Kap. 2.4.5.3..
  198. Francke, August Hermann: Segensvolle Fußstapfen (bearb. von Welte,Michael), Gießen 1994 (=Francke), 46; hier findet man die Online-Version der Original-Ausgabe von 1729: http://192.124.243.55/digbib/fs1-024.htm
  199. Francke,46
  200. Francke,46
  201. Francke,47
  202. Siehe unten Anm.237.
  203. Koch,Paul J.: Entführt - vergewaltigt - verstoßen! ... und andere Geschichten aus der ehemaligen Sowjetunion und dem Nahen und dem Mittleren Osten, Wetzlar 2011, 51f
  204. ten Boom, Corrie: Die Zuflucht, 6.Auflage, Wuppertal 1983 (=ten Boom), 191
  205. ten Boom, 192
  206. ten Boom, 192f
  207. Francke,140
  208. Heim,Karl: Der evangelische Glaube und das Denken der Gegenwart: Grundzüge einer christlichen Weltanschauung, 5.Band, 2.Teilband: Die Wandlung im naturwissenschaftlichen Weltbild, Hamburg 1951, 205
  209. S.o.Kap. 1.6.1.: Ethische Inhalte: Ethik der Rücksichtnahme.
  210. Markowitsch,Hans J.: Warum wir keinen freien Willen haben. Der sogenannte freie Wille aus Sicht der Hirnforschung, in: Psychologische Rundschau, 55.Jahrgang, 4/2004, 163-168, 164
  211. Libet, Benjamin: Mind Time. Wie das Gehirn Bewusstsein produziert, Frankfurt/M 2005 (= Libet), 249
  212. Libet,250
  213. Prinz, Wolfgang, der Mensch ist nicht frei, in: Das Magazin, 14/2003, Heft 2 (18-20), 19
  214. Libet,273
  215. Walter,Henrik: Willensfreiheit, Verantwortlichkeit und Neurowissenschaft, in: Psychologische Rundschau, 55.Jahrgang, 4/2004, 169-177 (= Walter), 175
  216. Pauen,Michael: Freiheit: Eine ganz normale Fähigkeit, in: Psychologische Rundschau, 56.Jahrgang, 3/2005, 229-232, 230
  217. Libet,258
  218. Libet,267
  219. Libet,267
  220. Tetens, Holm: Willensfreiheit als erlernte Selbstkommentierung. Sieben philosophische Thesen, in: Psychologische Rundschau, 55.Jahrgang, 4/2004, 178-185, 180
  221. Tetens,181
  222. Libet,263
  223. S.o. Kap. 1.3.: Problematisierung der Methode des logischen Denkens
  224. S.o. Kap. 2.1.2. und siehe auch oben Kap. 1.3., Anm.35.
  225. Ammann, Christoph: Emotionen – Seismographen der Bedeutung. Ihre Relevanz für eine christliche Ethik, Stuttgart 2007
  226. Fischer, Johannes: Ethik als rationale Begründung der Moral?, in: ZEE 55 (3/2011), 192-204 (=Fischer), 200
  227. Fischer,200
  228. Fischer,199
  229. Fischer,193
  230. S.o.Anm.37
  231. S.u. Kap. 2.4.4.1.3..
  232. Fischer,194
  233. Fischer,202
  234. Fischer,200
  235. S.o. Kap. 2.4.1.,Anm.261 .
  236. Fischer,203
  237. Fischer,202
  238. S.o. Kap. 1.6.1., Anm.102
  239. S.o.Kap. 1.1.2.und Kap. 1.5.4.1., Anm.76.
  240. S.o.Kap. 2.1.1.5..
  241. S.o. Kap. 1.6.1., Anm.85.
  242. Sloterdijk, Peter: Gottes Eifer. Vom Kampf der drei Monotheismen, Frankfurt/Leipzig 2007, 74
  243. Ratzinger, Joseph Kardinal: Werte in Zeiten des Umbruchs. Die Herausforderungen der Zukunft bestehen, Freiburg/Basel/Wien 2005 (=Ratzinger), S.61
  244. Aus dem sozialen und politischen Kampf (Die zwölf Artikel der Bauern 1525. Hans Hergot, Von der neuen Wandlung 1527), Flugschriften aus der Reformationszeit, Bd.20 (hrsg. v. Götze,A; Schmitt,L.E.), Halle 1953, S.41
  245. a.a.O.
  246. Staaten des damaligen kommunistischen Ostblocks, Saudi-Arabien und Südafrika enthielten sich der Stimme.
  247. zitiert nach Loest,Udo: Von der Würde des Menschen, Bonn 1989 (=Loest), S.138-145
  248. Joas, Hans: Sind die Menschenrechte westlich?, München 2015 (= Joas), 74
  249. Joas, 74f
  250. Joas, 76
  251. Kotzur,Markus: Theorieelemente des internationalen Menschenrechtsschutzes. Das Beispiel der Präambel des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, Berlin 2001, 228f
  252. zitiert aus: Verfassung Indiens, Part I, Art. 14 und 15
  253. Gerechter Friede (Die deutschen Bischöfe, Nr. 66), Bonn 2000, S.44
  254. Aus Gottes Frieden leben - für gerechten Frieden sorgen. Eine Denkschrift des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Gütersloh 2007, S.59 (=Denkschrift)
  255. Kant, Immanuel: Kritk der praktischen Vernunft (hrsg. Von Karl Vorländer), Leipzig 1944, S.36 (§ 7)
  256. So war es Fakt in Deutschland bis 1933. Obwohl viele Fürsten sich 1848, aber auch davor und danach gegen demokratische Gleichheitsreformen gewehrt hatten, wählten nicht wenige Deutsche nach Einführung der Demokratie konservativ, also Parteien, deren Einstellung dem Adel sehr nahe kamen: Konservative bis 1918, danach DNVP. Im Blick auf die Moralvorstellungen lässt sich hierfür auch das Zentrum als Beispiel anführen und im Blick auf die wirtschaftliche Bevorzugung der Wohlhabenden die Nationalliberalen bis 1918 und die DVP ab 1918.
  257. S.o.Anm.150.
  258. Wenn es in einem großen Gebiet, in dem Menschen regelmäßig interagieren, eine Goldgrube gibt, dann bedeutet das nach dem Gleichheitsprinzip, dass jeder gleichviel Gold entnehmen kann. Das ist nicht durchführbar, wenn ich an dem Tag des Jahres, an dem ich zur weit entfernten Goldgrube komme, mich nur mit den gerade heute anwesenden Menschen (unter 1% der Betroffenen) einige, wieviel Gold wir entnehmen. Wir brauchen Regeln, die für die Millionen Menschen zu jeder Zeit gelten und nicht nur für uns kleine Gruppe gerade an diesem einen Tag.
  259. Loest, S.76
  260. Loest, S.143
  261. S.o.Kap. 1.1.1.,Anm.2 (Descartes).
  262. Aristoteles, Ethica Nicomachea, hrsg.v.I.Bywater, Oxford 1962, S.139 (Aristot., NE, 1160b,19f, VIII.Buch,Kap.10)
  263. zitiert nach US-Verfassung, Art 1
  264. zitiert nach: US-Verfassung, Art 2 (wikipedia)
  265. Loest,S.46
  266. Unabhängigkeitserklärung der USA, Art 2
  267. Loest, S,76
  268. Loest,S.77
  269. Loest, 139; s. auch .o. Kap. 2.4.4.1..
  270. Rawls,John: Political Liberalism, New York 2005, 133f
  271. S.u. Kap. 2.4.4.1.3., Anm.334.
  272. S.u. Kap. 2.4.4.1.3., Anm.324 und 325.
  273. Anm.278 ,vgl. auch Kap. 1.5.1.,Anm.42, Kap. 2.4.4.2.1.,Anm.370.
  274. S.o. den Gleichheitsgrundsatz an der Spitze der Verfassung Indiens in Kap. 2.4.4.1., Anm.288.
  275. Krippendorff, Ekkehart: Indien – andere mythologische Wurzeln der Demokratie, in: ders., Die Kultur des Politischen, Berlin 2009, 55-77, 75f
  276. Al-Jabri, Abed Mohammed: Kritk der arabischen Vernunft. Eine Einführung, Berlin 2009 (= Al-Jabri), 230
  277. Al-Jabri,62f
  278. Nasrin,Taslima: Demokratie und Menschenrechte im Islam, Aufklärung und Kritik, 3.Jahrgang, 2 /1996, 108-114 (=Nasrin), 113
  279. Nasrin,113
  280. Nasrin,113
  281. zitiert nach: helplinelaw, Iran Constitution
  282. Loest,S.139
  283. Möglich ist dies, wenn z.B. ein demokratischer Staat nach einer langen diktatorischen Periode entsteht - wie in Deutschland 1945 oder in der Republik Südafrika im Jahr 1990 oder wenn eine Kolonialherrschaft endet - wie auf dem Indischen Subkontinent 1947.
  284. Loest, S.141
  285. Loest, a.a.O.
  286. S.o. Kap. 1.6.2.3..
  287. Z. B. Der Fremde bei Camus, der jemand nur deshalb erschießt, weil ich ihm in der Sonne steht (S.o.Anm.37.).
  288. Ratzinger, Joseph Kardinal: Werte in Zeiten des Umbruchs. Die Herausforderungen der Zukunft bestehen, Freiburg/Basel/Wien 2005, S.52
  289. Ratzinger, S.63; s.u.Anm.394.
  290. Diab,Amal; Fischer,Matthias G.: Islam und Menschenrechte, in: NJW (Neue juristische Wochenschrift) 60.Jahrgang, 41/2007,2972-2975 (=Diab), 2974
  291. zitiert nach: Cairo-Declaration (http://www1.umn.edu/humanrts/instree/cairodeclaration.html), Article 22 (a)
  292. zitiert nach: Cairo-Declaration (http://www1.umn.edu/humanrts/instree/cairodeclaration.html), Article 24 und 25
  293. Diab,2974
  294. Diab,2973
  295. „Pluralität ist der Schlüsselbegriff der Postmoderne.“ (Welsch,S. XVII) Vgl. Anm.379.
  296. „Die Postmoderne ist von der Erkenntnis durchdrungen, daß ...durch die Verabsolutierung eines Partikularen ... unweigerlich ... Unterdrückung anderer Partikularitäten verbunden ist.“(Welsch,S.181) Vgl. Anm.370, Anm.379 und Kap. 2.4.4.3., Anm.405.
  297. Rawls,John: Political Liberalism, New York 2005 (=Rawls),61
  298. Vgl. Kap. 1.5.1.,Anm.42, Kap. 2.4.4.2.1.,Anm.370, und Kap. 2.4.4.3.,Anm.404.
  299. zitiert nach: https://bundeswehr.machal7.com
  300. S. auch unten Kap. 2.4.4.1.4.1..
  301. S.o. Kap 1.6.3.. (Ethisch schlechtes Verhalten, Sünde)
  302. Noll, Miriam: Aggressive kennen kein Mitleid, Focus-Online vom 16.11.2008
  303. Levy,Jack S.: Domestic Politics and War, in: Journal of Interdisciplinary History, 18 (4/1988), 653 - 673, 662; vgl. auch Kant,I.: Zum ewigen Frieden
  304. Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Stand: August 2006, (hrsg. Von: Bundeszentrale für politische Bildung)
  305. a.a.O.
  306. S.o.Anm.280 und Anm.281.
  307. Radbruch,Gustav: Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht (Aufsatz von 1946), Rechtsphilosophie III (bearb. v. Hassemer,Winfried), Gesamtausgabe, Bd.3, Heidelberg 1990, 83-93 (=Radbruch), 88
  308. Radbruch,89
  309. Radbruch,89
  310. Aus Gottes Frieden leben – für gerechten Frieden sorgen. Eine Denkschrift des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Güterlsoh 2007 (=Denkschrift), S.60
  311. Charta der Vereinten Nartionen und Statut des Internationalen Gerichtshofs (hrsg. vom Informationszentrum der Vereinten Nationen), Bonn 2000, S.26
  312. Denkschrift, S.75f
  313. Loest, S.131
  314. zitiert nach: "Ein Credo für jedes Amt", Artikel in: Pester Lloyd. Tageszeitung für Ungarn und Osteuropa vom 15.4.2011 (http://www.pesterlloyd.net/2011_15/15gebetimamt/15gebetimamt.html;
  315. Im Zusatz 8 zur Verfassung Indiens z.B. sind 22 Amtsprachen erwähnt, wobei in ganz Indien ca. 180 verschiedene Sprachen gesprochen werden.
  316. Grab,Walter: Die Franzsösische Revolution. Eine Dokumentation, München 1989, S.415
  317. Grab, a.a.O
  318. Schiller Urkunde Ehrenstaatsbürger Frankreichs
  319. Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Stand: August 2006, (hrsg. Von: Bundeszentrale für politische Bildung)
  320. S.o. Kap. 2.4.4.1.2.1..
  321. S.o. Kap. 1.1.1..
  322. Vgl. Kap. 1.5.1.,Anm.42, Kap. 2.4.4.1.3.,Anm.334, und Kap. 2.4.4.3.,Anm.404.
  323. S.o.Anm.332; vgl. Kap. 2.4.4.3..
  324. Die Akzeptanz von (inhaltliche Offenheit gegenüber) Minderheiten als ethischer Indikator: Wie mit Queers umgegangen wird, zeigt die Qualität einer Gesellschafts- und einer Individual-Ethik an: https://minority.farbenfroh3.de
  325. Rawls,John: Political Liberalism, New York 2005 (=Rawls), 61f
  326. Rawls,63
  327. Rawls,58
  328. Rawls,63
  329. Ratzinger,S.63
  330. Welsch,S.181.
  331. Welsch, S.XVII. Vgl. Anm.331.
  332. Loest, S.77
  333. Aus dem sozialen und politischen Kampf (Die zwölf Artikel der Bauern 1525. Hans Hergot, Von der neuen Wandlung 1527), Flugschriften aus der Reformationszeit, Bd.20 (hrsg. v. Götze,A; Schmitt,L.E.), Halle 1953, S.41
  334. Linz,Juan: Totalitäre und autoritäre Regime, 2.Aufl. Berlin 2003
  335. zitiert aus: https://bwqueer.farbenfroh3.de
  336. Regierungsentwurf - E 1962, Bundestagsdrucksache IV/6450 vom 4.Oktober 1962, auszugsweise abgedruckt in: Bauer, Fritz, u.a.: Sexualität und Verbrechen. Beiträge zur Strafrechtsreform, Frankfurt 1963 (=Bauer), 363ff
  337. Herzog, Dagmar: Die Politisierung der Lust. Sexualität in der deutschen Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts, München 2005 (=Herzog), 160
  338. Code Pénal de L'Empire Francais, Paris 1810
  339. Herzog, 159.
    Auszüge aus der Begründung des Gesetzentwurfs der Koalition von CDU, CSU und FDP zur Beibehaltung der Strafbarkeit von § 175 (männlicher Homosexualität):
    - "daß die wiederholte Betätigung des gleichgeschlechtlichen Triebes ihre Ursache entweder in einer abartigen Persönlichkeitsstruktur oder in einer durch Gewöhnung erworbenen geschlechtlichen Fehlhaltung hat. Die von interessierten Kreisen in den letzten Jahrzehnten wiederholt aufgestellte Behauptung, daß es sich bei dem gleichgeschlechtlichen Verkehr um einen natürlichen und deshalb nicht anstößigen Trieb handele, für den das gleiche Recht in Anspruch zu nehmen sei wie für die Beziehungen zwischen Mann und Frau, ... kann nur als Zweckbehauptung zurückgewiesen werden." (Bauer, 409)
    - Wo die gleichgeschlechtliche Unzucht um sich gegriffen und großen Umfang angenommen hat, war die Entartung des Volkes und der Verfall seiner sittlichen Kraft die Folge." (Bauer,409)
    - als Argument für den Fortbestand des § 175: "denn nach Beseitigung der Strafbarkeit wäre ihre nächste Aufgabe, sich für die gesellschaaftliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Handlungen einzusetzen." (Bauer, 409)
    - "stände auch für die Homosexuellen nichts im Wege, ihre nähere Umgebung durch Zusammenleben in eheähnlichen Verhältnissen zu belästigen." (Bauer, 410)
    - "das Bestreben homosexueller Gruppen ..., durch gegenseitige Hilfestellung in öffentliche Einrichtungen einzudringen und sie durch planmäßiges Nachziehen gleichgeschlechtlich veranlagter Mitarbeiter zu beherrschen." (Bauer, 409)
    - "Polizei und .. die Bundeswehr ... . Daß gerade in diesen Gemeinschaften die Bildung homosexueller Gruppen verderbliche Wirkungen hat, bedarf keiner besonderen Darlegung." (Bauer, 410f)
    - "gegenüber der männlichen Homosexualität ... durch die sittenbildende Kraft des Strafgesetzes einen Damm gegen die Ausbreitung eines lasterhaften Treibens zu errichten, das, wenn es um sich griffe, eine schwere Gefahr für eine gesunde und natürliche Lebensordnung im Volke bedeuten würde." (Bauer, 411)
  340. Loest,S.139
  341. Die englische Originalfassung findet sich auf der Un-Website: UN Declaration: Everyone is entitled to all the rights and freedoms set forth in this Declaration, without distinction of any kind, such as race, colour, sex, language, religion, political or other opinion, national or social origin, property, birth or other status. Furthermore, no distinction shall be made on the basis of the political, jurisdictional or international status of the country or territory to which a person belongs, whether it be independent, trust, non-self-governing or under any other limitation of sovereignty.
  342. zitiert nach: https://dejure.org/gesetze/AGG/1.html
  343. S.o. Kap. 2.4.4.2.1., Anm.384.
  344. Ratzinger, S.63; s.o. Anm. 324 und 325.
  345. Ratzinger, Joseph Cardinal; Amato, Angelo: Erwägungen zu den Entwürfen einer rechtlichen Anerkennung der Lebensgemeinschaften zwischen homosexuellen Personen (Kongregation für die Glaubenslehre. Dokumente zur Doktrin), Rom 2003 (=Ratzinger,Erwägungen), Kap II,5. Vgl. auch die Anmerkungen 4 bis 8 in Kapitel 2 in: https://homophob.farbenfroh3.de
  346. Ratzinger,Erwägungen, Einleitung,1. Vgl. für diese und die folgenden Anmerkungen (bis 221) auch die Anmerkungen 8 bis 18 in Kapitel 3 in: https://minority.farbenfroh3.de
  347. Ratzinger,Erwägungen, Kap IV, 10
  348. Ebd.
  349. Ebd.
  350. Ebd.
  351. Ebd.
  352. Ebd.
  353. Ebd. Vgl. hierzu Kap. 6.1., Anm.40 in: https://minority.farbenfroh3.de
  354. Vgl. Kap. 1.5.1.,Anm.42, Kap. 2.4.4.1.3.,Anm.334 und Kap. 2.4.4.2.1.,Anm.370.
  355. S.o.Kap. 2.4.4.1.3., Anm.331 und 332.
  356. Vgl. z.B.: Schmitt,Carl: Politische Theologie. Vier Kapitel zur Lehre von der Souveränität, München 1934
  357. S.o.Kap. 1.5.1..
  358. S.o. Kap. 1.6.1..
  359. S.o.Kap. 2.1.1.4.
  360. S.o. Kap. 1.6.1., drittletzter Absatz.
  361. Die Genfer Rotkreuz-Abkommen (Schriften des Deutschen Roten Kreuzes), 8.Aufl., Bonn 1988, S.321 (Zusatzprtokoll I, Art 51 (Schutz der Zivilbevölkerung), (5) b) )
  362. Vgl. dazu auch die Bibel: „Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt.“ (Matthäusevangelium 7,21) - „Wer den Willen Gottes tut, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.“ (Markusevangelium 3,35)
  363. Vgl. auch Mt 5,44 (Bergpredigt).
  364. S.o. Kap. 1.6.1., Anm.102.
  365. "Gott ist Liebe" (Neues Testament, 1.Johannesbrief 4,16)
  366. Du sollst deinen Nächsten lieben wie Dich selbst." - (Altes Testament: 3.Mose 19,18; Neues Testament: Matthäusevangelium 22,39) Doppelgebot der Liebe.
  367. S.o. Kap. 1.6.1., Anm.107.
  368. S.o. Anm.83.

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Demokratie als ethisch beste Entscheidungsmethode in Staat und Kirche

Inhaltsverzeichnis


1. Einleitung
2. Definition von Demokratie
3. Demokratie aus der Gleichheit (der Menschen) abgeleitet
4. (Formale) Demokratie und (inhaltliche) Wahrheit
5. Demokratie als Grundmethode im Angesicht postmoderner Totalisierungskritik
6. Die Einstellung zu Gleichheit und Demokratie in Bibel und Kirchengeschichte
     6.1. im Hinblick auf den staatlichen Raum
           6.1.1. Bibel
           6.1.2. Christliche Stimmen der „linken“ Reformation und Neuzeit
     6.2. im Hinblick auf den Raum der religiösen Gemeinde
          6.2.1. Bibel und früh-rabbinisches Judentum
          6.2.2. Reformation und Neuzeit
7. Demokratie im Staat und in der Kirche: Gemeinsamkeiten
     7.1. Die Kirche in ihren Entscheidungsvollzügen als Teil des Regiments zur Linken
     7.2. Derselbe Ausgangspunkt: Ethik der Gleichheit und Wahrheits-Differenz
     7.3. Das Amt als Ermöglichungs- und Gewährleistungsfunktion kirchlicher Demokratie
     7.4. Das Losverfahren als besondere Entscheidungsmethode
8. Kirchlich-theologische Widersprüche gegen Demokratie
      8.1. Begründungsdefizite erforderten ein (kirchlich-)vordemokratisches Fundament
      8.2. Einmütigkeit
      8.3. Berufung auf Gott statt auf die Menschen
      8.4. Mitsprache der "Laien" trotz fehlender Demokratie
      8.5. Die freiwillige Mitgliedschaft in einer undemokratischen Gruppe (Kirche) als hinreichender demokratischer Akt
      8.6. Echte Demokratie nur für kirchliche Einzelbereich geeignet
9. Die spezifische Differenz einer kirchlichen zu einer staatlichen Demokratie - Zusätzliche Aspekte einer kirchlichen Demokratie
     9.1. Tradition
     9.2. Größtmögliche Einmütigkeit und Minderheitenschutz gegenüber den kirchlichen Gruppen
     9.3. Weltkirche - Ökumene
10. Die praktische Umsetzung des grundsätzlich-theoretisch Erkannten
11. Zusammenfassendes Beispiel

Im Zusammenhang mit der Wahl zum Europäischen Parlament im Juni 2014: "Die Europäische Union ist weniger demokratisch kontrolliert als die meisten ihrer Mitgliedstaaten, daher ist jeder Schritt zur vertieften europäischen Integration immer auch mit einem Verlust demokratischer Kontrolle verbunden. Das europäische Integrationsprjekt wird daher nur dann eine gute Zukunft haben, wenn die europäischen Institutionen konsequent demokratisiert werden und zugleich das Subsidaritätsprinzip ernst genommen wird." (Artikel "Ein Warnruf" von Julian Nida-Rümelin, Süddeutsche Zeitung, 4.6.2024, S.11)


Alarm 2024 in Deutschland
Muslime, die einen steigenden Anteil an der jungen Generation Deutschlands haben, stellen über die - demokratisch entschiedenen und geformten - Gesetze Deutschlands die undemokratisch starren Regeln des Koran. (Laut der "Studie des Kriminolgischen Forschungsinstituts in Niedersachsen ... stimmen mehr als zwei Drittel (67,8 Prozent) der muslimischen Schüler dieser Aussage zu: 'Die Regeln des Koran sind mir wichtiger als die Gesetze in Deutschland.' Von den Befragten erklärten 45,8 Prozent, ein islamischer Gotteststaat sei für sie die beste Staatsform." (Sonntagsblatt. Evangelische Wochenzeitung für Bayern 17 (28.4.2024), S. 7) Damit ist die Demokratie in Deutschland mittelfristig entscheidend gefährdet. Im Folgenden wird der hohe Wert der Demokratie für jeden Menschen, den Staat (und auch die christliche Kirche) entfaltet.


1. Einleitung

In diesem Artikel soll die Angemessenheit der Demokratie im Blick auf die beiden Bereiche "Staat und Kirche" behandelt und differenziert werden.

Unter ökumenischem evangelisch-katholischen Blickwinkel wird sich zeigen, dass klischeehafte Zuordnungen evangelisch=demokratisch und katholisch=autoritär nicht nur verzerren, sondern in manchen Epochen für den staatlichen Bereich sogar das Gegenteil der Fall war.

Andererseits scheint Papst Franziskus neben allen neuen Akzenten beim Thema „Demokratie in der Kirche“ auch im Jahr 2014 eine ablehnende Haltung beizubehalten: „Bischöfe werden nicht gewählt, um eine Organisation, die sich Ortskirche nennt, zu leiten, sondern werden geweiht und haben den Heiligen Geist mit sich"(1), sagte der Papst in einer Predigt und fuhr fort: Der geweihte Bischof … werde nicht von Menschen, sondern von Gott erwählt.

(Kern der Argumentation in diesem Aufsatz wird sein, dass es das Wesen des Menschen ist, auf das andere bezogen zu sein und nur von und durch das/den anderen zu existieren,
- zum einen beinhaltet dies, dass der Christ die anderen Menschen als die anderen seiner selbst/gleichberechtigt und damit demokratisch gleichwertig achten soll,
- zum zweiten auf Gott als „das andere in Vollkommenheit“ bezogen ist und damit die vollkommene Wahrheit außer sich und nur in Gott weiß und aus dieser Wahrheitsdifferenz den anderen Menschen gleiche, demokratische Rechte zuerkennt und nicht unmittelbar identisch mit Gott autoritär handelt. Aufgrund dieses zweiten Punktes will ich zeigen, dass wahrer Glaube und wahre Religion demokratisch sein muss und nicht repressiv-autoritär sein kann – ganz im Gegensatz zu jedem religiösen Fundamentalismus, wie wir ihn zum Beispiel im Islamischen Staat (IS) finden. Wer Demokratie ablehnt, beleidigt Gott, weil er sich –zumindest unbewusst und teilweise - auf die Stufe Gottes stellt.)

Im Vergleich zu den meisten kirchlichen Aufsätzen und Monographien zur Demokratie, betont dieser Aufsatz die Demokratie stärker als christlich-ethische Kernmaxime und Wert an sich und verkleinert die Unterschiede zwischen staatlicher und kirchlicher Anwendung. Dabei kommen im kirchlichen Raum in einem zweiten Schritt durch die Glaubensausrichtung auf Gott gegenüber der staatlichen Demokratie einige Aspekte hinzu.

2. Definition von Demokratie

Demokratie ist eine Methode, ein Werkzeug, um Entscheidungsprozesse in einer Gruppe zu regeln (und gehört damit in das Unterkapitel der Sozialethik).
Die Methode besteht darin, dass
1. Entscheidungen mit (einer wie auch immer genauer definierten) Mehrheit in einer Abstimmung entschieden werden und
2. alle Gruppenmitglieder bei dieser Abstimmung eine, also die gleiche Stimme haben.

Damit beruht Demokratie fundamental auf dem Grundsatz, der ethischen Maxime der Gleichheit.(2).

Da nur dann die demokratische Methode erforderlich ist, wenn es Meinungsverschiedenheiten gibt, sind Meinungsverschiedenheiten eine praktische notwendige Voraussetzung für Demokratie(3).
Demokratie – gerade auch im kirchlichen Raum – mit dem Argument zu kritisieren, Einstimmigkeit und Einmütigkeit seien ethisch besser, trifft die Demokratie nicht, denn Demokratie muss immer erst dann – praktisch – als Methode angewandt werden, wenn dauerhafte Meinungsverschiedenheiten festgestellt wurden und die Einmütigkeit damit als Gegenposition schon ausgefallen ist.

Schon formallogisch und mathematisch ist es die einzige Alternative zu einer demokratischen Mehrheitsentscheidung, dass eine Minderheit (wozu auch ein einzelner Monarch gehört) diktatorisch entscheidet. (Als dritte Möglichkeit bleiben lediglich Methoden, bei denen überhaupt kein Mensch entscheidet.(4))

Wieweit auf der Grundlage eines akzeptierten demokratischen formalen Entscheidungsprozesses das Ziel größtmöglicher Einmütigkeit und der Annäherung der konträren inhaltlichen Positionen durch größtmöglichen Kompromiss anzustreben ist, ist in der politischen Demokratietheorie umstritten.(5) Jedenfalls ist es nicht sinnvoll, den Begriff „Demokratie“ so zu definieren, dass er selber schon mit diesen Inhalten versehen wird, weil dann ein Begriff für das formale Verfahren (das sich natürlich von den Inhalten unterscheidet) fehlt.

Demokratie ist als Methode und Werkzeug (s.o.) rein der formalen Ebene zuzuordnen, auf deren Grundlage dann in weiteren Schritten über inhaltliche Fragen, Inhalte entschieden wird.

Sie unmittelbar mit Inhalten (z.B. Gerechtigkeit,…) zu verbinden, indem man ihr sogar Inhalte vorschaltet (wozu man wegen der starken ethischen Inhalte in der Religion versucht sein könnte oder auch Menschenrechte), ist nicht nur aus sprachlich-begrifflichen Gründen nicht sinnvoll, sondern darüber hinaus letztlich eine verschleierte Form der Diktatur, denn da die Inhalte im Entscheidungs-Prozess ja vor der Demokratie stehen sollen, sind sie der Mehrheitsentscheidung entzogen, müssen aber trotzdem definiert werden. Diese Definitionshoheit haben dann einzelne Menschen ( (z.B. religiöse) „Experten“, Richter*innen) ohne demokratische Kontrolle auf diktatorische Weise. In einem solchen System, das Demokratie auf der 1.Stufe nicht rein formal versteht, wird von einigen Menschen all das, was nicht in ihr Toleranzspektrum passt, als "demokratisch nicht abstimmbare" "Verletzung von Menschenrechten" definiert - eine ideologisch begründete, klassisch verschleierte Diktatur einer Minderheit.

Ich stimme in fast allem den Ansichten Philip Manows in seinem neuen Buch (Manow, Philip: Unter Beobachtung: Die Bestimmung der liberalen Demokratie und ihrer Freunde, Berlin 2024) zu, gerade auch im Blick auf die (fatalerweise) zunehmende Macht der Gerichte gegenüber demokratischen Parlamentsentscheidungen.
In einem Interview-Artikel der Süddeutschen Zeitung (Bovermann, Philipp/Stephan, Felix: "Wir können die Wälle nicht immer höher ziehen", SZ vom 9.7.2024, S.9) fasst Manow die Aussagen seines Buches zusammen:
"eine Demokratie, die vieles nicht mehr über Mehrheiten und Wahlen regelt, sondern über Gerichtsentscheidungen ... vor allem durch den Europäischen Gerichtshof. ... Krisendiagnosen ..., dass populistische Akteure die liberale Demokratie systematisch zerstören, beziehen sich auf Konflikte zwischen Politik und Recht: die Reformen in Ungarn ..., dann in Polen, in Israel, sie alle zielten darauf ab, die Verfassungsgerichte auszuschalten. In Israel ... nahm sich das Oberste Gericht die Befugnis zur weitgehenden Kontrolle von Parlamentsgesetzen ... Das kreiert natürlich eine politische Motviation, diese Institution zu schleifen. Oder zu übernehmen. ... Es gibt eine Reihe von stabil-demokratischen, liberalen Ländern, die skandinavischen zum Beispiel, die Niederlande oder das Vereinigte Königreich, die gar keine Verfassungsgerichte kennen. Offensichtlich hängt es nicht daran, ob eine Demokratie lebt oder stirbt. ... wir müssen die Zumutungen der elektoralen Demokratie annehmen, die darin bestehen, dass Leute wirklich anderer Meinung sind als wir."

Das Primat der Demokratie, des Mehrheitswillens der Bevölkerung bedeutet, dass es bei der Gewaltenteilung eine Hierarchie gibt, an deren Spitze das Parlament (klassisch "Legislative" genannt) und Volksabstimmungen stehen.
Die Gerichte stehen am Ende und haben lediglich die Aufgabe,
für eine stimmige Anwendung der vom Parlament beschlossenen Gesetze und die Verhinderung von Vetternwirtschaft zu sorgen (zu verhindern, dass zB die Familien von Parlaments-Abgeordneten oder Regierung sich über die Gesetze hinwegsetzen).
Über die Rechtmäßigkeit von Gesetzen sollten Gerichte nicht entscheiden dürfen. Was den Menschenrechten entspricht, entscheidet letztgültig das Parlament und nicht das höchste Gericht. "Der Rechtsstaat ist weder unantastbar noch heilig." (Oliver Meiler: Bruno Retailleau. Frankreichs neuer Innenminister, SZ, 2/3.10.2024, S.4)

Es genügt das etwas extreme Modell in Indien um das Jahr 2020 vollkommen den demokratischen Anforderungen: "Modis Auffassung von Demokratie ist die absolute Herrschaft der Mehrheit - vollstreckt durch einen starken Anführer." (David Pfeifer: Indien. Ein vollstrecker, Süddeutsche Zeitung, 5.6.2024, S. 4)

"Zu den Forderungen nach Demokratie seit der Aufklärungszeit war der Liberalismus eigentlich eine Gegenbewegung ... Eine Demokratie, die nicht liberal ist, ist genauso möglich wie Liberalismus ohne Demokratie." - so Aleandre Lefebvre (Eigene Website von A. Lefebvre), Professor für Politologie und Philosophie an der "University of Sydney" im Interview (Nicolas Freund: "Konservative verstehen Liberalismus als Angriff" (Interview mit A. Lefebvre), Süddeutsche Zeitung vom 26.8.2024, S. 5).

3. Demokratie aus der Gleichheit (der Menschen) abgeleitet

Wie schon im Kapitel zuvor geschrieben, beruht Demokratie auf der ethischen Maxime der Gleichheit. Dabei ist die Gleichheit nicht nur notwendige, sondern auch hinreichende Voraussetzung für Demokratie, d.h. wenn man von der Gleichheit der Menschen ausgeht, ergibt sich unmittelbar und nur die demokratische Entscheidungsform (und Verfassungsform)(6).

So leitetet auch die EKD-Demokratie-Denkschrift von 1985 die Demokratie aus dem ethischen Wert der Gleichheit her: "Die Würde des Menschen als Gabe Gottes ... Aus der gleichen Wurzel entspringt auch der Gedanke der Freiheit und Gleichheit aller Menschen, ohne den die Entwicklung zur Demokratie nicht denkbar ist. Wo sich der Gedanke durchzusetzen vermochte, daß es keine Menschen oder Menschengruppen von unterschiedlicher Wertigkeit gibt, konnte es auf die Dauer nicht mehr hingenommen werden, einen Teil von ihnen grundsätzlich von der politischen Herrschaft auszuschließen."(7)

In gleichem Sinn, aber leider mit abgeschwächter Formulierung spricht das Demokratie-Impulspapier der EKD von 2017: "Deshalb ist eine Demokratie nur stabil, wenn sie eingebettet ist in eine politische Kultur, in der die Bürgerinnen und Bürger sich gegenseitig als Freie und Gleiche anerkennen und achten."(8)

Wird Demokratie zuerst und ausschließlich aus der Menschenwürde abgeleitet, die wiederum stark inhaltliche Elemente enthält (die dann undemokratisch erst einmal definiert werden müssen (S.o. Kap.2.)) statt aus der Gleichheit, dann ist ihr Begründungsfundament ausgesprochen brüchig und argumentativ leicht ins Wanken zu bringen, wie historische Beispiele zeigen,
- z.B. könnte die Menschenwürde der Frau durch ihren nicht-öffentlichen Platz in der Familie definiert werden, die sie von politischer Willensbildung ausschließt.
- Es könnte argumentiert werden, dass queere sexuelle/homosexuelle Minderheitenorientierungen der Menschenwürde widersprechen und nicht toleriert und nicht demokratisch akzeptiert werden dürfen.
- Es könnte argumentiert werden, dass eine Trennung unterschiedlicher Rassen der gottgewollten Menschenwürde entspräche, so wie dies mit explizit religiöser Begründung in der Republik Südafrika und Urteilen der obersten Gerichte in den Südstaaten der USA bis in die 1960er-Jahre geschah.
Manche Formulierungen der Denkschrift der EKD lassen dieses Verhältnis begrifflich nicht vollkommen klar erscheinen und böten Einfallstore für solche fatalen Ableitungen.

Gleichheit selbst kann nun ihre Begründung haben in

- 1. einer nicht weiter hinterfragten (axiomatischen) Entscheidung einzelner/aller Gruppenmitglieder (Immerhin müsste der, der diese Entscheidung nicht nachvollzieht, damit behaupten, dass einzelne (vermutlich auch er selbst) einen größeren Wert, ein größeres Gewicht in der Gruppe haben als andere.);

- 2. zuvor gesetzten weltanschaulichen oder religiösen Grundsätzen, z.B. Aussagen der Bibel(9);

- 3. (diese Voraussetzungen der Punkte 1. und 2 ausschließend - stattdessen rational begründend)
- 3.1. der Feststellung, dass Identität und Übereinstimmung das Grundwesen der Wirklichkeit ist, dass also der einzelne in größtmöglicher Einheit und Identität mit der ihn immer betreffenden Umgebung leben sollte.
- und 3.2. (auf der Grundlage von 3.1.) einer (philosophisch-(theologischen)) Analyse der Wirklichkeit – wie folgt:
Die Wirklichkeit, mit der der Mensch (nach 3.1.) in Einklang leben soll, wird dann als Relationalität analysiert. Konkreter gesprochen ist jeder Menschen notwendig und grundlegend auf seine Umwelt bezogen. Ein nächster Erkenntnisschritt besteht darin, dass der Mensch, weil seine Umwelt, die anderen für ihn so konstitutiv sind, er dieser Umwelt, also den anderen Menschen einen gleichen Wert, also Gleichheit zugestehen muss, die dann wiederum die hinreichende Basis für Demokratie ist (s.o. Anm 6.).
(So eine Ableitung würde den Analyseformen des Deutschen Idealismus nahe kommen, bei denen eine notwendige dialektische Beziehung von Subjekt und Objekt (Nicht-Ich) in der Wirklichkeit besteht. Ein solcher Gedankengang würde sich etwa wie folgt darstellen: Da das menschliche Subjekt immer schon begründet und bestimmt ist durch das andere (seiner selbst), muss es dem anderen (und damit auch den anderen Subjekten, Menschen) einen gleichen Wert, also Gleichheit zugestehen.)

Die Begründungswege in 3.1. und 3.2. könnten auch miteinander verbunden werden, indem man davon ausgeht, dass der (trinitarische, relationale) Gott der Grund der Wirklichkeit (der Relationalität) ist.

Eine ausführliche Entfaltung der Gedankengänge unter Punkt 3 findet sich hier in der Anmerkung.(10)

4. (Formale) Demokratie und (inhaltliche) Wahrheit

Da es in der Religion um Wahrheitsfragen geht, ist die Klärung dieses Punktes hier sehr wichtig. "Demokratie ist kein System der Wahrheitsfindung, sondern der Entscheidungsfindung"(11), kann also nicht mit Wahrheitsqualifikationen gerechtfertigt oder abgelehnt werden.

Genauer müsste man sagen, Demokratie ist kein System oder keine Garantie für inhaltliche Wahrheitsfindung. Dennoch beansprucht die formale Methode der Demokratie einen Wahrheitsanspruch im Wettbewerb mit anderen Methoden (siehe oben Kap. 3. und Kap.5..).

Andererseits stehen die anderen Methoden der inhaltlichen Wahrheitsfindung auch nicht näher. Sie können also nicht mit größerer Nähe zu inhaltlichen Wahrheiten gerechtfertigt werden, obwohl dies von außer- und innerkirchlichen Demokratie-Kritikern bis heute getan wird.(12)

Die inhaltliche Berufung auf die Wahrheit und Souveränität Gottes, auf den wahren Glauben(13); kann gegenüber der Meinung der anderen nicht besonders qualifizieren und die demokratische Methode nicht widerlegen oder auch nur begrenzen, denn Gottes Wahrheit begegnet uns normalerweise nicht unmittelbar, sondern nur vermittelt durch das Sprechen von Wahrheit durch verschiedene Menschen(14). Beruft sich jemand auf Gott und den – wahren – Glauben, dann redet hier nicht Gott unmittelbar oder auch nur stärker als bei den anderen Menschen, sondern es redet dieser Mensch (von Gott und der Glaubenswahrheit).

Menschen, die mit – auch religiösen - Wahrheitsansprüchen reden, sind sich teilweise nicht einig. Nur solche(15) Meinungsverschiedenheiten im Blick auf die Wahrheit sind der Sitz im Leben der Demokratie(16). Dann ist zu klären, in welchem Verhältnis die sich widersprechenden Personen zueinander stehen. Hier gibt es letztlich nur 2 kontradiktorische(17) Methoden:
- Alle sich über die Wahrheit streitenden Menschen (Subjekte) sind gleich, dann ist die Methode der Demokratie anzuwenden (die als formale, auf der Gleichheit beruhende Grundwahrheit im Kapitel 3 dargelegt wurde).
- Die Gleichheit wird abgelehnt: Dann bestimmen die Menschen, die mehr Entscheidungsgewicht haben, mehr oder weniger diktatorisch über die anderen.

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5. Demokratie als Grundmethode im Angesicht postmoderner Totalisierungskritik

Wenn Demokratie als grundlegendes formales Wahrheitssystem auftritt, dann wird dieses nicht nur
– „klassisch-konservativ (tw.reaktionär)“ mit einem Anspruch auf Wahrheit kritisiert, über die nicht abgestimmt werden kann/dürfe (Totalisierungsgebot – siehe nächsten Absatz) (s. Kap 4. und Kap.8.1., 8.2.),
- sondern auch von der anderen – postmodernen – Seite mit der Behauptung, dass jeder Wahrheitsanspruch Pluralität und damit auch Demokratie zerstöre.

Diese postmoderne Kritik trifft aber nur Wahrheitspositionen, die auf der ersten, grundlegenden Ebene statt rein formaler auch inhaltliche Positionen einnehmen. Das sind zum Beispiel auch Positionen, die - vor allem in der Politik - die Befolgung von Expertenwissen als Bedingung, Vorgabe und Einengung für demokratische Entscheidungen fordern, wodurch die Demokratie zur einer diktaturartigen "Expertokratie" würde: Es "zieht der Verweis auf Expertenwissen im demokratischen Diskurs indes prinzipiell demokratietheoretische wie auch demokratieprinzipielle Friktionen nach sich. ... Insoweit droht eine Herrschaft der Experten."(18) "Die Neigung, Entscheidungen als sachlich oder rechtlich zwingend zu deklarieren, ... stellt eines der Hauptprobleme im Umgang mit Expertenwissen dar. ... Die Rede von mangelnden Alternativen ist in einer Demokratie somit kein gangbarer Weg."(19) "Daher kann politisch ... selbst über einen Expertenkonsens hinweggegangen werden.(20) "In einer Demokratie muss ... letztlich die öffentliche Meinungsbildung darüber entscheiden, ob eine weitere Debatte stattfindet oder wissenschaftliche Aussagen als Fakten anerkannt werden."(21) "Prinzipiell wird im Recht mittels der Letztentscheidung des demokratisch legitimierten Hoheitsträgers über Wissen sichergestellt, dass trotz der Einbeziehung von Expertenrat ... den Maßgaben des Demokratieprinzips genügt wird."(22)

Demokratie als rein formaler Wahrheitsanspruch bewegt sich auf einer formalen Meta-Ebene, die über den inhaltlichen Wahrheitsansprüchen steht, deshalb grundsätzlich keinen ausgrenzt und Pluralität nicht zerstört: Dieses (mit dem Wahrheitsanspruch der Demokratie einhergehende, scheinbar intolerante) „Totalisierungsverbot steht nicht in der gleichen Reihe wie deren Totalisierungsgebote. Das kann man schon daran erkennen, daß seine Position nicht eine weitere materiale, sondern eine formale ist, die sich auf alle materialen gleichermaßen bezieht …. Dies ist eine ... widerspruchsfreie Position."(23)Wenn nämlich – dialektisch gesprochen - das System/die Einheit/die Struktur die Offenheit selbst ist, ist durch diese Struktur (Demokratie) keine Einschränkung gegeben, sondern nur eine Sicherung der Offenheit und Pluralität

So muss die formale Wahrheit der Gleichheit und Demokratie mit einem Wahrheitsanspruch auftreten muss, da sie sonst Diktatur und Repression als Option zuließe und damit gerade die Zerstörung von Gleichheit, Demokratie und Pluralität. Damit würde die Ungleichheit wieder eine Option. Denn es ist schlüssige Tatsache, dass „absolute Heterogenität, streng genommen, Kommunikation verunmöglicht und somit im Konfliktfall nur noch die Praxis des Terrors übrig lässt - dieses Motiv ist ernst zu nehmen und bedarf der Einlösung. Integrative Momente sind unverzichtbar. Nur muß dabei eine Totalisierungssperre klar eingebaut und erkennbar sein."(24)
Interessanterweise werden sich letztlich die zunächst so gegensätzlichen demokratiekritischen Positionen der Intoleranz und des totalen Wahrheitsverzichtes sehr ähnlich.

6. Die Einstellung zu Gleichheit und Demokratie in Bibel und Kirchengeschichte

6.1. im Hinblick auf den staatlichen Raum

6.1.1. Bibel

Der Bund, den Gott am Sinai mit Israel schließt, beinhaltet eine "Form von Offenbarung, die das eigentlich Neue und Einmalige darstellt. Zeugen sind nun die Israeliten, die JHWH als sein Volk anspricht".(25) - Sie "konstituieren .. sich als Volk in einem ganz neuen, emphatischen und geradezu direkt-demokratischen Sinne. Sie, und nicht Mose oder die siebzig Ältesten ... oder eine Dynastie sind die Partner des Bundes."(26) - "Der Bundesgedanke macht das Königtum überflüssig. Das Volk tritt an die Stelle des Königs. In der Abwesenheit des Königs liegt das Spezifische der alttestamentlichen Bundestheologie."(27)

Dazu passt, dass die Jothamfabel im Richterbuch (Ri 9,6-16) das Königtum mit drastischen und moralisch abwertenden Bildern disqualifiziert - im Blick auf den Charakter von Leitungspersonen, der eine Monarchie hervorbringt. So ist diese Fabel auch "als die stärkste antimonarchische Dichtung der Weltliteratur bezeichnet"(28) worden.

Markus-Evangelium 10,42-44 ist ebenfalls ein herrschaftskritischer Vers.(29)

„Das Wort aus Galaterbrief 3,28 … passt heute … nahtlos zur Staatsform Demokratie.“(30)

6.1.2. Christliche Stimmen der „linken“ Reformation und Neuzeit

In den Memminger 12 Artikeln der schwäbischen Bauern von 1525 wird - religiös begründet - volle Gleichheit(31) unter den Menschen vertreten: „das uns Christus all mitt seynem kostparlichen plutvergüssen, erlößt unnd erkaufft hat, Den Hyrtten gleych alls wol alls Den höchsten, kain außgenommen“(32). Sie sind "die erste demokratische Verfassungsurkunde auf deutschem Boden"(33) bezeichnet worden.

Die bewusst christlich fundierte Unabhängigkeits- und Menschenrechtserklärung(34) der USA sowie die französische Revolution sind wichtige, erste Impulse am Ende des 18.Jahrhunderts zur allmählichen Neu-Entdeckung demokratischen Gedankenguts im Christentum.

In Deutschland waren keineswegs die Protestanten die Protagonisten eines demokratischen Staates. Im Kaiserreich stark mit der Konservativen Partei und vor allem in der Weimarer Republik mit der Deutschnationalen Volkspartei verbunden, unterstützten sie – und vor allem auch die Pfarrerschaft – mehrheitlich Strömungen, die reformfeindlich und anti-demokratisch waren.

Die Mehrheit der Katholiken dagegen fand sich im Zentrum wieder, das im Kaiserreich für größere Gleichheit, Schutz (auch der eigenen katholischen) Minderheit und Pluralität eintrat und in der Weimarer Republik zusammen mit der SPD das Rückgrat der demokratischen Kräfte bildete.

Noch 1965 kann man in einem Artikel der Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht lesen, der deutsche Protestantismus habe es nicht "bisher vermocht, eine tiefe innere Beziehung zum demokratischen Gemeinwesen zu entwickeln."(35)

So kann "zwischen Protestantismus und Demokratie ... im Blick auf Deutschland nur von einer allmählichen und späten Befreundung die Rede sein."(36)

So stellt es im Jahr 2017 das Demokratie-Impulspapier der EKD noch einmal rückblickend fest: "Die evangelischen Kirchen in Deutschland gelangten nur schrittweise, nach dem Zusammenbruch von 1945 und im Angesicht des Grauens, das der Nationalsozialismus hinterlassen hatte, zu einer positiven Würdigung der Demokratie."(37)

Das zeigt sich auch darin, dass die evangelische und katholische Kirche im Jahre 2006 in einem gemeinsamen Papier im Blick auf die staatliche Verfassung eine lange antidemokratische Tradition kritisierten: "Die frühere Zurückhaltung der Kirchen gegenüber der Staatsform Demokratie hat sich grundlegend gewandelt."(38) Und im Blick auf die Zukunft heißt es: "Die Kirchen werden auch in Zukunft für die freiheitliche Demokratie des Grundgesetzes eintreten, weil diese in besonderer Weise dem christlichen Menschenbild entspricht"(39), so dass "es zur Demokratie keine akzeptable Alternative gibt."(40)

Das EKD-Papier von 2017 betont dies auch: "Für uns als Kirchen bedeutet das zum einen, im Anerkennen und Aneignen der Demokratie deren enge Verbindung mit den Werten des Christentums selbstbewusst zu vertreten."(41)

Dazu passt eine Aussage des bayrischen Landesbischofs und EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm vom Juli 2014, in der er in einer Rede in Schweinfurt äußerte, für "die Demokratie in Deutschland ... könne man 'gar nicht dankbar genug' sein."(42)

Aber noch im Jahr 2013 spricht im Unterschied zu diesem ökumenischen Papier, das die Demokratie in besondere Nähe zum christlichen Glauben rückt, eine profilierte evangelische Stimme mit einem viel zurückhaltenden, kritischen Zungenschlag: „Diese Bedeutung der Demokratie anerkenne ich durchaus. Für mich hat freilich Demokratie als Form der Herrschaftsübertragung keinen absoluten Rang. … Jedoch verbietet sich eine theologische Überhöhung der Demokratie als Staatsform.“(43)

In der us-amerikanischen politischen Geschichte finden wir dagegen immer wieder den ethischen Basiswert der Gleichheit, der religiös begründet wird; zunächst in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung vom Juli 1776, 2.Absatz: „We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights“(44). Diese schöpfungstheologische Begründung der Gleichheit als höchstem ethischen Wert setzte sich aktuell fort, denn Präsident Obama zitierte im Januar 2013 in der Rede zu Beginn seiner 2.Amtszeit den oben genannten Satz zunächst und aktualisierte ihn durch die Nennung von 3 historischen Orten der demokratischen Emanzipationsgeschichte: "We the people, declare today, that the most evident of truths - that all of us are created equal - ist the star, that guides us still; just as it guided our forebears through Seneca Falls, and Selma and Stonewall"(45). Die 3 Orte stehen für Gleichheitsaktionen im Blick auf 3 benachteiligte Bevölkerungsgruppen: Seneca Falls: Frauen; Selma: Farbige (Rassismus); Stonewall: Queers (Homosexuelle und andere, sexuelle Orientierung)

6.2. im Hinblick auf den Raum der religiösen Gemeinde

6.2.1. Bibel und früh-rabbinisches Judentum

Markus-Evangelium 10,42-44(46) ist ebenfalls ein herrschaftskritischer Vers, der staatliche Diktatur kritisiert, dagegen aber ein nicht-diktatorisches Miteinander im religiösen Raum empfiehlt. Unter historisch-kritischen Gesichtspunkten hält Bultmann dieses Logion für „unbestimmten Ursprungs“(47), Gnilka für „authentisches Jesusgut“(48).

Der Nachfolger des Judas wird durch das Los bestimmt (Apostelgeschichte (Apg) 1,23-26) – in alttestamentlicher Tradition.

Apg 15,6 trägt zum Frage nach einer demokratisch-synodalen(49) Kirchenleitung weniger bei, weil nicht klar ist, ob die πρεσβύτεροι auf demokratische Weise bestimmt wurden.

Apg 6,1-6: "Die 'Zwölf' ... reagieren ..., indem sie eine Vollversammlung der Gemeinde einberufen. Das dabei vorausgesetzte Modell gemeindlicher Verfassung dürfte kaum auf die Urgemeinde zurückgehen; es scheint eher die Praxis des Lukas widerzuspiegeln. ...Die Vollversammlung bestimmt durch Wahl die Träger innergemeindlicher Dienste"(50). Unabhängig von der Historizität wird von Lukas hier ein klar demokratisches Entscheidungsmodell angeboten.(51)

Nach der Zerstörung des Tempels in Jerusalem bildete sich die jüdische Identität um das jüdische Gesetz, die Torah. Ihre Auslegung ist bis heute das Ergebnis langer, auf Gleichheit beruhender Diskussionen der Rabbiner. Dann stellt sich die Frage, wie mit bleibenden Meinungsverschiedenheiten umgegangen wird.
In einer dazu lehrhaften Erzählung aus dem Babylonischen Talmud (Bava Mezia 59b) ruft bei einer solchen theologischen Meinungsverschiedenheit Rabbi Elieser die Stimme Gottes an, die unabhängig von den Mehrheitsverhältnissen ihm Recht geben soll. Aber dabei wird deutlich, dass man die Entscheidung nicht mehr im direkten Reden Gottes suchen soll: "'Nicht im Himmel ist sie' ... Weil die Tora schon vom Berg Sinai her gegeben worden ist, haben wir nicht auf eine Himmelsstimme zu hören. Denn schon am Berg Sinai hast Du in der Tora geschrieben: 'Nach der Mehrheit ist zu entscheiden' ... der Heilige ... in jener Stunde .. sagte ihm: Nun, er hat gelächelt und gesagt: Meine Kinder haben mich besiegt"(52). Gottes Hochachtung für den ethischen Basiswert der Demokratie ist in dieser Erzählung also so groß, dass er lächelnd zulässt, wenn seine eigene Wahrheit einmal überstimmt wird. Klaus Wengst kommentiert diese rabbinische Darlegung: "Gott darf nicht für die bestimmte Auslegung eines Einzelnen allein beansprucht werden."(53) (S.u. Kap. 4 und 8.2..) - Die jüdisch-rabbinische Methode beim Umgang mit bleibenden Meinungsverschiedenheiten ist ganz wie in diesem Buch für den innerreligiösen Bereich gefordert: Demokratie (S. Kap.7..) mit Minderheitenschutz und größtmöglicher Einmütigkeit (S.u. Kap. 9.2..): "Das rabbinische Judentum hat ... die Mehrheitsentscheidung herausgestellt. Es hat aber zugleich auch ein charakteristisches Verfahren entwickelt, wie mit der unterlegenen Lehrmeinung umzugehen ist"(54), nämlich es hat "selbst in der Halacha, wo man sich ja schließlich entscheiden muss, ... auch die unterlegene Auslegung ihre Ehre."(55)

6.2.2. Reformation und Neuzeit

Hier ist auch Luthers gemeindedemokratische Schrift von 1523 zu nennen: "Das Recht der christlichen Gemeinde, die Lehre zu beurteilen und die Pfarrer zu berufen“, wenngleich die Tradition der lutherischen Kirche diese Linie erst wieder neu entdecken musste.

Nach CA 28 hat jeder Christ - analog zu demokratischen Grundsätzen - das Recht, geistliche Fragen zu beurteilen und den kirchlichen Amtsträgern zu widersprechen: „Wo sie aber etwas dem Evangelio entgegen lehren, setzen oder aufrichten, haben wir Gotts Befehl in solchem Falle, daß wir nicht sollen gehorsam sein“.(56)

In der Theologie der altprotestantischen Orthodoxie finden wir dagegen eine aristokratisch-oligarchische Leitungsstruktur durch die Amtsträger (doctores). Hutter bringt es auf den Begriff: "Nos vero contendimus, Formam Regiminis Aristocraticam esse optimam, et ecclesiae in his terris militanti rectissime competere."(57) "Quo modo primitiva Ecclesia ab Apostolis gubernata est, eodem omnibus temporibus ecclesia administrabitur. Atqui Aristocratice eam Apostoli gubernarunt."(58)

Im 19.Jahrhundert kam allmählich "in der Errichtung von Synoden als kirchenleitenden Organen der Grundgedanke einer Ordnung der Kirche von unten nach oben zum Ausdruck".(59) Die früheste Landeskirche mit demokratisch gewählten Synoden/Presbyterien: Es entstand in "Baden 1821... eine Presbyterial- und Synodalverfassung"(60),(61).

Ab 1918 "nahm die evangelische Kirche wesentliche Elemente der alten Synodalordnungen auf und lehnte sich im Übrigen an die Prinzipien der neuen demokratischen Staatsverfassung an."(62)

Demokratiekritische Positionen argumentieren oft mit den Erfahrungen des Kirchenkampfes, insofern dort bei demokratischen Wahlen die Deutschen Christen siegten. Jedoch wurden "die Wahllisten durch den jeweiligen Gauleiter festgelegt. Eine Wahl im eigentlichen Sinne fand .. in ganz Deutschland nicht statt."(63) In "der braunschweigischen Landeskirche gab es .. außer den DC ... keine weitere Liste. In Württemberg wurde die Sitzverteilung zwischen DC und Kirchenregierung vereinbart, so dass nur noch die Zustimmung zu geben war."(64) Es waren also nicht demokratische, sondern die "unter erheblichem staatlichen Druck durchgeführten 'braunen Synodalwahlen'".(65)

Man findet im evangelischen Raum bis in die Gegenwart sehr oft eine große Zurückhaltung gegenüber der kirchlichen Demokratie: Ein berühmt gewordenes Zitat von Wilhelm Maurer aus dem Jahr 1955 (66) wird bis in unsere Tage wiederholt wird: "'Niemand hat es bis heute fertiggebracht, ein demokratisch waltendes Kirchenregiment theologisch zu begründen.'".(67)

Ganz im Sinne der Position von Papst Franziskus(68) heißt es, dass in "der röm-kath. Kirche .. dagegen die Übernahme demokratischer Strukturen wegen der wesenhaften Verschiedenheit von Klerus und Laien unmöglich. Jede rechtsbedeutsame Teilhabe an der Leitungsgewalt ist ... an den Klerikerstand gebunden".(69)

Jedoch liest man auch Plädoyers für kirchliche Demokratie aus dem Mund von katholisch-liberalen Vertretern: Es "scheint das demokratische Prinzip der biblischen Vorstellung von der Kirche als dem Volk Gottes angemessener als ein hierarchischer Patriarchalismus".(70)

"Umfrage vom November ... der deutschen Katholikinnen und Katholiken ... 87 Prozent sind für demokratische Wahlen kirchlicher Führungspersonen" (Annette Zoch: Katholizismus. Von der Kirche zum Kirchlein, Süddeutsche Zeitung vom 20.2.2024, S. 4)

Die Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken beschloss am 18./19.11 2016 die Erklärung "Synodalität. Strukturprinzip kirchlichen Handelns", wo es in Punkt 1.5. heißt: "Umgekehrt bedarf es innerhalb der Römisch-katholischen Kirche noch großer Anstrengungen, um Menschen, die auf allen Ebenen nach Formen der Partizipation und demokratischen Strukturen suchen, diesen Freiraum auch innerhalb der kirchlichen Strukturen zu bieten."

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7. Demokratie im Staat und in der Kirche: Gemeinsamkeiten

7.1. Die Kirche in ihren Entscheidungsvollzügen als Teil des Regiments zur Linken

Wenn in der Kirche in den legislativen Gremien der Synoden und Kirchenvorstände und den exekutiven Gremien der Kirchen- und Gemeindeleitung Entscheidungen getroffen werden, dann ist die Kirche vor allem dem Regiment zur Linken (ecclesia late dicta, militans), der weltlichen, sünd- und mangelhaften Sphäre, zuzuordnen, in der sich Gottes Wirklichkeit und Wahrheit nicht unmittelbar verwirklicht, sondern sich bei ihren Gliedern nur gebrochen manifestiert.

Meinungsverschiedenheiten über geistlich entscheidende Fragen gäbe es im Regiment zur Rechten, der paradiesischen Sphäre, nicht, sondern nur Einmütigkeit. Manche kirchliche Demokratiekritiker setzen in ihrer Argumentation voraus, dass in der realen Kirche das Regiment zur Rechten bzw. die ecclesia vere sanctorum/triumphans vorherrscht.

Weil aber die Wirklichkeit des Regiments zur Linken vorherrscht, passt die Entscheidungsmethode der Demokratie, die nur bei Meinungsverschiedenheiten ihren Platz hat.(71)

7.2. Derselbe Ausgangspunkt: Ethik der Gleichheit und Wahrheits-Differenz

Was von der Demokratie allgemein gesagt wurde, gilt grundsätzlich und zunächst einmal ohne Einschränkungen auch für die Kirche. Auf dieser ersten, formalen Ebene sollten sich der demokratische Staat und die Kirche nicht unterscheiden.

Man könnte einwenden, damit wäre die Kirche verweltlicht und die nötige Differenz wäre verkürzt. Es ist aber umgekehrt: Der demokratische Statt ist – zumindest implizit – aufgrund seiner Demokratie so vom christlichen Wesen durchzogen (unbeschadet der Tatsache, dass man auch ohne Glaubensvoraussetzung die Wahrheit dieser Methode erkennen kann (S.o. Kap. 3, Unterpunkt 3.1.)), dass die Durchführung einer fairen demokratischen (auch staatlichen) Abstimmung quasi ein impliziter, anonymer Gottesdienst ist.(72)
Theologisch sind diese Überlegungen auch im trinitarischen Wesen Gottes und in der Christologie gegründet, durch die eine disparate Trennung des Göttlichen und Weltlich-Menschlichen aufgehoben ist, und die menschliche und die göttliche Natur – bei aller notwendigen Unterscheidung - "untrennbar" miteinander verbunden sind.
Eine liberale katholische Stimme formuliert es so: "Demokratisches Dasein verträgt keine doppelte Anthropologie, d.h., ein Mensch kann nicht als Staatsbürger zwar in einem demokratischen, als Christ jedoch in einem absolutistisch-hierarchischem Gemeinwesen leben. Mitverantwortung im geistlichen u. umfassenden Sinn zu gewähren ist die notwendige Aufgabe der Kirche von morgen!"(73) Dann liegt zunächst nur ein Unterschied darin, dass im demokratischen Staat die christlichen Wurzeln implizit, in einer demokratischen Kirche aber explizit vorhanden sind. Das heißt, die Kirche sollte voll und ganz und durchgängig demokratisch organisiert sein.

Auch religiöse Wahrheitsansprüche werden nicht unmittelbar von Gott mitgeteilt, sondern vermittelt durch die Sprache von (gläubigen) Menschen. "Trifft es zu, daß vom Handeln der Kirche immer nur unter Bezug auf das Wirken bzw. Zusammenwirken menschlicher Subjekte konkret die Rede sein kann, dann gilt der Grundsatz, daß kirchliches Handeln nur dann als bestimmungsgemäß zu beurteilen ist, wenn es den Unterschied zwischen menschlicher Wirklichkeit und Wirklichkeit Gottes nicht aufhebt."(74)

Sehr oft treten auch im kirchlichen Raum Meinungsverschiedenheiten auf. Dabei "gibt es kein Verfahren, mit dessen Hilfe sich die Kirche im Einzelfall vergewissern könnte, welche von mehreren möglichen Entscheidungen nun die vom Heiligen Geist gebotene ist."(75) Dann erst kann die Demokratie auf den Plan treten. Nur sie trägt der Wahrheitsdifferenz des einzelnen Menschen und Christen gegenüber der absoluten Wahrheit (Gottes) Rechnung(76) und der Gleichheit, die aus der (geschöpflichen) Bezogenheit, Relationalität des Menschen zum anderen(77) folgt.

Sollte nun das Argument angeführt werden, die Demokratie selbst werde doch auch mit einem Wahrheitsanspruch vorgetragen, dann ist wie oben in Kapitel 5 (im Postmodernismus-Streit) zu antworten, dass dieser Wahrheitsanspruch ein vollkommen anderer als der Wahrheitsanspruch einer inhaltlicher Position ist, indem er - sozusagen auf einer Meta-Ebene - nichts anderes behauptet als die Vielfalt der Positionen, die dieser menschlichen Wahrheit Gottes widerspiegelt.

Auch in der Kirche gilt die formallogische Einsicht, dass – mit Ausnahme des Losverfahrens – die einzige Alternative zur Demokratie die Diktatur ist.

7.3. Das Amt als Ermöglichungs- und Gewährleistungsfunktion kirchlicher Demokratie

Gemeindliche Demokratie findet ihren kirchlich-sprachlichen Ausdruck unter anderem im Priestertum aller Gläubigen. Genau wie die staatliche Demokratie nur mit einem verfassungsrechtlichen Wahrheitsanspruch und damit in einem strukturellen Rahmen verwirklicht werden kann(78), so braucht auch kirchliche Demokratie und das Priestertum aller Gläubigen eine solche Struktur. Das sind natürlich die Kirchenverfassung, die Synode, aber gerade auch die kirchlichen Ämter. Die Aufgabe des exekutiven Amtes ist es auch, die synodalen, gesamtkirchlichen Beschlüsse gegen einzelne undemokratische Personen zu verteidigen, also kirchenrechtliche Maßnahmen zu ergreifen, wenn diese demokratischen Entscheidungen missachtet werden. Denn es „darf dort, wo mehrere Christen zusammen sind, nicht einer sich das nehmen, was allen gehört.“(79) Da wo die Kirche als Gemeinschaft aller spricht, kann nicht jeder beliebig als ihr Sprecher, Pfarrer auftreten, sondern die Kirche muss demokratisch entscheiden, wer sie öffentlich vertritt. Deshalb „ist es um der Liebe und der Ordnung willen notwendig, daß Christen darüber eins werden, wem sie die Wahrnehmung der öffentlichen Verkündigung und Gemeindeleitung übertragen wollen, ohne daß sie dadurch selbst aufhören, Priester zu sein."(80)

So wie - wie in Kapitel 5 gezeigt - die Demokratie als Struktur etabliert sein muss, diese Struktur aber nichts anderes verwirklicht als die Vielfalt der Demokratie - so muss das Amt, das aufgrund der Vielfalt der getauften Priester als Struktur der Einheit erforderlich wird, genau und nicht mehr als die Ermöglichung dieses Priestertums aller Getauften zum „Inhalt“ haben, nämlich „dass das besondere Amt der Kirche, welches durch die Ordination vermittelt wird, seinem Wesen und seiner Eigenart nach ganz im Dienst der Realisierung des Priestertums aller Getauften steht."(81)

Dabei ist die ständige demokratische Fundierung und Kontrolle des kirchlichen Amtes entscheidend, um die kirchliche Demokratie zu sichern und zu verwirklichen: „Die Landessynode hat in allen kirchlichen Fragen die letzte Entscheidung. Ihr sind die anderen Organe für ihre Amtsführung verantwortlich."(82) Letztlich sollte deshalb der EKD-Ratsvorsitzende analog zum Amt der Kanzlerin, die Landesbischöfin analog zum Ministerpräsidenten und der Pfarrer analog zur Bürgermeisterin gesehen werden. Entsprechendes soll dann für die legislativen Gremien gelten: Die Landessynode ist analog zum Landtag, der Kirchenvorstand analog zum Gemeinderat zu sehen,…

7.4. Das Losverfahren als besondere Entscheidungsmethode

Die Bibel kennt das Gebet um Gottes Eingreifen im Losverfahren(83). So sympathisiert Slenczka damit, daß im Falle von "Polarisierungen bei Personalentscheidungen ... bei gemeinsam geprüfter Qualifikation die letzte Entscheidung durch das Los im Gebet gefällt wird."(84)

Dies wäre in der Tat eine 3.Methode(85) neben den sonst kontradiktorischen Alternativen von Demokratie und Diktatur. Allerdings wird diese Methode kaum Anhänger für den durchgängigen kirchlichen Gebrauch finden.

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8. Kirchlich-Theologische Widersprüche gegen Demokratie

Noch in diesen Jahren gibt es Stimmen, die Demokratie nicht als eine genuine und notwendig aus dem christlichen Glauben folgernde Entscheidungsmethode ansehen(86), ihr deshalb im staatlichen Raum zurückhaltend-positiv, neutral oder sogar gleichgültig gegenüberstehen und gegenüber ihrer Anwendung im kirchlichen Bereich sehr zurückhaltend sind: „Demokratisierung der Kirche kann jedenfalls kein Selbstzweck sind und ist kein Wert an sich.“(87) – „Es ist sehr genau zu prüfen, ob und wieweit die Übertragung des politischen Modells der Demokratie auf andere Lebensbereiche wie … Kirche … möglich ist.“(88)

Demgegenüber vertrete ich hier die Meinung, dass Demokratie einen Wert an sich darstellt, einen absoluten Rang hat(89), weil sie als notwendiger Kernwert und Kernmethode nicht nur aus einer allgemein-philosophischen Wirklichkeitsanalyse, sondern speziell auch aus der christlichen Ethik folgt.(90) Das ökumenische Papier „Demokratie braucht Tugenden“ stellt in dieser Perspektive eine besondere Nähe zwischen der Demokratie und dem christlichen Menschenbild her(91). Insofern verbietet sich in der Tat eine „doppelte Anthropologie“(92) im Blick auf Kirche und Staat.

8.1. Begründungsdefizite erforderten ein (kirchlich-)vordemokratisches Fundament

Anders als bei den weiteren Punkten in diesem Kapitel (ab 8.2.), die sich kritisch mit der Demokratie innerhalb der Kirche befassen, betrachet der kritische Einwand hier in Kap 8.1. Demokratie im staatlichen und kirchlichen Bereich: "Die Werte, auf denen die Demokratie ... beruht, werden durch einen moralischen Glauben erkannt: Sie sind nicht rational zu begründen“(93). Dieser Einwand erscheint auf den ersten Blick differenziert und kritisch. Er behauptet aber mit dem scheinbar kritischen Moment des "moralischen Glaubens" eine axiomatische, der Rationalität entzogene, vordemokratische Dimension: Dieser "moralische Glaube" braucht eine außerhalb der Gruppe gleichberechtigter Menschen (Christen, die z.B. paritätisch in einer Synode repräsentiert werden) stehende Institution, die ihn autoritär definiert, weil diese von sich eine besondere Unmittelbarkeit zur (göttlichen) Wahrheit behauptet (also z.B. das Papstamt). Damit existiert die behauptete Demokratie nicht, sondern ist mehr oder weniger durch diese externe, vorgeschaltete Begründung ausgeschaltet.

Stattdessen wurde eine axiomfreie rational-ethische Begründung von Demokratie schon entfaltet, und zwar zunächst durch ihre Fundierung in der Gleichheit der Menschen (Kap 2.), die ihrerseits wiederum rational begründbar ist (Kap 3. und besonders Anmerkung 9).

8.2. Einmütigkeit

Ein weiteres christliches Argument gegen die demokratische Methode in der Kirche ist die fehlende Einmütigkeit: Demokratische Entscheidungen beinhalten eine bestimmende Mehrheit und überstimmte Minderheiten, letztlich also einen Dissens. Wahrheit und vor allem Glaube aber sind nur ein einziges, und deshalb gehöre zur (christlichen) Wahrheit die Einheit ("dass sie alle eins seien" (Johannesevangelium 17,11)) Hier wird damit argumentiert, „Demokratie sei Herrschaft, Kirche aber baucht die bessere, einmütige Geschwisterlichkeit.“(94)

Die in der Stimmenauszählung dokumentierte Unterscheidung in Mehrheit und Minderheit passe nicht zur Kirche: "Wo im geistlichen Bereich Stimmen ausgezählt werden müssen, ist etwas falsch gelaufen"(95). Auch die staatlich-demokratische Anerkennung eines Dissenses durch die Zuteilung wichtiger parlamentarischer Rechte an die Opposition passe nicht zur Kirche: "So wichtig auch die Opposition in der weltlichen Demokratie sein mag ..., in der Kirche ist sie ... fehl am Platz. Hier sei an die Mahnung des 1.Korintherbriefes zur Einheit erinnert."(96)

Diese Feststellungen sind alle wahr und wichtig. Sie sind aber keine Argumente gegen eine vollständige Demokratisierung der Kirche und auch nicht für eine nur eingeschränkte kirchliche Demokratie. Einmütigkeit ist das biblische, paradiesische und kirchliche Ideal. Wo sie herrscht, ist eine wichtige Voraussetzung der ecclesia vera und stricte dicta gegeben, und Demokratie ist dann nicht erforderlich.

Demokratie setzt erst bei bleibenden Meinungsverschiedenheiten ein(97). Wenn es also zur Zeit nicht möglich ist, diese ecclesia vera zu verwirklichen und wir es mit der ecclesia late dicta(98) zu tun haben, dann stellt sich die Frage nach dem Umgang der unterschiedlichen, sich auf die Glaubenswahrheit berufenden Menschen und Gruppen und ihre Machtverhältnisse untereinander. Dann ist die Demokratie die Methode, die der christlichen Ethik am meisten entspricht.(99)

Um das Ziel der Einmütigkeit z.B. bei synodalem Dissens zu erreichen, ist grundsätzlich ein Verhalten gut, bei dem es darum geht, "nicht ... den Gegner zu besiegen, sondern den Bruder in Christus zu gewinnen und festzuhalten."(100) Da dieser Satz aber mit einer demokratiekritischen Absicht geschrieben wurde, ist mit oben genannten Argumenten zu fragen, was zu tun ist, wenn man „den Bruder dauerhaft nicht gewinnen kann“. So scheint der Satz versteckte sprachliche Herrschaftsansprüche zu enthalten, insofern das „Gewinnen“, „Überzeugen“ nur in einer Richtung, nämlich hin zur eigenen (für göttlich wahr gehaltenen) Position gedacht wird – im Gegensatz zu einem herrschaftsfreien, auf Gleichheit beruhenden Dialog.

8.3. Berufung auf Gott statt auf die Menschen

Hier werden kirchendemokratie-kritische Positionen zusammengefasst, deren Ansichten insofern dieselbe theologische Grundstruktur haben, als sie meinen, dass demokratisch-menschliche Entscheidungen der monarchischen Souveränität Gottes widersprechen. Etwas vereinfacht könnte man die Frage formulieren: "Entscheiden Menschen oder Gott in der Kirche?" - "Ist das Göttliche oder das Weltlich-Menschliche in der Kirche bestimmend?"

Eine solche kritische Stimme behauptet, es seien (demokratische) "Synoden nicht von ihrem geistlichen Wesen her bestimmt, sondern in Analogie zu den staatlichen Verfassungen"(101), und es sei eine solche "Synode ... ungeistlich und säkular"(102).

Konkretisiert wird - noch in einer Promotion aus dem Jahr 2010 - diese der Demokratie scheinbar entgegenstehende göttliche Dimension unter Bezug auf die Autorität der göttlichen Bibel: "Die Vereinbarkeit von Volkssouveränität und Kirche scheitert bereits daran, dass die Kirche an ihren Auftrag, an Bibel und Bekenntnis gebunden ist."(103) - Und selbst in einem kirchendemokratie-freundlichen Aufsatz liest man noch im Jahr 2013: Es sei: „der Kirche in der Bindung an das Wort Gottes – die völlige Übernahme des demokratischen Strukturprinzips verwehrt.“(104)

Eine analoge Argumentation finden wir bei der Frage nach dem Souverän bei der Einsetzung kirchlicher Amsträger: "Die evangelische Seite darf das Pastorenamt nicht als Delegation der Gemeinde, sondern muß es als institutio Jesu Christi verstehen, ... als deren apostolische Repräsentanz der Gemeinde als ganzer vorgeordnet."(105) Härle fasst diese Positionen zusammen: "Dieser Auffassung zufolge entstammt das besondere Amt nicht der Gemeinde, sondern steht ihr als eine besondere Stiftung Jesu Christi von Anfang an gegenüber."(106)
In diesem Sinne äußern sich auch katholische(107) Stimmen, vor allem auch Papst Franziskus 2014 mit der Bemerkung, Bischöfe würden durch den Heiligen Geist berufen, aber nicht durch Menschen mit einer Mehrheitsentscheidung.(108)

Zusammengefasst wird kritisiert, dass "Mehrheitsbeschlüsse im Namen der Kirchen handeln sollen'. Geistliche Entscheidungen jedoch könnten nur von einzelnen gefällt werden."(109)

Der theologische Kern der Argumentation ist die wichtige Feststellung, dass Gott und seine ewige Wahrheit das Fundament der Kirche und kirchlicher Entscheidungen sein sollen und nicht menschlich-weltliche, aus dem Moment geborene Positionen. Macht man diese kritische Position stark (Das wird im folgenden Kapitel geschehen.), dann ist jedoch der Begründungszusammenhang für eine demokratisch-synodale Kirchenleitung selbst in keiner Weise tangiert, geschweige denn widerlegt, und andere Methoden als die demokratische, also diktatorische sind hiermit nicht begründet. Dass Gott durch den Heiligen Geist regieren soll, beinhaltet in keiner Weise, dass der Heilige Geist sich nur bei einzelnen oder einer Minderheit findet ("In der katholischen Kirche entscheidet nicht die Mehrheit, sondern der Heilige Geist, pflegen jene in der Kirche zu sagen, die offene Diskussionen nicht wollen. Als ob damit ausgemacht sei, dass Geist ihnen ums Haupt flattert."(110)). Kurz gesagt: Der Glaube an die Souveränität Gottes stellt grundsätzlich keinen Widerspruch zur demokratischen Entscheidungsmethode dar, die hier gerade als Ausdruck christlichen Glaubens und Ethik entfaltet wurde. Die monarchische Autorität Gottes und die demokratische Entscheidungsvollmacht der ganzen Gemeinde sind keine Gegensätze, sondern gehören stattdessen direkt zusammen.

Ebenso sind die kirchlichen Ämter von Gott, von Christus eingesetzt, aber eben als demokratische. Liberale katholische Stimmen vertreten auch diese Position: "Die Tatsache, daß die kirchliche Vollmacht von Gott und nicht vom Volk ausgeht, schließt nicht aus, daß die jeweiligen Inhaber der kirchlichen Vollmacht auf demokratische Weise bestellt, kontrolliert und mitwirkend begleitet werden. ... kann im Durchschnitt der Fälle so eher dem Willen Gottes entsprochen werden, besonders dann, wenn andernfalls religiöse oder sonstige Egoisten ... einen überdurchschnittlichen Einfluß auf die Bestellung von kirchlichen Ämtern und deren Ausübung besitzen."(111)

Auch hier gilt das schon Entfaltete: Der Wille des souveränen Gottes, auch im Blick auf die Besetzung kirchlicher Ämter begegnet uns nicht unmittelbar, sondern nur vermittelt durch die Sprache verschiedener Menschen(112). Wenn verschiedene Menschen unter Berufung auf Gott unterschiedliche Meinungen vertreten, ist durch die Berufung auf die Souveränität Gottes eine Meinungsverschiedenheit nicht hinreichend entschieden. Dann stellt sich wiederum die Frage: Wie gehen wir damit um – demokratisch oder hierarchisch-diktatorisch?(113)

Analysiert, dekonstruiert und kritisiert werden muss dagegen die Folgerung, dass aufgrund der - unbestrittenen - Souveränität Gottes (als Voraussetzung) der Schluss gezogen werden müsse, dass Demokratie in der Kirche eingeschränkt oder abgelehnt werden muss. Dieser Schluss beruht auf der – manchmal impliziten – Behauptung eines Kirchenmitglieds, es bestünde keine Gleichheit zwischen den Kirchenmitgliedern, und er hätte einen besseren, weil unmittelbareren Zugang zur Wahrheit der göttlichen Souveränität als andere. Deshalb müsste und könnte er (oder eine Minderheiten-Gruppe) Entscheidungen treffen, ohne auf die demokratische Mehrheit zu hören: eine religiös verschleierte Diktatur, die sich in der Behauptung zeigt, dass "geistliche Entscheidungen .. nur von einzelnen gefällt werden"(114) können.

8.4. Mitsprache der "Laien" trotz fehlender Demokratie

Ein - praktisches – weiteres Argument für eine hierarchische Kirchenstruktur ist nun überhaupt nicht schlüssig: In einer hierarchischen Kirchenstruktur könnten doch die mit undemokratischen Vollmachten ausgestatteten Amtsträger auf die Mitglieder hören, Beratungsgremien einrichten und somit das demokratische Element verwirklichen. Dabei wird übersehen, dass der Grundakt, von dem alles weitere abhängt, in der diktatorischen Vollmacht des Amtsträgers liegt: Er entscheidet, wann und in welchem Umfang er die Mehrheitsstimme der Gemeinde berücksichtigt. Letztlich ist er wiederum der, der alles alleine entscheidet, und die demokratische Mitsprache hängt von seiner „Gnade“ ab. Wie in einer mathematischen Klammer steht vor allen Akten der Gemeindebeteiligung das Minus des undemokratischen letzten Wortes des Amtsträgers. Wie schon in Kapitel 2 und 8.1. dargelegt, ist in Fällen der Einmütigkeit Demokratie gar nicht erforderlich. Die problematischen Situationen sind diejenigen bleibender Meinungsverschiedenheiten. Wenn dann ein Amtsträger das letzte Wort hat, dann hat er alle Möglichkeiten, den Ausgang des Konfliktes nach seinem Willen zu entscheiden.

8.5. Die freiwillige Mitgliedschaft in einer undemokratischen Gruppe (Kirche) als hinreichender demokratischer Akt

Nun könnte argumentiert werden, dass zwar der Staat auf allen Ebenen demokratisch organisiert sein müsse, da die Bürger ihm nicht entkommen können(115). Die Kirche sei aber nur eine Gruppe im Staat, und wem ihre hierarchisch-diktatorische Struktur nicht passe, der könne austreten, und schon dadurch bewege er sich durchgängig im demokratischen Raum.

Umgekehrt sei – wenn man sich in einem Staat mit Religionsfreiheit bewege und jederzeit austreten können – die fortgesetzte Kirchenmitgliedschaft nichts anderes als ein impliziter demokratischer Akt der Zustimmung zu dieser Kirche(116) auch mit ihrer z.B. hierarchisch-diktatorischen Struktur. Damit seien (wie bei einem mathematischen Klammerausdruck) alle weiteren undemokratischen Akte dieser Kirche mit einem grundlegenden Demokratie-Plus-Vorzeichen versehen und letztlich eben doch demokratisch. Dieses Argument enthält eine gewisse Plausibilität.

Trotzdem ist damit in keiner Weise begründet, warum nach dem ersten demokratischen Akt der Mitgliedschaft selbst die weiteren Vollzüge in der Kirche undemokratisch ablaufen sollen.

Auch muss dann deutlich darauf hingewiesen werden, dass im Unterschied zu durchgängig demokratisch organisierten Kirchen in dieser Kirche ein echter demokratischer Akt nur am Anfang steht und die Mitglieder sich freiwillig einer undemokratischen Hierarchie unterwerfen.

8.6. Echte Demokratie nur für kirchliche Einzelbereich geeignet

Nun ist natürlich eine Kirchenverfassung denkbar, in der die Kirchenverfassung klar abgegrenzte Teile des kirchlichen Lebens der demokratischen Entscheidung der Gemeindeglieder zuweist, zum Beispiel den Finanzsektor im Unterschied zu dogmatischen Fragen. Aus der hier dargelegten Position der christlich-ethischen Maxime der Demokratie wird man die demokratischen Teilbereiche begrüßen und die undemokratischen Teilbereiche einer Kritik mit dem Ziel unterwerfen, sie auch noch zu demokratisieren.
Auch ist diese Form kein Beleg dafür, dass es eine Mischung aus Diktatur und Demokratie geben kann, denn in den jeweiligen Teilbereichen herrscht eben entweder komplette Demokratie (hier: Finanzen) oder komplette Diktatur (hier: Dogmen).

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9. Die spezifische Differenz einer kirchlichen zu einer staatlichen Demokratie -

Zusätzliche Aspekte einer kirchlichen Demokratie

Im Folgenden wird deutlich werden, dass die spezifische Differenz kirchlicher Demokratie zum Staat nicht in einem Gegensatz besteht, sondern nur in einer Ergänzung, in der dann die säkular-weltliche Demokratie "aufgehoben" ist. Dementsprechend soll die Besonderheit einer kirchlichen Demokratie gegenüber dem Staat nicht darin liegen, dass die Mehrheitsstimme der Gemeinde nur beratend zu hören ist oder dass man Demokratie nur in Teilbereichen zulässt.

Nein, auf der Grundlage einer vollen und uneingeschränkten formalen Demokratie auf der ersten und formalen Ebene - wie im demokratischen Staat – zeigen sich im weiteren demokratischen Vollzug, analytisch gesprochen auf der nächsten Ebene des demokratischen Vollzugs, besondere christliche Aspekte, christlich-theologische Leitlinien. Allerdings ist nun verhindert, dass die Berufung auf Jesus Christus zur Ablehnung von Demokratie führt und zur Durchsetzung eigener undemokratischer Machtansprüche instrumentalisiert werden kann.

Die Orientierungspunkte für einen Christen (Kirchenvorsteher, Synodaler,....) bei einer kirchlichen Abstimmung sind letztlich die Grundlagen des Glaubens und Bekenntnisses und vor allem der christlichen Ethik. Aber auch deren genaue Auslegung und Anwendung sind sehr umstritten, je mehr man ins Detail geht, weshalb dann auch darüber nur demokratisch abgestimmt werden kann.(117)

Deshalb möchte ich hier die spezifisch christlichen Abstimmungs-Leitlinien so allgemein wie möglich halten, damit sie weitestgehend konsensfähig sind.

Diese Leitlinien sind im Kern orientiert an der unüberbietbaren Allgemeinheit, der Ewigkeit, der Dauerhaftigkeit des Wesens Gottes, während ein politischer Wähler, Abgeordneter sich von endlichen Gesichtspunkten leiten lassen kann, z.B. von zeitlich aktuell momentanen Überlegungen oder auch von partikularen Gruppen-/Lobby-/National-/Kontinent-Interessen.

Folgende Punkte spiegeln die Ewigkeit Gottes unter den Bedingungen der diesseitigen ecclesia militans bestmöglich wieder: "Tradition", "Einmütigkeit" und "Ökumene".

9.1. Tradition

Das zeitlich Absolute wird Ewigkeit genannt, und die Tradition kommt dieser näher als die Abstimmung aufgrund einer kurzfristigen Perspektive.

Die in der Kirche Abstimmenden sollen nicht nur den zeitlich-aktuellen Moment im Blick haben, sondern die Allgemeinheit Gottes in zeitlich-historischer Gesamt-Perspektive, also in Geschichte und Tradition ihrer Kirche.

Hier kann auch eine höhere Mehrheitshürde (z.B. 2/3-Mehrheit bei grundsätzlichen Änderungen der Kirchenverfassung, Abwahl des Bischofs, ...) diese Stetigkeit gewährleisten und trotzdem demokratische Grundsätze beachten.

9.2. Größtmögliche Einmütigkeit und Minderheitenschutz gegenüber den kirchlichen Gruppen

Die Kapitel 9.2. und 9.3. zielen darauf ab, die Absolutheit Gottes sozusagen räumlich widerzuspiegeln,
insofern innerhalb einer Kirche die Mehrheitsgruppe den Raum ihres Abstimmungs-Blickwinkels
- zum einen auch auf die Minderheitengruppen erweitert (9.2.) und
- zum anderen auch auf die weiteren Kirchen weltweit (Ökumene) (9.3.).

Es geht in diesem Kapitel um die ethische Leitlinie der größtmöglicher Einmütigkeit, so dass möglichst wenige Individuen ausgeschlossen sind. Einmütigkeit, also der Zustand, in dem alle Gemeindeglieder die eine Wahrheit erkennen, ist ein paradiesischer Zustand der ecclesia triumphans. Hier im Kapitel 9.2. wird auch das Bestreben ausgedrückt, doch möglichst viel von der ecclesia triumphans, möglichst viel präsentisches Reich Gottes (zur Rechten) zu verwirklichen(118), auch wenn sich Einstimmigkeit oder große Mehrheiten nur ab und zu erreichen lassen. (Der umgekehrte Schluss wäre ein logischer Fehler, dass jede Einstimmung ein hinreichendes Zeichen für das vollkommene Wirken des Heiligen Geistes in der Synode ist.)

Die Annäherung an das Ziel der Einmütigkeit findet sich auch im Grundsatz des magnus consensus(119). Damit ist ein Wahrheitsmoment der kirchlichen Demokratiekritiker(120) aufgehoben (einerseits aufbewahrt und gewürdigt; andererseits eben nur auf der zweitobersten Stufe gewürdigt, und insofern ist ihr fundamentaler, antidemokratischer Ansatz aufgehoben im Sinne einer Beseitigung. Aufgehoben im Sinne eines höheren, würdigeren Platzes ist ihr durchaus geistliches Anliegen der Einmütigkeit nun insofern, als diese geistliche Einheit erst ihren vollen Wert entfaltet, wenn sie nicht per Leitungsmacht, sondern aus persönlicher Überzeugung durch demokratische Entscheidungen möglichst vieler Gemeindeglieder zum Tragen kommen.).

Der Politiker und kirchliche Synodale Gustav Heinemann formulierte 1971: "Das Überstimmen von Minderheiten kann darum auf einer Synode nur ultima ratio sein."(121) Dieses kirchliche Einmütigkeitsprinzip entspricht auch einem Grundsatz im Konzept einer gemeinschaftsbezogenen "starken Demokratie" des Politologen Benjamin Barber.(122)

Jedoch ist hier immer Wachsamkeit geboten. Wer den ethischen Wert von Einheit/Brüderlichkeit verwendet, könnte diesen auf subtil-implizite Weise wiederum auf die oberste Stufe setzen und dies mit der Absicht tun, seine Position kompromisslos durchzusetzen, indem er das Gegenüber unter den moralischen Druck setzt, doch in Beachtung christlicher Einmütigkeit sich seiner Position anzuschließen. Die „Terminologie von … Brüderlichkeit ist eine durchaus zweideutige Sache. Sie ist gut und richtig, wenn damit an den Sinn der Kirchenleitung … erinnert wird. Sie wird problematisch, wenn dadurch verschleiert wird, daß auch in Kirchen Macht ausgeübt wird.“(123)

9.3. Weltkirche - Ökumene

Das räumlich Absolute wird Unendlichkeit genannt, und eine weltweite Perspektive kommt dieser näher als eine lokale oder nationale. Der kirchlich Abstimmende und Delegierte soll bei seinen Entscheidungen die Christen in anderen Lebenswelten und Lebensräumen beachten: "Das Problem des magnus consensus ... hat .. . auch eine Außenseite, und da geht es um das Gespräch mit der Ökumene insgesamt."(124)
Wendt betont "die ökumenische Bezogenheit jeder partikular-kirchlichen Synode, ihre an der Einheit des Leibes Christi ... orientierte Funktion im Verhältnis der örtlichen zu denn überörtlichen ecclesiae particulares und zur ecclesia universalis hin."(125)

9.4. Grenzen der 3 Leitlinien

Da die drei Leitlinien nicht identisch sind mit der ewigen Wahrheit Gottes, könnten sie im Extremfall zu Fehlurteilen führen und müssen dann vom Abstimmenden vollkommen übergangen werden, z.B. wenn der Abstimmende zur Überzeugung kommt, dass in einer Frage die bisherige Tradition, die Mehrheit der gegenwärtigen Kirchen weltweit oder gewichtige Minderheiten der eigenen Synode/Kirche im Gegensatz zur Wahrheit Gottes stehen (z.B. der Umgang mit Sklaverei, Frauen und Queers/Homosexuellen in der Kirchengeschichte).

Der im kirchlichen Raum oft kritisierte sogenannte "Zeitgeist" ist hierbei irrelevant und neutral gegenüber der Wahrheit. Das heißt, weder ist der Zeitgeist irgendwie Abstimmungsleitlinie noch bedeutet die Leitlinie der Tradition, dass der Zeitgeist immer abzulehnen ist, z.B. kann gerade der Zeitgeist die Wahrheit vertreten, wenn die Tradition bisher irrte. Es darf also keine Normativität des Historischen geben, und die Geschichte ist kontingent gegenüber der Wahrheit.

9.5. Durchsetzung der spezifisch kirchlichen Abstimmungs-Leitlinien

Damit der Basiswert von Gleichheit/Demokratie nicht zerstört wird, können diese allgemein verbindlichen Leitlinien nicht als undemokratische Verordnung durchgesetzt werden, sondern nur "sine vi humana, sed verbo"(126) als Appell den Abgeordneten der Synode vorgetragen werden. Der Form des Appells entspricht besonders die Form der Predigt, weshalb es in der ELKiB z.B. gesetzlich vorgeschrieben ist, eine Kirchenvorstandssitzung mit einer Andacht zu beginnen(127) und ein Gottesdienst zu Beginn jeder Synode gefeiert wird.

10. Die praktische Umsetzung des grundsätzlich-theoretisch Erkannten

Dieser Artikel gibt grundsätzliche theologische Antworten und damit auch Zielvorgaben für die Praxis, was Aufgabe jeder Theorie ist.

Eine weitere Frage ist es, wie das als wahr Erkannte praktisch verwirklicht werden kann. Um das als wahr Erkannte endgültig praktisch zu verwirklichen, wäre es das Ideal, alles sofort zu praktizieren, also auf einen Schlag undemokratische Strukturen zu demokratisieren. Dass dies nicht unbedingt weise ist und das endgültige gute Ziel behindern kann, zeigt die historische Praxis.

Im staatlichen Bereich bietet Indien (auch Brasilien) als größte Demokatie der Welt zwar ein praktisches Beispiel dafür, dass es praktikabel und erfolgreich sein kann, von einem Tag auf den anderen (1947 seit der Unabhängigkeit) die volle Demokratie einzuführen. Misslungene Beispiele z.B. in Zimbabwe oder jüngst einigen arabischen Staaten zeigen aber, dass es manchmal zielführender sein kann, schrittweise vorzugehen, wie wir es derzeit z.B. in China oder auch in Marokko erleben.

Im kirchlichen Raum müsste vermutlich eine unmittelbare Demokratisierung in den durch vielfältige (auch gesellschaftliche) hierarchische Traditionen geprägten (meist orthodoxen) Kirchen des Nahen Ostens viel langfristiger angelegt werden als bei den von Basisgemeinden geprägten Christen Lateinamerikas, bekanntlich der Heimat von Papst Franziskus.

11. Zusammenfassendes Beispiel

An einem fiktiven Beispiel sollen noch einmal die Prioritäten und Verhältnisse zugespitzt werden: Wenn es eine Weltsynode der Christenheit mit demokratisch gewählten Vertretern gäbe und an diese appelliert/gepredigt wurde, bei Ihren Entscheidungen, die Ewigkeit/Allgemeingültigkeit der göttlichen Glaubenswahrheit in Raum und Zeit zu beachten, dann müssen ihre Entscheidungen verbindlich sein und von den Amtsträgern (einschließlich eines eventuell die Weltkirche vertretenden Bischofs/Papstes) vertreten werden, selbst wenn es denkbar ist, dass die Mehrheit der Synodalen Gottes Wahrheit verfehlt hat.

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Vgl. die Einbindung dieses Themas in eine allgemeine, umfassende Theorie und systematische Philosophie (der Wirklichkeit) und Theologie: Christlicher Glaube und christliche Ethik unter Einbeziehung postmoderner Relativität, Kapitel 2.4.4.1.2.1. Demokratie.


  1. Aus der Predigt des Papstes vom 27.1.2014 (zitiert nach: Odendahl, Björn: Warum nicht demokratisch über das Bischofsamt entschieden wird. Geweiht und nicht gewählt, Artikel von katholisch.de vom 28.1.2014)
  2. S.u. Kap.3.
  3. "Die Demokratie ist eine Organisationsform nicht für den Konsens, sondern für den Dissens" (Welsch, Wolfgang: Unsere postmoderne Moderne, 5.Aufl. Berlin 1997 (="Welsch"),S.183)
  4. S.u. Kap 7.4.(das biblische Losverfahren).
  5. Diese Position wird z.B. von Benjamin Barber unter dem Thema "Starke versus schwache Demokratie" vertreten. . Barber behauptet: "starke Demokratie ... macht aus Meinungsverschiedenheit einen Anstoß zu Gegenseitigkeit" (Barber, Benjamin: Starke Demokratie. Über die Teilhabe am Politischen, Hamburg 1994 (= Barber), S.147). Es wird in "der stark-demokratischen Gemeinschaft ... Autonomie .. gewahrt, weil ihre Vorstellung von eigener Freiheit und eigenem Interesse so erweitert wurde, daß sie auch andere einschließt." (Barber, S.232) Diese Art von Demokratie stellt er einer "schwachen Demokratie" gegenüber, welche sich mit ihren formalen Grundstrukturen begnügt, man könnte auch sagen, im oberen formalen Hierarchiebereich stehen bleibt. Diese Gedanken Barbers finden sich in der christlichen Abstimmungsleitlinie der Einmütigkeit wieder (S.u. Kap. 9.2..)
  6. "It almost goes without saying that the only political system ... that derives its legitimacy ... from the idea of political equality is democracy." (Dahl, Robert A.: On Political Equality, New Haven/London 2006, S.6)
  7. Evangelische Kirche und freiheitliche Demokratie. Der Staat des Grundgesetzes als Angebot und Aufgabe. Eine Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland, Gütersloh 1985, S.14
  8. Konsens und Konflikt: Politik braucht Auseinandersetzung Zehn Impulse der Kammer für Öffentliche Verantwortung der EKD zu aktuellen Herausforderungen der Demokratie in Deutschland, Hannover 2017 (=Demokratie-Impulse), 9f
  9. S.u.Kapitel 6.1.1. und 6.2.1..
  10. 1. Etwas, ein Endliches, auch der endliche Mensch, sein Ich ist - immer auch bestimmt als Endliches mit seinen Grenzen durch das andere, das es in seinem Sosein bestimmt, also das andere seiner selbst ist, - das aber andererseits dieses Bestimmte eben nicht ist.

    So besteht das Endliche und auch das Ich des endlichen Menschen - unabhängig und gerade im Unterschied zum anderen, - andererseits bedingen sich das Ich und das andere notwendig und befinden sich in einer beständigen Beziehung, in einer beständigen Wirklichkeit des Übergehens.

    Aus der allgemeinen Wirklichkeit, Ontologie des Übergehens folgt als ethischer Grundsatz, der dieser Wirklichkeit entspricht , die Maxime der Rücksichtnahme, die besagt, dass sich das Ich sich selbst zuwenden soll, aber ebenso dem anderen.

    Der ethische Grundsatz der Rücksichtnahme beinhaltet weiter entfaltet: Bezogenheit auf das andere, Achtung des anderen, was wiederum Freiheitsermöglichung und geringstmöglichem Zwang gegenüber dem anderen beinhaltet. Auf der anderen Seite schließt dieser Grundsatz Selbstherrlichkeit, Abschottung gegenüber dem anderen und Überheblichkeit aus. Diese Werte beinhalten nun ganz grundlegend, den anderen Menschen in gleicher Weise (nicht geringer, auch nicht höher) wie sich selbst zu behandeln, und ihn also als gleich, gleichwertig, gleichberechtigt anzusehen.

    Die Gleichheit der Menschen ist aber der entscheidende Wert, aus dem notwendigerweise die Demokratie abzuleiten ist, denn das Grundprinzip der Demokratie besteht darin, dass jedes Gruppenmitglied die gleiche Stimme bei Entscheidungen hat.

    Die induktive Analyse der Wirklichkeit (als Übergehen) ist nahezu identisch mit der trinitarischen Grundwirklichkeit, insofern die trinitarischen Personen als ewige Pluralität sich in einem dauernden Übergehen befinden (und damit natürlich die Grundlage und den Maßstab für das Übergehen in der endlichen Wirklichkeit legen). Insofern laufen die axiomfreien philosophischen Gründe für die ethischen Werte von Gleichheit und Demokratie parallel mit theologischen und dogmatischen Gründen.

    2. In einem zweiten Gedankengang kommen wir erkenntnistheoretisch ebenso zum Wert der Gleichheit. Skeptizistisch ist festzustellen, dass empirische Erkenntnissen keine vollständige Sicherheit bieten, weil aus der Vielzahl der Zusammenhänge und beeinflussenden Faktoren immer nur ein Teil berücksichtigt werden kann (Zum Beispiel lehrt die Relativitätstheorie, dass Zeit, die bis vor kurzem von der Menschheit als objektiv-eindeutige Größe angesehen wurde, eine relative (abhängig von der Geschwindigkeit der Subjekte) und keineswegs eindeutige Größe ist.). Die Erkenntnis, dass die (vollständige) Wahrheit immer außerhalb von mir ist, verbietet es jedem Menschen trotz seines vielleicht großen „Wissens“ von endlich-empirischen Dingen sich in monarchischer oder aristokratischer Herrschaftsabsicht über den anderen zu stellen . Stattdessen haben wir hier einen zweiten Grund dafür, den Mitmenschen - aufgrund der allgemeinen menschlichen Wisensbegrenzung/Unwissenheit - als gleich, gleichwertig, gleichberechtigt anzusehen, und es ist damit ein zweiter Grund für den grundlegenden ethischen Wert der Gleichheit.

    Analog zum Skeptizismus im Blick auf die endlichen Dinge und das Wissen um die volle Wahrheit außerhalb des Menschen - führt der monotheistische Glaube an einen absoluten Gott, der die volle Wahrheit außerhalb des Menschen enthält, zu Gleichheit und Demokratie. In dieser vollständigen Sicht ist der Monotheismus also gerade nicht die Ursache für Gewalt, Unterdrückung und eine antidemokratische Staatsform (was nichts anderes ist als purer Atheismus als Selbstzentrierung und Selbstverherrlichung des menschlichen Subjektes in manchmal frommem, monotheistischen Tarnkleid), sondern gleichheitsorientiert und demokratisch der Gegenpol von Diktatur.

    Es wurde deutlich, dass Gleichheit und die demokratische Verhaltensmaxime ein rational begründbarer ethischer, allgemeingültiger , vor-empirischer, formaler Wert an sich ist, der außerdem nur existieren kann, wenn er allein auf der obersten ethischen Hierarchie-Ebene steht.

  11. Pelinka, Anton: Die Demokratisierung der Kiche und ihre Konsequenzen, in: Liebmann, Maximilian (Hg.): Kirche in der Demokratie - Demokatie in der Kirche, Graz/Wien/Köln 1997, 21-29, S.21
  12. S.u. Kap. 8.
  13. S.u. Kap. 8, vor allem 8.2..
  14. S.u. Anm.58.
  15. Bei Geschmacksfragen kann es keine Wahrheitsfindung geben, kann und soll die Vielfalt bestehen bleiben, denn hier hat „die Subjektivität ihr Ergehen.“
  16. S.o. Kap. 2.
  17. S.o. Kap. 2.
  18. Münkler, Laura: Expertokratie. Zwischen Herrschaft kraft Wissen und politischem Dezisionismus, Tübingen 2020, 646f
  19. a.a.O., 472f
  20. a.a.O., 655
  21. a.a.O., 468
  22. a.a.O., 652
  23. Welsch, S.182, Fußnote 23
  24. Welsch, S.167
  25. Assmann, Jan: Exodus. Die Revolution der Alten Welt, München 2015 (= Assmann), 226
  26. Assmann, 226
  27. Assmann, 250
  28. von Rad, Gerhard: Theologie des Alten Testaments, Bd.1., 7.Auflage München 1978, S.73
  29. S.u. Kap 6.2.1..
  30. Pausch, Eberhard: Demokratie innerhalb der Kirche, Deutsches Pfarrerblatt 9/2013 (=Pausch, Pfarrerblatt)
  31. Sie ist Grundlage für die Demokratie. (S.u. Kap.4.4..)
  32. Aus dem sozialen und politischen Kampf (Die zwölf Artikel der Bauern 1525. Hans Hergot, Von der neuen Wandlung 1527), Flugschriften aus der Reformationszeit, Bd.20 (hrsg. v. Götze,A; Schmitt,L.E.), Halle 1953 (= Götze), S.41
  33. Artikel "Memminger Freiheitspreis 1525"
  34. S.u. Anm.32.
  35. Hesse, Konrad: Freie Kirche im demokratischen Gemeinwesen. Zur Gegenwartslage des Verhältnisses von Staat und Kirche in der Bundesrepublik, in: ZevKR 11 (4/ 1964/65), 337-362, S.343
  36. Huber, Wolfgang: Protestanten in der Demokratie. Positionen und Profile in Nachkriegsdeutschland, München 1990, S.26f
  37. Demokratie-Impulse, 8
  38. Demokratie braucht Tugenden - Gemeinsames Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz zur Zukunft unseres demokratischen Gemeinwesens (Gemeinsame Texte Nr. 19), Hannover/Bonn 2006, S.14
  39. a.a.O., S.12
  40. a.a.O., S.16
  41. Demokratie-Impulse, 29
  42. Artikel vom 7.7.2014 (Ursprung: epd) „Bischof Bedford-Strohm kritisiert Waffenlieferungen: Deutsche Waffen im Kriegseinsatz“ (www.onetz.de)
  43. Honecker, Martin: Demokratie als Lebensform: Die evangelische Kirche in Deutschland und ihre Einstellung zur politischen Kultur, Deutsches Pfarrerblatt 9/2013 (= Honecker,Pfarrerblatt)
  44. US Constitution
  45. Inaugural Adress by President Barack Obama, January 21, 2013
  46. S.o. Kap. 6.1.1..
  47. Bultmann, Rudolf: Die Geschichte der Synoptischen Tradition, 9.Auflage Göttingen 1979, S.158
  48. Gnilka, Joachim: Jesus von Nazaret, 3.Aufl Freiburg/Basel/Wien 1994, S.238
  49. S.u. Kap. 7.3..
  50. Roloff, Jürgen: Die Apostelgeschichte, NTD 5, 17.Auflage Göttingen 1981, S.109
  51. τὸ πλῆθος (Vers 2) "ist die versammelte Gemeinde" (Rienecker,Fritz: Sprachlicher Schlüssel zum Griechischen Neuen Testament, Gießen/Basel 1970 (=Rienecker), S.262), die Vollversammlung, und zu ἐξελέξαντο (V 5) kann "subj. .. nur das Kollektivum πλῆθος sein" (Rienecker, a.a.O.). Dieses Wort bedeutet "auswählen" im Sinne von (demokratischer) Wahlfreiheit, die die Vollversammlung hier hat.
  52. Babylonischer Talmud, Bava Mezia 59b. zitiert nach: Wengst, Klaus: Jesus zwischen Juden und Christen. Re-Visionen im Verhältnis der Kirche zu Israel, 2.Aufl Stuttgart 2004 (=Wengst), 38
  53. Wengst, 38
  54. Wengst, 39
  55. Wengst, 38
  56. Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, 9.Auflage Göttingen 1982 (=Bekenntnischriften), 124. Belegt wird diese Aussage unter anderem mit Mt 7,15 und Gal 1,8.
  57. Hutter, Leonhart: Loci Commune, s Theologici ex Sacris Literis diligenter eruti, Wittenberg 1619 (von der Fakultät Wittenberg post mortem herausgegeben) (=Hutter), S. 568 (Locus "De Regimine Ecclesiastico)
  58. Hutter, 581
  59. Närger, Nikolaus: Das Synodalwahlsystem in den deutschen evangelischen Landeskirchen im 19. und 20.Jahrhundert, Tübingen 1988 (=Närger), 41
  60. Närger, 42
  61. Das entspricht auch der gesellschaftspolitischen Lage in Deutschland in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts während der Restaurationszeit, in der vor allem Baden (und an zweiter Stelle Bayern) gegenüber restaurativen Einflüssen relativ resistent waren und das Erbe der auf Gleichheit und Individualität beruhenden Bürgerrechte (z.B. das Recht auf Selbstbestimmung in Familien- und Sexualfragen) aus der Zeit der Französischen Revolution in wichtigen Teilen bewahrten.
  62. Müller, Hans Martin: Kirche in der Demokratie - Demokratie in der Kirche?, in: ZevKR 44 (3/1999), 324- 339 (=Müller), 334
  63. Kuttler, Friedemann: Synode und Parlament, Hamburg 2010 (=Kuttler), 64
  64. Kuttler, a.a.O.
  65. Barth, Thomas: Elemente und Typen landeskirchlicher Leitung, Jus Ecclesiasticum, Bd.53, Tübingen 1995 (=Barth), 29
  66. Maurer,Wilhelm: Typen und Formen aus der Geschichte der Synode, in: Schriften des Theologischen Konvents Augsburgischen Bekenntnisses,Heft 9 (1955), 78-99, 99
  67. Dienst,Karl: "Zerstörte" oder "wahre Kirche: Eine geistliche oder kirchenpolitische Entscheidung, Frankfurt/Main 2007 (=Dienst), 115
  68. S.o. Anm.1.
  69. Neumann,J.: Art. "Demokratisierung in der Kirche", in: Klose,Alfred; Mantl, Wolfgang; Zsifkovits, Valentin (Hrsgg.): Katholisches Soziallexikon, 2.Aufl. Innsbruck/Wien/München/Graz/köln 1980, Sp.434-438 (=Kath. Soziallexikon), Sp.434
  70. Kath. Soziallexikon, Sp.437
  71. S.o. Kap.2.
  72. Veranschaulicht wird diese Aussage durch eine traditionelle Sitte im oberbayrischen Raum bei Wahlen gleich nach dem Gottesdienst mit der festlich-würdigen Tracht ins Wahllokal zu gehen, die man auch im Gottesdienst trug.
  73. Kath.Soziallexikon, Sp.438
  74. Wenz,Gunter: Das Amt universalkirchlichen Einheitsdienstes und die Weise seiner Ausübung. Eine evangelische Perspektive, in: ders., Grundfragen ökumenischer Theologie. Gesammelte Aufsätze, Bd.1, Göttingen 1999, 258-280 (=Wenz, Amt), 263
  75. von Tiling, Peter: Das Konsensusprinzip bei der Synode, in: Autorität des kirchlichen Amtes und der synodalen Konsensusbildung im Zeitalter der Demokratie, Veröffentlichungen der Luther-Akademie e.V. Ratzeburg, Bd.5, Erlangen 1983 (=Tiling), 99-115, 100 – Dies auch als Gegenposition zur Äußerung von Papst Franzsikus in Anm.1.
  76. S.o. Kap.4.
  77. S.o. Kap.3.
  78. S.o.Kap. 5.
  79. Härle, Wilfried: Grundzüge einer Theologie der Synode, in: Anstösse 33 (1/1986), 70-77 (=Härle), S.74
  80. Härle, S.74
  81. Wenz,Amt, S.266
  82. Härle, S.70
  83. S.o. Kap. 6.2.1. (Apg 1,23-26).
  84. Slenczka, Reinhard: Synode zwischen Wahrheit und Mehrheit. Dogmatische Überlegungen zur synodalen Praxis, in: KuD 29 (1/1983), 66-81 (=Slenczka), 80
  85. S.o. Kap. 2., Anm.4
  86. S.o. Anm. 27.
  87. Honecker,Pfarrerblatt
  88. Honecker, Pfarrerblatt
  89. im Gegensatz zu Honecker, hier: Anm.31.
  90. S.o. Kap. 3 und 7.2..
  91. S.o. Anm. 24 und 25.
  92. S.o. Kap 7.2., Anm. 57.
  93. Ratzinger, Joseph Kardinal: Werte in Zeiten des Umbruchs. Die Herausforderungen der Zukunft bestehen, Freiburg/Basel/Wien 2005 (=Ratzinger), S.61
  94. Zsifkovits,Valentin: DIE KIRCHE, eine Demokratie eigener Art?, Schriften des Instituts für christliche Sozialwissenschaften der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Bd 37, Münster 1997 (= Zsifkovits), S.123
  95. Grethlein, Gerhard: Theologie der Synode. Zu Selbstverständnis und religiösem Anspruch des protestantischen Synodalsystems, in: Ziegert, Richard (Hrsg.): Vielfalt in der Einheit. Theologisches Studienbuch zum 175jährigen Jubiläum der Pfälzischen Kirchenunion, Speyer 1993, 229-252 (=Grethlein), S.243
  96. Zsifkovits, S.123. Dann wird auf 1.Kor 1,10 Bezug genommen.
  97. S.o. Kap 2..
  98. S.o. Kap. 7.1..
  99. S.o.Kap 3..
  100. Slenczka, S.77
  101. Slenczka, S.69
  102. Slenczka, S.70
  103. Kuttler, S.74
  104. Pausch,Pfarrerblatt
  105. Wilckens, Ulrich: Das Amt des Geistes und der Geist des Amtes. Neutestamentliche Einsichten und kirchliche Erfahrungen, in: Rendtorff, Trutz: Charisma und Institution, Gütersloh 1985, 23-54 (=Wilckens),S.54
  106. Härle, S.74
  107. S.o. Kap. 6.2.2., Anm.53.
  108. S.o. Anm.1.
  109. Slenczka, S.69
  110. Drobinski, Mattthias: Die Gebote und der Heilige Geist. Den Gläubigen nicht nach dem Mund reden, sie aber ernst nehmen, Süddeutsche Zeitung, 21.5.2015, S.4
  111. Zsifkovits, S.67f
  112. S.o. Kap. 7.2. Anm.58 und Kap.4..
  113. S.o. Kap.4
  114. S.o. Anm.92
  115. Auswanderung als einzige Möglichkeit ist oft schwierig.
  116. Diese Kirche erhält dann sozusagen von ihren Mitgliedern qua Mitgliedschaft 100% Zustimmung, eventuell allerdings von einer beständig schrumpfenden absoluten Mitgliederzahl, da sich die Austretenden von der undemokratischen Binnenstruktur distanzieren.
  117. S.o. den letzten Absatz von Kap. 8.2..
  118. S.o. Kap. 7.1..
  119. CA 1: Ecclesiae magno consensu apud nos docent
  120. S.o. Kap. 8.1..
  121. zitiert nach Schwab, Karl Heinz: Geschichte, Rechtsstellung und Aufgaben der Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, in: Bartlsperger, Richard u.a. (Hrsgg.): Rechtsstaat Kirche Sinnverantwortung. Festschrift für Klaus Obermayer zum 70.Geburtstag, München 1986, 315-323, S.322
  122. S.o. Anm.5, Kap.2..
  123. Härle, S.76
  124. Dietzfelbinger, Hermann: Geistliches Amt und Synode, in: Autorität des kirchlichen Amtes und der synodalen Konsensusbildung im Zeitalter der Demokratie, Veröffentlichungen der Luther-Akademie e.V. Ratzeburg, Bd.5, Erlangen 1983, 15-29, S.26
  125. Wendt, Günther: Kirchenleitung und Synode, in: ZevKR 11 (1/2 1964/65), 65-88, S.73
  126. CA 28
  127. § 39 (2) Satz 1 KGO


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    • IONOS by 1&1: Leistungen auf dem Gebiet der Bereitstellung von informationstechnischer Infrastruktur und verbundenen Dienstleistungen (z.B. Speicherplatz und/oder Rechenkapazitäten); Dienstanbieter: 1&1 IONOS SE, Elgendorfer Str. 57, 56410 Montabaur, Deutschland; Rechtsgrundlagen: Berechtigte Interessen (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO); Website: https://www.ionos.de; Datenschutzerklärung: https://www.ionos.de/terms-gtc/terms-privacy; Auftragsverarbeitungsvertrag: https://www.ionos.de/hilfe/datenschutz/allgemeine-informationen-zur-datenschutz-grundverordnung-dsgvo/auftragsverarbeitung/?utm_source=search&utm_medium=global&utm_term=Auft&utm_campaign=HELP_CENTER&utm_content=/hilfe/.

    Kontakt- und Anfragenverwaltung

    Bei der Kontaktaufnahme mit uns (z.B. per Kontaktformular, E-Mail, Telefon oder via soziale Medien) sowie im Rahmen bestehender Nutzer- und Geschäftsbeziehungen werden die Angaben der anfragenden Personen verarbeitet soweit dies zur Beantwortung der Kontaktanfragen und etwaiger angefragter Maßnahmen erforderlich ist.

    • Verarbeitete Datenarten: Kontaktdaten (z.B. E-Mail, Telefonnummern); Inhaltsdaten (z.B. Eingaben in Onlineformularen); Nutzungsdaten (z.B. besuchte Webseiten, Interesse an Inhalten, Zugriffszeiten); Meta-/Kommunikationsdaten (z.B. Geräte-Informationen, IP-Adressen).
    • Betroffene Personen: Kommunikationspartner.
    • Zwecke der Verarbeitung: Kontaktanfragen und Kommunikation; Verwaltung und Beantwortung von Anfragen; Feedback (z.B. Sammeln von Feedback via Online-Formular); Bereitstellung unseres Onlineangebotes und Nutzerfreundlichkeit.
    • Rechtsgrundlagen: Berechtigte Interessen (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO).

    Rechte der betroffenen Personen

    Ihnen stehen als Betroffene nach der DSGVO verschiedene Rechte zu, die sich insbesondere aus Art. 15 bis 21 DSGVO ergeben:

    • Widerspruchsrecht: Sie haben das Recht, aus Gründen, die sich aus Ihrer besonderen Situation ergeben, jederzeit gegen die Verarbeitung der Sie betreffenden personenbezogenen Daten, die aufgrund von Art. 6 Abs. 1 lit. e oder f DSGVO erfolgt, Widerspruch einzulegen; dies gilt auch für ein auf diese Bestimmungen gestütztes Profiling. Werden die Sie betreffenden personenbezogenen Daten verarbeitet, um Direktwerbung zu betreiben, haben Sie das Recht, jederzeit Widerspruch gegen die Verarbeitung der Sie betreffenden personenbezogenen Daten zum Zwecke derartiger Werbung einzulegen; dies gilt auch für das Profiling, soweit es mit solcher Direktwerbung in Verbindung steht.
    • Widerrufsrecht bei Einwilligungen: Sie haben das Recht, erteilte Einwilligungen jederzeit zu widerrufen.
    • Auskunftsrecht: Sie haben das Recht, eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob betreffende Daten verarbeitet werden und auf Auskunft über diese Daten sowie auf weitere Informationen und Kopie der Daten entsprechend den gesetzlichen Vorgaben.
    • Recht auf Berichtigung: Sie haben entsprechend den gesetzlichen Vorgaben das Recht, die Vervollständigung der Sie betreffenden Daten oder die Berichtigung der Sie betreffenden unrichtigen Daten zu verlangen.
    • Recht auf Löschung und Einschränkung der Verarbeitung: Sie haben nach Maßgabe der gesetzlichen Vorgaben das Recht, zu verlangen, dass Sie betreffende Daten unverzüglich gelöscht werden, bzw. alternativ nach Maßgabe der gesetzlichen Vorgaben eine Einschränkung der Verarbeitung der Daten zu verlangen.
    • Recht auf Datenübertragbarkeit: Sie haben das Recht, Sie betreffende Daten, die Sie uns bereitgestellt haben, nach Maßgabe der gesetzlichen Vorgaben in einem strukturierten, gängigen und maschinenlesbaren Format zu erhalten oder deren Übermittlung an einen anderen Verantwortlichen zu fordern.
    • Beschwerde bei Aufsichtsbehörde: Sie haben unbeschadet eines anderweitigen verwaltungsrechtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs das Recht auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde, insbesondere in dem Mitgliedstaat ihres gewöhnlichen Aufenthaltsorts, ihres Arbeitsplatzes oder des Orts des mutmaßlichen Verstoßes, wenn Sie der Ansicht sind, dass die Verarbeitung der Sie betreffenden personenbezogenen Daten gegen die Vorgaben der DSGVO verstößt.

    Begriffsdefinitionen

    In diesem Abschnitt erhalten Sie eine Übersicht über die in dieser Datenschutzerklärung verwendeten Begrifflichkeiten. Viele der Begriffe sind dem Gesetz entnommen und vor allem im Art. 4 DSGVO definiert. Die gesetzlichen Definitionen sind verbindlich. Die nachfolgenden Erläuterungen sollen dagegen vor allem dem Verständnis dienen. Die Begriffe sind alphabetisch sortiert.

    • Personenbezogene Daten: "Personenbezogene Daten“ sind alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (im Folgenden "betroffene Person“) beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung (z.B. Cookie) oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen identifiziert werden kann, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind.
    • Verantwortlicher: Als "Verantwortlicher“ wird die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet, bezeichnet.
    • Verarbeitung: "Verarbeitung" ist jeder mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführte Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten. Der Begriff reicht weit und umfasst praktisch jeden Umgang mit Daten, sei es das Erheben, das Auswerten, das Speichern, das Übermitteln oder das Löschen.

    Erstellt mit kostenlosem Datenschutz-Generator.de von Dr. Thomas Schwenke





    Welche Daten meiner Webseitenbesucher speichert Ionos?

    Es werden folgende Daten von Webseitenbesuchern erhoben, die direkt bei der Erhebung anonymisiert werden:
    • Referrer (zuvor besuchte Webseite)
    • Angeforderte Webseite oder Datei
    • Browsertyp und Browserversion
    • Verwendetes Betriebssystem
    • Verwendeter Gerätetyp
    • Uhrzeit des Zugriffs
    • IP-Adresse in anonymisierter Form (wird nur zur Feststellung des Orts des Zugriffs verwendet)

    Zusätzlich findet eine Verarbeitung durch WebAnalytics statt:
    Tracking und Logging sind standardmäßig aktiviert. Die Daten werden entweder durch einen Pixel oder durch ein Logfile ermittelt. Zum Schutz von personenbezogenen Daten verwendet WebAnalytics keine Cookies. Die IP des Besuchers wird bei der Übermittlung eines Seitenabrufes übertragen, nach der Übermittlung direkt anonymisiert und ohne Personenbezug verarbeitet. IONOS speichert keine personenbezogenen Daten von Websitenbesuchern, damit keine Rückschlüsse auf die einzelnen Besucher gezogen werden können. Es werden folgende Daten erhoben: Referrer (zuvor besuchte Webseite); Angeforderte Webseite oder Datei; Browsertyp und Browserversion; Verwendetes Betriebssystem; Verwendeter Gerätetyp; Uhrzeit des Zugriffs; IP-Adresse in anonymisierter Form (wird nur zur Feststellung des Orts des Zugriffs verwendet). In Ionos WebAnalytics werden Daten ausschließlich zur statistischen Auswertung und zur technischen Optimierung des Webangebots erhoben. Es werden keine Daten an Dritte weitergegeben.

    Zu welchem Zweck werden die Daten erhoben? Die Daten werden aus berechtigtem Interesse erhoben, um die Sicherheit und Stabilität des Angebots zu gewährleisten und den Webseitenbesuchern ein Höchstmaß an Qualität bereitstellen zu können.

    Wie lang werden die Besucherdaten gespeichert? Die Daten werden 8 Wochen gespeichert.

    Werden Besucherdaten an Dritte weitergegeben? Nein, Ihre Daten werden nicht an Dritte weitergegeben.

    Findet ein Transfer von Besucherdaten in Drittstaaten außerhalb der EU statt? Nein, ein Transfer in Drittstaaten findet nicht statt.

    Verantwortlich für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten: (1&1 IONOS SE, Elgendorfer Str. 57, 56410 Montabaur, Deutschland, https://www.ionos.de/, info@ionos.de)